>>Ein lustiges Leben und – wenn es sein muss – eben nur ein kurzes. Danach habe ich immer gelebt. Und wie es auch endet, bereuen werde ich es nicht.<<
Irland, um 1700: Anne Bonny kommt als uneheliches Kind zur Welt und wird von ihrem Vater als Junge aufgezogen. Schnell begreift sie, dass Frauen in der Gesellschaft nur eine Nebenrolle spielen und Männerkleider Vorteile mit sich bringen. Annes Hunger nach Freiheit und Abenteuer ist groß, überwältigend ihr Traum vom wilden Leben im sagenhaften Piratenreich >>Libertalia<<. Und so entflammt ihr Herz für den Piratenkapitän James Bonny – Anne brennt mit ihm durch und unternimmt wüste Kaperfahrten durch die Karibik ...
Ein fulminanter historischer Roman – von der Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit.
Autor: Anna Kuschnarowa |
Die Grundidee der Handlung
Anne Bonny hat das "wilde Blut" und ist kaum zu bändigen. Ihr Vater riskiert viel, als er sich zu seinem unehelichen Kind und dessen Mutter bekennt – die gesellschaftliche Ächtung nötigt ihn zur Auswanderung auf den amerikanischen Kontinent. Dort, auf der Plantage ihres Vaters, genießt Anne ein etwas freizügigeres Leben, als es für Mädchen ihrer Stellung gemeinhin üblich ist. Dennoch – der Traum von "Libertalia", dem Land der Freiheit und Gleichheit für alle Menschen, gleich welchen Geschlechts und Herkunft, will ihr nicht aus dem Kopf. Um einer Zwangsehe zu entgehen, flieht sie mit James Bonny nach New Providence und schafft es hier als Mann gekleidet an Bord eines Piratenschiffes. Jetzt beginnt ihr Leben als Piratin, einer erfolgreichen noch dazu.
Anna Kuschnarowa schreibt eine Roman-Biographie, in der sie das Leben Anne Bonnys nachzeichnet. Sie mischt dabei munter historische Fakten mit Fiktion, sowohl was Personen als auch die Lebensstationen Bonnys angeht. Es gibt nur wenige historische Quellen, dafür umso mehr Gerüchte; und so entsteht viel Raum für Spekulationen. Anne Bonny, wie die Autorin sie darstellt, ist in sich stimmig und hätte so gelebt und gedacht haben können, obwohl sie mir eine Spur zu modern ist. Womöglich hat sie aber nur zur falschen Zeit gelebt, oder es liegt daran, dass Kuschnarowa (zu?) viele moderne Themen (Drogensucht, Homosexualität, Frauenrechte, Kapitalismuskritik, um nur einige zu nennen) anspricht, die zwar z.T. zur historischen Person gehören, deren ausführliche Schilderung allerdings zu Lasten des reinen Abenteuers gehen.
Stil und Sprache
Anne sitzt im Kerker und während sie auf ihre Hinrichtung wartet, blickt sie auf ihr Leben zurück. Sie schildert ihr Leben ausführlich beginnend damit, wie ihre Eltern sich kennenlernten, über Kinder-und Jugendzeit, die mit 17 abrupt endet, als sie James Bonmy heiratet. Danach beginnt sofort ihr Erwachsenendasein bis hin zu den Tagen als erfolgreiche Piratin. Der Kreis schließt sich im Kerker. Die Geschichte stellt sprachlich keine Ansprüche, ist moderat altertümlich wenns passt; allenfalls muss man sich an ein bisschen Piraten-Jargon gewöhnen, der sich aber fast ausschließlich auf Fachausdrücke beschränkt. Dass sich die Ich-Erzählerin gewählt ausdrückt, lässt auf ihre gehobene Stellung schließen und die Bildung, die sie genießen durfte. Leider sprechen aber auch raue, ungebildete Piraten einwandfrei und das erscheint mir doch fraglich und nimmt dem Roman einen Teil seiner Authentizität. Je älter Bonny wird, desto reifer wird auch ihre Sprache und sie neigt sehr zur Reflexion und zu ethisch korrekten Ansichten. Diese Wandlung mitzuverfolgen macht die eigentliche Spannung des Buches aus, während man gleichzeitig herausfinden möchte, wie sie im Kerker gelandet ist.
