Smaller Default Larger

Herzüberkopf – das ist nichts für Charlotte.

Aufgewachsen bei ihrem Vater und mit drei älteren Brüdern, ist sie alles andere als ein typisches Mädchen. Als sie jedoch aus Geldnot einen Job in einer Modeboutique annimmt, wird Charlies Leben plötzlich von Make-up, Freundinnen und Dates bevölkert. Von ihrem verwirrenden neuen Leben als Mädchen erzählt sie nachts ihrem Nachbarn Braden, Sandkastenfreund und quasi vierter Bruder. Und als wäre ihr Doppelleben nicht schon kompliziert genug, verliebt sich Charlie auch noch – ausgerechnet in Braden. Muss sie ihre Freundschaft riskieren, um die große Liebe zu finden?

 

Die Nacht der gestohlenen Kuesse 

Originaltitel: On the Fence
Autor: Kasie West
Übersetzer: Anne Markus
Verlag: Arena
Erschienen: 02/2015
ISBN: 978-3-401-60042-0
Seitenzahl: 267 Seiten

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Charlie wächst mit drei großen Brüdern auf und natürlich werden im Hause Reynolds hauptsächlich Jungensachen gemacht. Sport, egal welcher Art, wird großgeschrieben und so verwundert es eigentlich keinen, das Charlie kein typisches 16-jähriges Mädchen ist. Make-up, Mädchenklamotten oder gar Mädchengespräche sind eine fremde Welt für sie. Bis sie eines Tages von ihrem Dad praktisch zu einem Job verdonnert wird, um die angesammelten Strafzettel zu bezahlen. Sie wird in einer Boutique fündig und deren Besitzerin Linda öffnet ihr die Tür in eine andere Welt. Eine Welt, die nicht nur viel Neues für Charlie beinhaltet, sondern auch einen längst vergessenen Albtraum in ihr wieder zum Erwachen bringt. Was läuft anders im Hause Reynolds? Warum träumt sie jede Nacht immer wieder diesen Traum und warum hat sie keine Kindheitserinnerungen von ihrer Mutter, so wie andere Mädchen auch?

Mit einer einfachen aber seltsam matten Sprache hat Kasie West diesen Roman in Szene gesetzt.


Stil und Sprache
Aus der Ich-Perspektive der Vergangenheitsform erlebt man die Geschichte von Charlie und ihrer Familie. Oder besser gesagt, einen Teil davon. Denn die Autorin lässt vieles im Unklaren, vieles im Schatten und so ist die Fantasie des Lesers verstärkt gefragt. Gut, die muss nicht weltbewegend sein, denn es wird schnell deutlich (selbst dem oberflächlichsten Leser), dass bei den Reynolds irgendwas im Argen liegt.

Auf den ersten Blick scheint Charlie, zumindest vom Verhalten her, mehr Junge als Mädchen zu sein. Sie ist burschikos, sagt was sie denkt, handelt, wie es ihr in den Sinn kommt und heftige Rangeleien mit ihren Brüdern sind an der Tagesordnung. Sie wird wie ein Junge behandelt, aber gleichzeitig auch von ihnen überbeschützt. Die behandeln sie stellenweise wie ein Wesen, das weder selbst denken, noch entscheiden noch auf sich achten kann. Andere Jungs haben keine Chance überhaupt auch nur in ihre Nähe zu kommen. Und genau diese Szenen und Dialoge wirken übertrieben, zu dick aufgetragen. Da stellen sich einem sämtliche Nackenhaare quer vor Unverständnis und der Leserinstinkt fragt: Hallo geht's noch?

Nur weil ein Mädchen 16 ist, muss sie doch nicht unzurechnungsfähig in puncto Jungs sein oder nicht wissen, wie es um sie herum hergeht. Denn Charlie ist auf ihre ganz eigene Art erstaunlich abgeklärt und kann durchaus eins und eins zusammenzählen, sofern sie Zeit und Muße zum Nachdenken hat oder sich nehmen kann. Laufen scheint ihre Allzweckwaffe gegen die vielen Gedanken und unangenehmen Träume zu sein. Kann sie sich nicht auspowern, weil sie nicht zum Laufen kommt, schläft sie schlecht und hat Albträume. Und wenn das geschieht, dann geht sie an den Zaun, der ihr Grundstück vom Nachbargrundstück trennt – wo ihr bester Freund Braden wohnt.

Diese Gespräche sind für Charlie oftmals besser als alles andere und oftmals auch verwirrender als alles andere. Die Konflikte, die daraus resultieren, die Dinge, die da in Bewegung gesetzt werden, schildert die Autorin mit einer Ruhe und Distanz, die dem Leser leider den eigentlichen Zugang zu den Figuren verwehrt. Sicher, das Buch liest sich gut, ist stellenweise sogar richtig lustig und mit schönen Szenen und Dialogen versehen. Die meiste Zeit aber bleibt es nur ein Umblättern und hoffen, dass sich der schöne Wow-Effekt einstellt – was nicht passiert. Es bleibt leider bei Durchschnitt.


Figuren
Was Kasie West in dieser Geschichte an Charakteren auffährt, kommt mir reichlich überzogen vor. Irgendwann im Handlungsverlauf langt man sich als weiblicher Leser unweigerlich an den Kopf und fragt sich, ob man je schon mal so einem 16-jährigen weiblichen Teenager begegnet ist. Charlie scheint doch in vielen Punkten reichlich merkwürdig, um nicht zu sagen, seltsam. Die Autorin unterstreicht das auch noch durch gluckenhafte Brüder, die eher so rüberkommen, als ob sie aus der kleinen Schwester lieber mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einen Jungen machen wollen. Dass sie da ein weibliches Wesen in ihrer Mitte haben, das wird von denen weder gesehen, noch unterstützt noch akzeptiert. Da wird mit ihr gerauft, bis zum geht nicht mehr, Privatsphäre im eigenen Zimmer hat sie keine, und anklopfen wird zwar praktiziert, aber ein Nein wird geflissentlich ignoriert.

Gut, die Geschwisterliebe ist vorhanden, wenn auch reichlich herb gezeigt, aber die Reaktion der großen Brüder, als sie ihre Schwester zum ersten Mal als Mädchen wahrnehmen, die fand ich dann doch etwas eigenartig. Das las sich nicht nur komisch, das fühlte sich auch absolut deplatziert an. An dem Punkt hätte ich die Autorin am liebsten gefragt, woher sie ihre Charaktere genommen hat. Hat sie hier eigene Erfahrungen eingebracht, gibt es die Figuren wirklich oder entspringt das alles ihrer leicht verdrehten Fantasie?


Aufmachung des Buches
Der Titel ist in Deutschland als Klappenbroschur erschienen. Das wirkt durch seine fröhlichen Farben und dem Motiv mit den gelben, roten und orangefarbenen Herzballons vor dem blauen Hintergrund sehr ansprechend. In geschwungenen weißen Buchstaben steht der Titel über das ganze Cover verteilt, was an sich schön ist. Nur warum der Originaltitel „On the Fence“ (was so viel wie „am Zaun“ bedeutet) mit Die Nacht der gestohlenen Küsse übersetzt wurde, ist mir ein Rätsel. Die Rückseite zeigt ein paar Worte zum Romaninhalt. Eine harmonische Aufmachung die mich sofort angesprochen hat.


Fazit
Schade, aber hier versprechen das Cover und die Buchangabe mehr, als der Roman letztlich halten kann. Und warum der Titel vom Verlag mit „ab 12 Jahren“ angegeben wird (das müsste eher ab 15 lauten), ist mir schleierhaft. Die Nacht der gestohlenen Küsse ist ein Buch, das wohl nicht jedermanns Geschmack treffen wird. Grob betrachtet eine schöne Geschichte, die gleich mehrere Themen anspricht, die für den Großteil der Menschheit nicht zum Alltag gehören, für Einige unter uns aber durchaus diesen darstellen. Eine überzeugte Leseempfehlung kann ich hier nicht aussprechen, genauso wenig, wie ich vom Titel abraten kann. Einfach selbst zur Hand nehmen und ein eigenes Urteil bilden.


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de oder deinem Buchhändler vor Ort

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo