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Kategorie: Romane

Ein Rentner geht online – und sein Sohn hat keine ruhige Minute mehr

„Da hab ich mich angemeldet. Ich geh jetzt ins Netz!“, verkündete Christian Humbergs Vater und machte sich auf den Weg zu einem Volkshochschulkurs zum Thema Computer. Um Himmels Willen! Der alte Herr ist nicht nur fast 70, sondern auch jemand, der auf seinem eigenen DVD-Player die ON-Taste nicht findet und das Handy mit dem größtmöglichen Display braucht. Außerdem hat er immer, überall und in jedem Fall recht. Und Christian, sein Sohn, soll dem sturen Esel helfen, die Orientierung nicht zu verlieren. Oder sie überhaupt erst einmal zu finden. Mit Startpunkt VHS beginnt eine höchst amüsante Abenteuerreise quer durch dieses Internet. Erstaunlich, was da so alles schiefgehen kann. Eine Fehlermeldung ist quasi von Anfang an vorprogrammiert …

 

Der alte Mann und das Netz 

Autor: Christian Humberg
Verlag: Goldmann Verlag
Erschienen: 09.2015
ISBN: 978-3-442-15848-5
Seitenzahl: 316 Seiten

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Horst Humberg besucht mit knapp 70 Jahren einen Volkshochschulkurs für Senioren zum Thema Computer, denn er will nun auch endlich „ins Netz“. Seine Frau muss natürlich mit und der Herr Sohn ist damit zum allzeit bereiten (Computer)Problemlöser abkommandiert. Strapazierte Nerven, Situationen über die man nur lachen kann, wenn man über Horst’s ganz persönliche „Computerwelt“ nicht in verzweifelte Tränen ausbrechen möchte und ein großes AHA- Erlebnis am Ende fordern Sohn Christian Humberg ganz ordentlich. Und so macht er aus der Not eine Tugend und schreibt kurzerhand ein Buch über computeraktive Senioren, interessante Anschauungen eines „DAU’s“, dem Computer im Allgemeinen und mit seinen Tücken im Besonderen und allem, was noch so rund ums Netz passieren kann.  

Der Wiedererkennungswert diverser Situationen ist groß, egal ob man zu den Anfängern oder den Computerprofis gehört.


Stil und Sprache
Wer kennt sie nicht: die Dramen, die sich so rund um den Computer abspielen können. Vor allem, wenn man entweder selbst neu im Metier ist, oder einen Neueinsteiger in die unendlichen Weiten der Bits und Bytes und ins WWW begleitet.
Christian Humberg nimmt seine Leser auf einen sehr unterhaltsamen und kurzweiligen „Begleitauftrag“ mit. In der „Ich-Form“ geschrieben, stellt er sich der großen Herausforderung, seinen absolut von sich überzeugten Vater Horst in die Geheimnisse von Microsoft, Google und Co. einzuweihen und ihm die unendlichen Weiten des WWW zu zeigen. Wozu ein knapp 70jähriger, begeisterter Computerneuling einen Laptop benötigt, welche Ansichten und Erklärungen dem ambitionierten Sohn da so unvermutet über den Weg laufen können, fasziniert ihn oft ebenso sehr, wie es ihn schockiert. Dennoch stellt er sich mutig der Herausforderung, seinen Vater ins „digitale Zeitalter“ zu begleiten und lässt die Leser hautnahe miterleben, wie sehr ihn der VHS-Kurs seines Vaters fordert.
Vor allem entdeckt der Leser garantiert bald alle möglichen Parallelen zu sich, zu Verwandten, Bekannten, oder vielleicht auch zu Arbeitskollegen - denn ganz ehrlich, ob wir wollen oder nicht: wir kennen alle einen Horst.

Besonders die erste Hälfte des Buches, mit Ausflügen zu Bäckerklaus, und die ersten Versuche mit dem neuen „Werkzeug“ eines lern-, aber sehr eigenwilligen Rentners wurde unterhaltsam und kurzweilig in Szene gesetzt. Die im Buch eingebundenen Rückblenden in Christians Studentenzeit sind zwar interessant, bremsen gleichzeitig aber das Tempo der Erzählung fast zu sehr ab. Toll in die Handlung eingeflochten wurden die Warnungen zum Thema Spam und Phishing, in denen Horst in Situationen kommt, die ihn völlig überfordern und die sein Sohn Christian wieder in Ordnunbg bringen muss.

Amüsante Überschriften wie „World Wide Horst“, „Der tut nix, der will nur meckern“ oder „Die Ritter des Keyboards“ laden zum Weiterlesen ein. Lustig und dadurch vielleicht viel einprägsamer als in einem Lehrbuch erzählt der Autor, wie sein Vater in eine Spamfalle tappt oder sich einen Virus auf dem Computer einfängt. Ja, der engagierte Horst probiert entschlossen so einiges aus, immer in der Meinung, natürlich recht zu haben. Die Fassungslosigkeit seines Sohnes ist bei machen von Horsts Aktionen sehr gut zu lesen, dennoch hat er sich brav den Dramen gestellt, die „Brände“ gelöscht und dabei fleißig mitgeschrieben.

Oldies, die den Schritt ins Internet bereits gewagt haben, werden sich über die Geschichte von Horst’s steinigen Weg zur Abschlussprüfung des Volkshochschulkurses bestimmt ebenso gut amüsieren, wie Söhne und Töchter, die ihre Eltern auf diesem Weg begleiten möchten/müssen – und sich mit dem Buch in ihre Aufgabe einlesen können.


Figuren
Christian Humberg ist der Erzähler des Buches und schwitzt „Blut und Wasser“ bei dem Versuch, seinen Vater ins Zeitalter des WWW zu begleiten. Auch wenn er durch die abitionierten Aktionen seines Vaters immer wieder zwischen Lachen und fassungslosem Unverständnis wechselt, hat er genug Material für ein Buch gesammelt und zumindes gelernt, wie „Engelsgeduld“ funktioniert.
Horst Humberg (knapp 70 Jahre alt) weiß das natürlich schon alles und wenn etwas nicht funktioniert, dann ist der Computer oder sein Sohn schuld. ER sicherlich  nicht, den ER hat alles so gemacht, wie es im Volkshochschulkurs vorgezeigt wurde. Und Horst ... hat natürlich am Ende immer recht.

Jupp ist Horsts Freund. Da beide in den selben VHS- Kurs für Computer gehen, haben sie genug Zeit, allerlei Unsinn auszuhecken, etwas, das dem Autor bis zum Ende des Buches etliche „graue“ Haare und Überraschungen beschert.
Beate, die Dozentin des Kurses, ist die Geduld auf zwei Beinen und als sie eine „Abschlussprüfung“ von ihren Kursteilnehmern verlangt, setzt sie Ereignisse in Gang, mit denen sie so niemals gerechnet hätte.


Aufmachung des Buches
Der Titel des broschierten Taschenbuches passt ebenso gut zum Thema, wie der Comic am Coverbild. Die Geschichte umfasst 18 Kapitel und schließt mit einem Epilog und einem Attachment. Das Hottipedia, ein kleines, sehr lustiges, Wörterbuch, in dem steht, wie Horst die ganzen Spezialausdrücke versteht, sorgt am Ende garantiert für so manchen Lacher.


Fazit
Ein überaus empfehlenswertes, sehr unterhaltsames Buch über die ambitionierten, ersten Gehversuche eines Rentners in der digitalen Welt, sehr zum Leidwesen seines Sohnes. Der Leser entdeckt nach kurzer Zeit eine grundsätzliche Wahrheit: "Wir alle kennen mindestens einen Horst." Und nichts ist so amüsant zu lesen, wie unglaubliche oder absurd anmutende Situationen, die man nicht selbst ausbaden muss.


4 5 Sterne


Hinweise
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