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Es ist dunkel. Kalt. Gänsehaut bildet sich auf meinen Armen und die Luft ist feucht und klamm. Die Vision zieht mich weiter, zwingt mich zu gehen. Ihre Füße sehe ich als Erstes. Ihre Augen sind offen, blicklos und strahlend blau. Der Blutspritzer quer über ihrer Wange ist so fein, dass er beinahe aussieht wie Glitter.

Als die 16-jährige Charlotte wieder einmal von einer Vision heimgesucht wird, merkt sie schnell, dass diese anders ist – denn Charlotte schafft es nicht, die Bilder wie sonst zu unterdrücken. Und was sie sieht, nimmt ihr den Atem: Eine Mitschülerin – ermordet. Charlotte darf zwar unter keinen Umständen die Zukunft ändern, aber kann sie das Mädchen in seinen Tod rennen lassen? Doch bevor sie zu einem Entschluss kommt, ist es schon zu spät … Und als Charlotte kurz darauf von einer weiteren Mordvision heimgesucht wird, beschließt sie zu handeln …

 

Es liegt in deiner Hand 

Originaltitel: Sleep No More
Autor: Aprilynne Pike
Übersetzer: Karen Gerwig
Verlag: cbj
Erschienen: 03/2015
ISBN: 978-3-570-15994-1
Seitenzahl: 378 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Charlotte wird seit frühester Kindheit von Visionen heimgesucht. Eigentlich nichts Schlimmes, wären diese nicht unglaublich schmerzhaft und zumeist auch sehr grausam. Eine davon bringt sie als kleines Mädchen dazu, eine der wichtigsten Regeln zu brechen und dadurch einen unschuldigen Menschen zu töten. Von einer Sekunde auf die andere ist ihr Leben die reinste Hölle, ihre Schuldgefühle werden dauerhafter Bestandteil ihres Lebens und sie wird von ihrer Tante Sierra in das Leben eines Orakels - denn das ist Charlotte – eingewiesen. Und ihre Tante verlangt nichts Geringeres, als dass Charlotte nicht nur ihr Bestes gibt, sondern auch über sich selbst hinauswächst. Ein Leben als Freak scheint für sie unausweichlich. Einsam, schräg angeschaut und irgendwie nicht ganz dazugehörend. Doch als eine mächtige Vision ihren Schutz einfach so hinwegfegt und ihr zeigt, dass eine Schulkameradin grausam ermordet werden wird, beginnt Charlotte, an den unerbittlichen Regeln und Vorschriften zu zweifeln. Ob sie weitere Morde verhindern kann?

Mit tollen bildhaften Vergleichen und einer etwas düsteren Stimmung hat Aprilynne Pike mit Dangerous Visions einen grandiosen Mystery-Thriller geschaffen.


Stil und Sprache
Vom ersten Moment an packt dieser Thriller den Leser und zieht ihn in eine faszinierende und mystisch angehauchte Handlung hinein, die zwar an vielen Stellen unglaublich brutal und blutig ist, aber stets jugend- und kindgerecht bleibt und nie die Grenze des Geschmacklosen erreicht.

Aus der Ich-Perspektive von Charlotte Westing entfaltet sich hier ein dramatischer Handlungsverlauf, der durch Charlottes köstlich ironische Gedanken und ihre intensive Denkweise zum wahren Augenschmaus für den Leser wird. Im zügigen Lesetempo begeistert Dangerous Visions vom ersten Satz an und baut eine grandiose Spannung auf, die sich im letzten Drittel dann in einer wundervollen Szene richtig entlädt. Da wird auf einmal klar, dass es noch mehr geben muss, als nur die bisherige Art, wie die Orakel zu leben, zu denken und zu handeln haben. Die Autorin zeigt auf einfühlsame und originelle Art, wie sich eine jahrelang zurückliegende Katastrophe doch noch in etwas Gutes verwandeln kann, wie Menschen sich durch die schrecklichen Ereignisse verändern – sowohl zum Positiven als auch Negativen – und wie die Liebe und bedingungslose Unterstützung einer Familie einem jungen Menschen helfen kann, seinen Weg zu finden.

Aprilynne Pikes Sprach- und Wortstil ist schlicht, aber sehr wirkungsvoll. Jedes Wort ist genau platziert, auf den Punkt gebracht und macht es so dem Leser denkbar einfach, sich in der abwechslungsreichen und spannenden Geschichte zu verlieren. Ehrlich gesagt, hab ich den Titel binnen weniger Stunden verschlungen. Die Hintergrundgeschichte der Orakel, und wie Charlotte sich Stück für Stück Informationen, Wissen und Erkenntnisse erkämpft und aneignet, das alles war so genial aufgebaut und durchdacht – ich konnte den Titel einfach nicht aus der Hand legen. Die Autorin entführt ihre Leser in eine Welt voller Mysterien, Geheimnisse und Macht, die klar macht, dass alles seine zwei Seiten hat. Die Frage ist nur, für welche man sich entscheidet.


Figuren
Viele Geheimnisse, ein riesiges Bücherregal, das für die Protagonistin verboten ist, und eine Welt der Mystik haben ein paar unglaublich starke und individuelle Charaktere geschaffen, die die Autorin wundervoll auf das Papier gezaubert hat. Es muss nicht immer alles wie aus dem Ei gepellt sein und nicht jedes Mädchen eine makellose, aber inhaltslose Schönheit sein. Aprilynne Pike hat in Dangerous Visions Figuren geschaffen, die von der Außenwelt zwar etwas schräg angeschaut werden, sich selbst als Freak bezeichnen mögen und ein im Grunde sehr einsames Leben führen – doch sieht man etwas genauer hin, entdeckt man hier drei fantastische Frauen voller Anmut, Liebreiz und einem starken Willen. Auch die Nebenfiguren haben eine Art an sich, die das Gute und das Böse vortrefflich zur Geltung bringen. Eine Gemeinschaft aus Schülern wird durch die brutalen Morde an einigen Mitschülern noch enger zusammengeschweißt. Das ist zwar nicht gleichbedeutend damit, dass hier nun Freundschaften entstehen, die auf ewig halten, aber der Schulalltag wird unwiderruflich verändert und das plötzlich eingeschränkte Leben macht doch so manchen sauer auf diesen Unbekannten, der so grundlos zu morden scheint.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist schwarz gebunden und mit einem sehr unglücklich gestalteten Schutzumschlag versehen. Dieser ist nicht nur sehr düster und in dunklen Farben gehalten, er hat auch ein absolut nichtssagendes Motiv: rosa Ballerinas auf grünem Gras. Warum man hier nicht auf eine ähnliche Aufmachung wie beim Originaltitel gesetzt hat, ist mir ein Rätsel. Im Thriller ist die Rede von braunen Ballerinas, wieso müssen es auf dem Cover dann rosafarbene sein? Die Farbwahl aus Schwarz, unterschiedlichen Grüntönen und dem schmutzigen Rosa und Weiß macht es auch nicht besser. Auf dem Buchrücken kann man den Buchtitel und Autorennamen lesen, die Rückseite des Schutzumschlages zeigt einen kleinen Textauszug in grüner Schrift vor schwarzem Hintergrund. Darunter in weißen ein allgemeiner Text zum Thrillerinhalt. Um ehrlich zu sein, ist die Optik überhaupt nicht mein Fall.


Fazit
Fantastisch! Einfach nur fantastisch. Mal abgesehen davon, dass die gestalterische Aufmachung des Schutzumschlages eine absolute Katastrophe darstellt – der Buchinhalt ist phänomenal klasse. Unbedingt Lesen!

5 Sterne

Hinweise
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