Die Lebensstationen reihen sich ansonsten wie unzählige Perlen auf einer Schnur aneinander und werden in der Regel nur kurz abgehandelt. Die meisten haben ihre eigenen kleinen Höhepunkte, bei manchen wirds dramatischer, aber nicht ausführlicher. Es geschieht viel, doch wenig Relevantes. Vielleicht wäre weniger mehr gewesen. Die Beschreibung von "Land und Leuten" fällt unterschiedlich aus: Es gibt Momente, in denen man z.B. glaubt, bei einem"Mädelsabend" mit am Tisch zu sitzen oder die schwüle Luft zu atmen; wer aber schon immer ein Faible für Abenteuergeschichten hatte, der wird hier insofern enttäuscht, als es der Autorin nicht gelingt, ein einziges anständiges Gefecht zur See (von denen es mehrere gibt) zu schildern. Es stellt sich natürlich die Frage, ob eine Roman-Biographie überhaupt ihre Gewichtung auf dem Abenteuer haben darf? Wenn der Protagonist Anne Bonny heißt, dann erwartet man "Mantel- und Degen"- Gefechte und es fehlt etwas, wenn sie nicht bildhaft geschildert werden.
Figuren
Ein Teil der Figuren sind historisch, allen voran natürlich die Frauen Anne Bonny und Mary Read. Die hier erzählten Lebensläufe entsprechen in den Eckdaten den wirklichen Piratinnen. Aber auch Jack Rackham oder Charles Vane, Piratenkapitäne alle beide, haben wirklich gelebt. Einige Personen sind dagegen gut erfunden z.B. ihre „Mammy“ Charly, ein Indianer; dabei spielt es keine Rolle, ob es sich nun um einen Mann oder eine Frau handelt. Die allermeisten von ihnen tauchen kurz auf und verschwinden dann wieder. Ebenso wie es Bonny nie lange an einem Ort hält.
Bonnys Lebensweg wird psychologisch nachvollziehbar erzählt, nur gegen Ende erscheint sie mir mit grade mal 20 Jahren einfach zu reif, selbst wenn man berücksichtigt, dass man damals, und noch dazu unter diesen Bedingungen, schneller erwachsen wurde als heute. Man glaubt, einer alten Frau zuzuhören.
Begrüßt habe ich, dass die Autorin der Versuchung widerstand, das Leben Bonnys über die Endpunkte der Überlieferung hinaus zu erzählen, obwohl die Möglichkeit dazu bestand.
Aufmachung des Buches
Das Buch ist gebunden mit einem grauen Einband, dessen Cover ein goldenes Schiff unter vollen Segeln zeigt. Auf einem prangt der bekannte Piraten-Totenkopf mit zwei gekreuzten Entermessern. Nicht ganz historisch richtig, aber als Hinweis auf den Inhalt erlaubt. Die Faden-Heftung spricht für eine gute Ausstattung. Vielleicht spendiert der Verlag dem Buch bei einer Neuauflage noch eine Karte des Operationsgebietes von Bonny; ich schätze Karten, denn sie erleichtern mir immer die Orientierung.
Fazit
Die Bewertung fällt mir schwer, denn das Buch ist keine reine Biographie und schon gar kein Abenteuerroman. Es wird zuviel Belangloses erzählt, aber dennoch gelingt es der Autorin, das Interesse der LeserInnen an Bonny wach zu halten. Es ist mit Themen überfrachtet (über die nachzudenken sich allemal lohnt) und das Abenteuer kommt zu kurz. Trotzdem wohnt ihm eine eigentümliche Faszination inne, der man sich nicht entziehen kann.
Hinweise
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