Smaller Default Larger

„Lasst den Mitmenschen doch so viel Platz, dass er noch seinen Purzelbaum schlagen kann“
Franz Michael Felder

Die bewegende Lebensgeschichte des Vorarlberger Bauern, Schriftstellers und rebellischen Sozialreformers Franz Michael Felder, der an seine Träume glaubte und für sie kämpfte.

 

  Autor: Elmar Bereuter
Verlag: LangenMüller
Erschienen: 12/2008
ISBN: 978-3-784-43102-4
Seitenzahl: 512 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Dieser Romanbiografie liegt das Leben des Bergbauernbuben Franz Michael Felder zugrunde, der schon im Alter knapp 30 Jahren (1839 – 1869) starb. In diesen doch wenigen Lebensjahren hat er etwas geschaffen, was für die damalige Zeit so außergewöhnlich war, dass er verspottet, verhöhnt und sogar von seinen Mitmenschen gemieden wurde.
Er, ein Bauernsohn, interessiert sich schon in der Kindheit für das Lesen von Büchern, anstatt für ihn nützlichere Dinge wie die Stall- und Feldarbeit.
Den Traum Felders, Bücher zu schreiben und den Menschen einen besseren Lebensweg zu zeigen, lässt Elmar Bereuter den Leser in diesem Buch miterleben.


Stil und Sprache
Eine selten feine und leise Sprache, die im Kopf des Lesers umso lauter nachhallt. Elmar Bereuter schafft es mit einfachen und doch so treffenden Worten, den Leser in die Geschichte hineinzuziehen, dass dieser den Aufbau des Textes gar nicht wahrnimmt. Man muss schon bewusst auf den Satzaufbau achten, um hinter das Geheimnis dieses Schreibstils zu kommen, das sich einem aber dennoch nicht ganz erschließen lässt. Die Sprache ist von so genialer Schlichtheit, dass man meinen könnte, man lese kein Buch, sondern sehe sich einen opulenten Film an. Bildgewaltig, farbenprächtig und absolut authentisch zeigt Elmar Bereuter dem Leser das harte Leben der Bergbauern und den täglichen Kampf ums Überleben.
Nicht selten überfällt den Leser Wut und Ungläubigkeit ob der labilen Borniertheit vieler Dorfbewohner, die unter dem Einfluss des einfältigen Pfarrers Rüscher stehen. Durch die mitreißende Schilderung der Ereignisse sieht man all dies nicht mit einer gewissen Distanziertheit, sondern fühlt sich mitten im Geschehen, was einen beschäftigt und noch lange – auch nach Lesen des Buches – zum Nachdenken darüber anhält.
Bei Beendigung des Buches meint man das Dorf Schoppernau, seine Bewohner und den halben Bregenzerwald zu kennen, so nahe bringt einem der Autor diese Region.


Figuren
Ohne große, detailreicher und langwieriger Beschreibung schafft es der Autor, jedem einzelnen Dorfbewohner Leben einzuhauchen, ohne sich auch nur ein einziges Mal mit verpönt langweiligen Verben oder Adjektiven zu verhaspeln und damit den Schwung aus der Geschichte zu nehmen. Und trotzdem erscheinen die Figuren Bereuters dem Leser so realistisch, als sei man ihnen schon viele Male begegnet oder stünden vor einem. Man kennt sie alle. Franzmichels Verwandtschaft, den Oberlehrer Albrecht, den gutmütigen Pfarrer Stockmayr, den Rat der Gemeinde und auch Franzmichels größten Feind und Gegner, den Pfarrer Johann Georg Rüscher. Elmar Bereuter ermöglicht Einblicke in das Seelenleben des Franzmichels und zeichnet seine Gedankengänge unaufdringlich, aber nachvollziehbar und klar. Schon von klein auf muss Jaukos Franzmichel, so wird er im Ort genannt, alles erkämpfen, da er durch einen vermeidbaren Schicksalsschlag auf einem Auge erblindet. Als „Beatzger“ (im Wachstum zurückgebliebenes Kind) und Sonderling, bestreitet er dennoch seinen Weg. Trotz der enormen Sehschwäche lernt er nicht nur zu Lesen, sondern scheint die Inhalte von Unmengen an Büchern und Zeitungen schier aufzusaugen und setzt auch noch Zeichen, die der Nachwelt noch lange erhalten bleiben werden. So gründet er die erste öffentliche Bibliothek Österreichs, setzt sich für die Gleichberechtigung der Bauern mit der „gehobenen“ Gesellschaft ein, bildet eine Käsegenossenschaft, um sich und die anderen Bauern von der Abhängigkeit Gallus` zu befreien, gründet eine Viehversicherung und kämpft gegen Dummheit, Bevormundung und Ausbeutung.

Das Buch verleitet einen selbst nachzurecherchieren, um zu erfahren, wer Franz Michael Felder eigentlich wirklich war und man ist direkt beschämt, dass man noch nichts von ihm gehört hat. Erstaunt wird man bei Nachforschungen feststellen, dass Elmar Bereuter nicht nur hervorragend recherchiert hat, sondern alles so dargestellt hat, als hätte Franzmichel selbst seine Hand geführt. Eine Romanbiographie mit selten perfektem Realitätsbezug, die Seinesgleichen sucht, verpackt in einer emotional und auch geistig packenden Geschichte.


Aufmachung des Buches
Ein klassisch, schönes Buch, in zeitlos ansprechender und eleganter Aufmachung. Auf dem kartonierte, petrolfarbenen Umschlag ist eine leicht geprägte Struktur zu erkennen und am Schutzumschlag, der in gebrochenem Weiß gehalten ist, sieht man vorne einen Ausschnitt des Bildes „Die Dorfschule“ von Albert Anker, dass zeitlich und stilistisch hervorragend zu der Handlung des Buches passt (einmal ein Umschlagmotiv, das der Verlag perfekt zum Inhalt gewählt hat, was leider selten vorkommt).
Ein Nachwort des Autors sowie ein Glossar zu den typisch vorarlbergerischen Ausdrücken komplettieren diese Ausgabe. Ein Lesebändchen wäre noch das Tüpfelchen auf dem „i“ gewesen.


Fazit

Dieses Buch ist weder spannungsgeladen noch temporeich, sondern eine hervorragende Milieustudie eines Bergbauerndorfes im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Das Leben eines einfachen Bergbauern, der für damalige Verhältnisse für etwas Ungehöriges und Verpöntes Interesse hat: Bücher. Aber nicht nur, dass dieser Bauer liest, grenzt ihn von seinen Mitmenschen aus, sondern auch sein Talent zu schreiben und den Finger auf besonders wunde Punkte im Gesellschaftsleben zu legen. Sein Traum avisiert zu einem Kampf, den er letztendlich erst lange nach seinem Tod gewinnen wird.
Wer anspruchsvolle und auch literarisch hervorragende Literatur liebt, wird mit diesem Buch ein Juwel in den Händen halten. Uneingeschränkt empfehlenswert!


5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo