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Kategorie: Krimis

Die Zeit heilt keine Wunden

Drückende Hitze liegt über Süddeutschland. Tamara arbeitet wie eine Besessene an den Bildern für ihre erste Ausstellung. Doch mit jedem Tag wird das Gefühl, beobachtet und verfolgt zu werden, stärker, denn in ihrer Vergangenheit lauert eine dunkle Bedrohung: „Irgendwann, wenn du nicht daran denkst, werde ich zu dir kommen!“ Doch dieses Mal will Tamara kein wehrloses Opfer sein. 
 
„Sie würde ihre Welt rot malen, nur noch diese eine Farbe gelten lassen. Diese Farbe, neben der keine andere bestehen konnte. Rot wie Liebe, rot wie Feuer, rot wie Blut und Hass.“

 

 Heilbronn 37

Autor: Henrike Spohr
Verlag: emons:
Erschienen: 23. Juli 2014
ISBN: 978-3-95451-365-9
Seitenzahl: 256 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Tamara ist eine durch ein Erlebnis in ihrer Jugend traumatisierte Frau, die versucht, mit ihrer Vergangenheit fertig zu werden. Ihr Lebensgefährte ermöglicht ihr, sich ganz auf die Malerei zu konzentrieren und hofft damit, ihr zu helfen, ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Trotz all ihrer Bemühungen leidet Tamara noch immer unter den Ereignissen von damals, die sie nie irgendjemandem erzählt hat. Auch das beängstigende Gefühl, verfolgt zu werden lässt sie nicht zur Ruhe kommen und sie versucht, ihre innere Unruhe auch mit Hilfe von vermehrtem Alkoholkonsum zu bekämpfen. Es ist heiß, sie arbeitet wie eine Besessene für ihre erste Ausstellung und das Gefühl des Verfolgtwerdens wird immer schlimmer. Da beschließt sie von einem Tag auf den anderen, gegen ihre Angst zu kämpfen und beginnt ihr Verhalten zu ändern. Eine Entscheidung, deren Umsetzung große Auswirkung auf ihr Leben aber auch auf die Beziehung zu ihrem Partner hat.

Anna klammert sich krankhaft an Andreas, den sie braucht und gleichzeitig fürchtet. Der arbeitsmäßig sehr eingespannte Andreas möchte, dass Anna sich auch anderen Menschen anzuschließen lernt und versucht – ohne ihr Wissen - für sie eine Freundin zu finden. Er ahnt nicht, dass dieser Versuch eine Reihe von Ereignissen auslöst, die nicht nur sein und Annas Leben beeinflussen, sondern einen bisher ruhenden Vorfall in der Vergangenheit zum Eskalieren bringt.

Der Grundgedanke des Romans ist interessant. Es gibt es zwei große Handlungsstränge (Tamara und Paul, Anna und Andreas), die sich lange nebeneinander her entwickeln und sich bis zum Schluss hin sehr langsam lose verknüpfen. Daher hat man lange Zeit den Eindruck, abwechselnd zwei Geschichten zu lesen, die man anfangs nicht so richtig mit einander verbindet, sondern ihren Zusammenhang erst nach und nach erkennt. 


Stil und Sprache
Das Buch ist in der dritten Person und abwechselnd hauptsächlich aus Tamaras und Annas Sicht geschrieben. Flashbacks und einige beängstigende Träume der Protagonisten schüren die Dramatik und steigern die Spannung in den jeweiligen Szenen.

Großes Augenmerk wurde vor allem auf die Gefühle, Ängste und Vorstellungen der weiblichen Figuren gelegt sowie auf ihre jeweiligen Interaktionen mit ihren Partnern. Während Tamara in Stresssituationen gerne zur Flasche greift, um sich Erleichterung und Entspannung zu verschaffen, leidet Anna im Gegensatz dazu in Stresssituationen oft an Kopfschmerzen, die sie mit Tabletten betäubt. Die Empfindungen, von denen die Frauen beherrscht werden und ihre oft manisch anmutende Besessenheit, die man den ganzen Roman über unterschwellig zu spüren vermeint, erwecken den Eindruck, dass die Beiden recht oft „ziemlich durch den Wind“ sind und daher auch dementsprechend handeln. Das macht es in gewissen Situationen nicht immer einfach, ihre Handlungen zu verstehen und logisch nachzuvollziehen. Bedauerlicherweise war es mir nicht möglich, mich mit irgendeiner der Figuren zu identifizieren, da die Protagonisten irgendwie in ihrem eigenen Universum mit ihren eigenen Wichtigkeiten zu schweben scheinen und mich als Leser gefühlsmäßig nicht ansprechen konnten. Da es aber besonders bei dieser Art des Erzählstils ausschließlich auf den persönliche Geschmacks des Lesers ankommt, sollte man sich mit Hilfe der Leseprobe unbedingt einen eigenen Einblick verschaffen.

