Drucken
Kategorie: Mythen und Historik

Am 16. Dezember 1944 begann die Ardennenoffensive, der letzte Versuch des Dritten Reichs, dem Krieg eine Wendung zu geben und den Westalliierten eine empfindliche Niederlage beizubringen. Mit fast einer Viertelmillion Mann griffen Wehrmacht und SS-Verbände auf einer Frontlänge von über 100 Kilometern an und wagten einen Vorstoß über die Maas bis nach Antwerpen. Nach anfänglich großen Erfolgen setzte sich jedoch die materielle Überlegenheit der Alliierten durch, und am Ende der Offensive am 21. Januar 1945 verlief die Front wieder wie zuvor.

Dieser Band stellt die Offensive sowie die verlustreichen Kämpfe auf beiden Seiten mit historischer Präzision dar.

 

Die Ardennen Schlacht  Originaltitel: ohne Angabe
Autor: Willy Harold Vassaux
Übersetzer: Uwe Löhmann
Illustration: Willy Harold Vassaux
Verlag: Boiselle & Ellert
Erschienen: Mai 2014
ISBN: 978-3-939233-98-5
Seitenzahl: 76 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahre (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Willy Harold Vassaux erzählt von den Vorbereitungen und der Durchführung der Ardennenschlacht im Dezember 1944, die für das Dritte Reich den erhofften Befreiungsschlag gegen die heranrückenden Alliierten bringen sollte. Der Autor versucht dabei, so viele historische Einzelaspekte wie möglich in seiner Erzählung unterzubringen, hat sie damit aber zugleich überfrachtet.

Besonders unangenehm ist mir in diesem Comic der schnelle und stark sprunghafte Erzählstil aufgefallen. Einerseits berichtet er vom Chaos und der fehlenden Organisation bei den deutschen Angreifern und den alliierten Verteidigern der Ardennenschlacht, andererseits führt er durch viele, kurze Momentaufnahmen und die Fülle von militärischen Abteilungsbezeichnungen, Orts- und Personennamen dazu, dass der Leser schnell die Orientierung verliert – außer die Örtlichkeiten bzw. historischen Begebenheiten der Ardennenschlacht sind soweit bekannt. Es gelingt weder, sich mit dem Schicksal einzelner Figuren zu identifizieren, noch sich auf einen Ort, auf eine Szene zu konzentrieren, was das Lesen insgesamt sehr anstrengend macht.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Der Comic steigt auf der ersten Seite mit einer Zusammenfassung ein, die mit der Landung der Alliierten am 06. Juni 1944 in der Normandie beginnt und zu den Vorbereitungen der Ardennenschlacht überleitet. Gerade diese Einführung in die Geschichte erscheint – wenn auch inhaltlich nachvollziehbar – sprunghaft und lebt von der Kombination aus Bildern und Texten einzelner Panels. Hitler erhält mehrere kurze Auftritte bei seinem Versuch, Offiziere und Truppen auf den Befreiungsschlag einzustimmen. Genaue Erläuterungen der Truppenbewegungen auf entsprechenden Karten ermöglichen es dem Leser, den Plänen Hitlers zu folgen. Begleitet werden die Panels von Erzähltexten, die das Geschehen kommentieren und Orte oder Persönlichkeiten vorstellen.

Erst ab Seite 9 erreicht die Geschichte den 16. Dezember 1944, den Beginn der Ardennenschlacht. In dem Versuch, alle historisch parallel ablaufenden Ereignisse nachzustellen, springt Willy Harold Vassaux schon nach wenigen Panels von Szene zu Szene, erzählt sowohl aus Sicht deutscher, wie auch alliierter Soldaten. So erhält der Leser einerseits verschiedene Eindrücke zum Ablauf der Kampfhandlungen. Auf der Kehrseite wirkt der Comic hierdurch hektisch, unstet, und durch diese Erzählweise bilden sich keine erkennbaren Protagonisten bzw. Antagonisten heraus. Vassaux bleibt neutral, der Leser hingegen wird auf Distanz gehalten, hat keine Bezugspersonen, erhält an den Geschehnissen keinen Anteil, und Einzelereignisse laufen scheinbar losgelöst ab. An nicht wenigen Stellen wechseln bildweise die Perspektiven zwischen Deutschen und Amerikanern, und schon nach wenigen Panels dann wieder die Schauplätze. Um den schnellen Szenenwechseln zu entsprechen, fließen in einem Bild oft verschiedene Elemente – in Art einer Kollage – ineinander über und sind modern gestaltet, während die Panelanordnung dagegen klassisch ist. Militärische Schlachtkarten, welche die Bewegungen der Truppen beider Seiten zeigen, helfen zumindest teilweise bei der Orientierung.

