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Das Jahr ist 1890, der Monat November. London ist fest im Griff eines eisigen Winters, als ein elegant gekleideter Mann die Baker Street 221b betritt ... 

 

Das Geheimnis des weissen Bandes 

Originaltitel: The House of Silk
Autor: Anthony Horowitz
Übersetzer: Lutz-W. Wolff
Verlag: Insel Verlag
Erschienen: 11. März 2013
ISBN: 978-3458359159
Seitenzahl: 352 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Dr. Watson weilt zu Besuch bei seinem alten Freund Sherlock Holmes. Es hätten ein paar gemütliche Tage werden können ... dies ändert sich aber schlagartig, als Mr. Carstairs, ein Kunsthändler, Holmes um Hilfe bittet. Er fühlt sich seit einiger Zeit verfolgt und zwar von einem Mann, den er aus Amerika zu kennen glaubt. Während sich Holmes und Watson in die Ermittlungen stürzen, gerät ein Straßenkind in Gefahr, als sich unvermittelt noch ein 2. Fall auftut, der, so Mycroft Holmes, besser ungeklärt bliebe. Wird Sherlock die Warnung seines Bruders ernst nehmen?

Ein Sherlock Holmes Krimi aus der Feder eines anderen Autors? Geht das überhaupt? Ja, es geht, denn Horowitz' Holmes und Watson sind die Alten geblieben und auch sprachlich knüpft der Autor gekonnt an Conan Doyle an. Allerdings – Horowitz ist kein viktorianischer Schriftsteller und so wirkt sein Roman trotz alledem modern, vor allem was die Themenwahl angeht. Dies schadet aber nicht, eine Eins-zu-eins-Kopie wäre letztlich langweilig geworden.


Stil und Sprache
Watson, Holmes' Biograph, hält dieses Mal die Erlebnisse nicht unmittelbar danach fest, sondern mit viel zeitlichem Abstand, während des 1. Weltkrieges. Er begründet dies damit, dass die Ermittlungsergebnisse zu brisant sind, um an die Öffentlichkeit zu gelangen, aber dennoch festgehalten werden sollten und verfügt, dass seine Aufzeichnungen erst in 100 Jahren veröffentlicht werden dürfen. Dieser Kunstgriff erlaubt es Horowitz, dem Roman die Authentizität zu verleihen, die er sonst nicht hätte.

Sprachlich hat man lange das Gefühl, Conan Doyle selbst hätte den Roman geschrieben, da gibt es kaum Unterschiede. Ebenso wie Doyle verknüpft er zwei Fälle, folgt ermittlungstechnisch auch Doyles Vorgehen und somit adaptiert er auch dessen Spannungsaufbau. Dennoch handelt es sich um keine exakte Kopie, sondern um ein eigenständiges Werk und das liegt an Fall zwei. Dessen Thema ist modern und mit der Beschreibung des Falles wird auch die Sprache eigenständiger und moderat moderner. Darüber hinaus hält Watson eine zuweilen sentimentale Rückschau, ohne dabei rührselig zu werden; er nutzt die Niederschrift zur Reflexion und manche Figur erhält dadurch mehr Tiefe, als sie im Original hatte. Während bei Fall eins die Aufklärung überrascht, ist Fall zwei ziemlich bald vorhersehbar, nichtsdestotrotz gelingt es dem Autor, die Spannung hoch zu halten, denn man möchte doch zu gerne wissen, ob die eigenen Überlegungen denn auch wirklich zutreffen, oder ob - wie bei Doyle üblich - noch eine Lösung aus dem Hut gezaubert wird, die man, ähnlich Watson, nicht hat erkennen können. 


Figuren
Watson ist alt geworden und neigt ein wenig zur Geschwätzigkeit. Das könnte den Neuling langweilen, wer aber Holmes-Romane kennt, wird etliche Anspielungen auf frühere Abenteuer finden und sich gemeinsam mit Watson gerne daran erinnern. Lestrade, der oft genug Gescholtene, wird sogar ein Stück weit rehabilitiert – im Rückblick und durch die hier notierten Ereignisse. Holmes Genie wird nie in Zweifel gezogen, vielleicht sogar ein Stück weit verklärt. Was mir weniger gefiel ist, dass Holmes plötzlich ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber seiner Straßengang entwickelt. Holmes ist Holmes, ihm muss man kein modern anmutendes soziales Bewusstsein unterjubeln, er folgt immer seinem eigenen Gerechtigkeitsempfinden. Watson selbst ist zwar an seinem Lebensende angekommen, aber immer noch der gefühlvolle Mann, den man aus Doyles Romanen kennt. Beide Hauptpersonen haben ihren Charakter weitestgehend behalten, in Nuancen zusätzliche Tiefe entwickelt, die Watson gut tut, Holmes, wie bereits erwähnt, weniger.

Alle anderen Figuren, die fast alle nur Nebenrollen inne haben, kann man sich gut vorstellen. Leider gelingt Horowitz keine ganz klischeefreie Darstellung: ein Adliger hat halt mal arrogant zu sein. Auch werden etliche unangenehme Personen mit Tieren verglichen – "echsenhaftes Aussehen", "wie eine Eule". Das wirkt recht stereotyp. Bei dem Überangebot an handelnden Personen fällt dies aber erst nach einiger Zeit auf und lässt sich angesichts der guten Charakterzeichnung der anderen Figuren verschmerzen.


Aufmachung des Buches
Der Einband des Taschenbuchs ist schwarz und der Titel in weißer Spotlackierung aufgebracht. Schriftart und ein Schattenriss von Holmes (beides ebenfalls in weiß) verweisen diskret auf den berühmten Detektiv. Typisch englisches Understatement.


Fazit
Ein, trotz kleiner Mängel, gelungener "neuer" Holmes-Roman, den ich gerne allen Lesern weiter empfehle, die keine Holmes-Puristen sind. Jenen, so fürchte ich, wird er zu modern sein. 


4 Sterne


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