Die Szenen und die Umgebung wurden knapp aber vorstellbar beschrieben, allerdings bemerkt man, dass das Hauptaugenmerkt eindeutig auf den Protagonisten liegt. Viel Wert wurde auch auf geheimnisvolle und/oder beängstigende Geräusche gelegt, welche die Figuren hören, sich aber nicht erklären oder den Grund dafür herausfinden können. So kann die steigende Angst der Protagonisten gut in den Vordergrund gerückt werden, etwas, das bei diesen Szenen für eine unheilschwangere Grundstimmung und Spannung sorgt. Auch das Auftauchen der geheimnisvollen Katze mit der besonderen Fellfärbung, die Tamara immer wieder über den Weg läuft und von Anna aufgenommen wird, passt eher zu einer Mysterygeschichte als zu einem Kriminalroman.

Jeder große Abschnitt der dreiteiligen Geschichte zeigt auch die schrittweise Persönlichkeitsveränderung von Tamara, die im Lauf der Story immer deutlicher wird und sich ebenso zielgerichtet entwickelt, wie die Spannung, die sich gleichzeitig in der jeweiligen Beziehung der beiden Paare aufbaut.

Zwei dominante Erzählstränge, von denen je einer einem Paar gewidmet ist, laufen nebeneinander her und verknüpfen sich erst am Ende der Handlung mehr oder weniger lose zu einem gemeinsamen Schlussakt. Bücherfreunde, die sich auf eine spannende, emotionslastige und dramatisch-geheimnisvolle Geschichte freuen, werden mit dieser Story bestimmt viel Spaß haben. Leser, die eine gut konstruierte Kriminalgeschichte mit Detektiv oder Kommissar erwarten, die ein Verbrechen aufklären und einen perfiden Mörder fassen möchten, werden mit diesem Roman möglicherweise nicht ganz so viel Freude haben.  


Figuren
Tamara ist Künstlerin und arbeitet wie besessen für ihre erste Ausstellung. Als Kind war sie für zwei Wochen verschwunden und hat das Trauma aus dieser Zeit niemals überwunden. Sie leidet auch als Erwachsene immer noch unter den Nachwirkungen und den Flashbacks, die sie oft zur Flasche greifen lassen, um sich zu entspannen. Paul, Tamaras Partner, liebt sie sehr und versucht sie zu unterstützen und ihr Hilfestellung und das Gefühl beschützt zu werden zu geben. Allerdings stößt er bei ihren Problemen mit der Zeit an seine Grenzen.

Anna ist mit Andreas zusammen. Sie klammert sich an ihren Partner und fürchtet immer wieder, dass er ihr untreu ist, auf der anderen Seite fürchtet sie ihn jedoch. Andreas arbeitet zuviel, fühlt sich nicht immer gesund und möchte, dass Anna wieder mehr unter Leute kommt. Er versucht sie zu überreden, sich auch mit anderen Menschen anzufreunden, was nicht ganz klappt. Er ist verschwiegen und lässt Anna nicht immer an seinem Leben teilhaben, was Anna glauben lässt, dass er ihr etwas verheimlicht und sie äußerst misstrauisch macht, da sie immer wieder befürchtet, dass er fremdgehen könnte. Cordes ist ein abgehalfterter Polizist, der sich als schmuddeliger Detektiv verdingt und von Andreas für einen Auftrag angeheuert wird. Die Katze taucht immer wieder sowohl bei Tamara, als auch bei Anna auf und dient eher als „Pausenfüller“.

Da die Personen so sehr mit ihren eigenen Problemen, Ängsten und Wünschen beschäftigt sind, fehlt ihnen und der Handlung ein eindeutig definiertes Ziel. Dadurch leidet die Motivation der Figuren, Handlungen zu setzen, die auf ein solches hinführen. So bleiben die Figuren blass und zweidimensional und entwickeln sich - bis auf Tamara, die sich im Lauf der Handlung gut erkennbar verändert - nur langsam weiter.


Aufmachung des Buches
Der Titel des Taschenbuches passt zur Geschichte, sowie auch im weiteren Sinn auch das Coverbild, da die Story im Sommer spielt und es sehr heiß ist. Auf dem inneren ersten Blatt findet man eine Kurzvita der Autorin. Der Roman besteht aus drei deutlich abgegrenzten Teilen. Eine kurze Widmung und ein einleitendes Zitat eröffnen den 19 Kapitel langen, ersten Teil „Schwarz“. Es folgen „Weiß“ mit 14 und „Rot“ mit 18 durchnummerierten Kapiteln. Die Formatierung ist gut gewählt und leicht lesbar. Rückblenden sind gut erkennbar in Kursivschrift gedruckt. Ein Epilog und eine Danksagung schließen das Buch ab.


Fazit
Da der Privatdetektiv bzw. der Polizist fehlt und kein aktuelles Verbrechen vorliegt, das es zu klären gibt, ist die Bezeichnung Kriminalroman vielleicht etwas irreführend. Auch deshalb, weil der Roman mit der immer wieder auftauchenden Katze, dem Augenmerk auf bedrohliche Geräusche, und der – oft daraus resultierenden - Panik der Protagonisten eher einen mystischen Einschlag aufweist. Leser, die ein spannendes Buch lesen wollen, bei dem das Hauptaugenmerk auf den Gefühlen der Protagonisten statt auf einer kriminalistischen Handlung liegt, werden mit diesem Roman bestimmt viel Spaß haben. Eingefleischten Krimilesern würde ich empfehlen, sich zuerst die Leseprobe zu Gemüte zu führen, um herauszufinden, ob ihnen der Erzählstil zusagt.


3 Sterne


Hinweise
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