In den Texten tauchen immer wieder Abkürzungen wie P.D., K.P., I.D. oder FSCHJG auf, ohne dass sie für den Leser erläutert werden. Teilweise kann man sich die Bedeutung ableiten, so steht bspw. P.D. für Panzerdivision, I.D. für Infanteriedivisionen oder FSCHJG für Fallschirmjägerregiment. Junge oder in militärischen Aspekten unerfahrene Leser werden jedoch bei diesen Akronymen vor Rätseln stehen.

Vassaux verwendet einen stark an Realismus orientierten Zeichenstil. Dies fängt bei den Figuren an: von hohen Persönlichkeiten, über wichtige Offiziere auf beiden Seiten der Kriegsmächte, bis hin zu einfachen Soldaten sind sie zumeist überzeugend gezeichnet. Uniformen mit Waffensymbolen und Rängen, die persönliche Ausrüstung und Bewaffnung ist stets detailliert ausgearbeitet, und besonders historisch bedeutsame Charaktere erkennt man heraus. Die Gesichtszüge sind ebenfalls gelungen und drücken die gesamte Vielfalt an Emotionen und Charaktereigenschaften, von Arroganz und Entschlossenheit, über Freunde oder Überraschung, bis hin zu Angst und Panik aus. Die Anatomie der Personen ist stimmig, ihre Bewegungen jedoch erscheinen steif und ungelenk, was den kurzen Momentaufnahmen einzelner Szenen geschuldet sein dürfte.

Verhältnismäßig statisch erscheinen auch Gefechte und Fahrzeugbewegungen. Auf Speedlines wird vollständig, auf Geräuschworte besonders im ersten Teil der Geschichte überwiegend verzichtet. Gewehr- und Granateinschläge stellt der Zeichner mit kleinen bis großen Explosionen dar, die in Form und Größe zwar die Wucht und die Auswirkungen der Angriffe zeigen, aber nicht recht Action aufkommen lassen wollen.

Detailgetreu ist Vassaux Stil auch bei jeder Art von Boden- und Luftfahrzeugen, von Jeeps über Panzer bis hin zu Flugzeugen, von leichten Geschützen bis zu schwerer Artillerie. Fast alle Bilder stattet er zudem mit Hintergründen aus, die – abhängig von den Begebenheiten – gründlich bis hin zu nur skizzierter Form gezeichnet sind. Uneinigkeit herrscht, besonders in der ersten Hälfte des Comics, jedoch beim Wetter: während es in einigen Panels kräftig schneit und sich das Weiß in den Bildtiefen ausbreitet, sind die Umgebungen bereits wenige Bildkästen weiter von herbstlich-erdfarbenen Tönen bestimmt, die keine Spuren von Schnee und Eis enthalten. Dies wandelt sich erst zur zweiten Hälfte der Geschichte, die zwischen Ende Dezember 1944 und Januar 1945 spielt – hier ist Schnee deutlich häufiger und gleichmäßiger zu sehen.


Aufmachung des Comics
Der fest gebundene und tadellos verarbeitete Comic erscheint in einem Großformat, dass das DIN A4-Format übersteigt. Die Materialqualität des Umschlag, der Vorsatzpapiere und des Papiers im Inneren ist, ebenso wie die Druckqualität, überzeugend.

Im Anschluss an die gezeichnete Geschichte gibt es einen zehnseitigen Anhang, der – mit Kombination eines Skizzenbuches – die historischen Begebenheiten der Ardennenschlacht noch einmal vollständig erzählt.


Fazit
Der Versuch, die Ardennenschlacht ab Dezember 1944 in Comicform zu erzählen, ist nicht gelungen. Zu wechselhaft und chaotisch ist der Erzählrhythmus, als dass Leser ohne fundierte, historische Kenntnisse folgen können. Da kann auch Vassaux' detaillierter Zeichenstil nur wenig entschädigen.


2 Sterne


Hinweise
Diesen Comic kaufen bei: amazon.de oder deinem Buchhändler vor Ort