Drucken
Kategorie: Boys Love

Im Vogelkäfig werden wir unsere Flügel nie entfalten können und egal in welchem Zeitalter, bleibt die Freiheit für uns immer bloß ein Traum. Ein Traum von der zerbrechlichen, aufrichtigen und grausamen Freiheit.

 

Vogelkaefig Syndrom 

Originaltitel: Torikago Syndrome Vol. 1
Autor: Akaza Samamiya
Übersetzer: Gandalf Bartholomäus
Illustration: Akaza Samamiya
Verlag: Tokyopop
Erschienen: Dezember 2014
ISBN: 978-3-8420-1200-4
Seitenzahl: 200 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahre (Empfehlung des Verlags)

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Die Inhaltsansangabe auf dem Klappentext verwirrt zunächst mehr, als dass sie verrät. Die Story handelt von Tsugumi, ein aus Japan stammender Junge, der neu an dem Jungeninternat ist. Dort angekommen wird er sogleich mit dem seltsamen Spiel konfrontiert, das die Mitschüler untereinander spielen – und schon steckt er mitten in dem Machtkampf um Aufstieg in einer von einzelnen Schülern dominierten Welt. Kann er dem entkommen? Und wieso ist dieses Spiel an dem Internat zulässig und kein Lehrer tut etwas dagegen? Was steckt dahinter?

Zunächst ist man als Leser recht verwirrt, um was es sich genau für ein Spiel handelt, und die Handlungen der Schüler lassen einen manchmal innehalten. Dennoch bietet der Manga einen interessanten Auftakt zu einer Story, in der es um Macht, Missgunst und dem Wunsch nach Freiheit geht.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Die etwas verwirrende Story, der man recht genau versuchen muss zu folgen, verlangt von dem Leser große Aufmerksamkeit und liefert mehr Fragen als Antworten. Tsugumis Auftritt im Jugeninternat, welches gar nicht konkret lokalisiert ist, präsentiert dem Leser die Hauptfigur, doch mit Tsugumi ist der Leser gleichermaßen verwirrt. So ist man als Leser verwundert, dass Tsugumi peinlich berührt errötet, als sich zwei Schüler an den Händen fassen, und seine Unsicherheiten greifen auf den Leser über. Tsugumi wird uns als etwas zierlicher Junge mit braunen Haaren und roten Augen präsentiert, der den ganzen Band über eher reserviert bzw. schüchtern agiert.

Einen starken Kontrast dazu bildet "Licht", ein blonder, großer Junge, der ein Faible für Äpfel und alles mit der Farbe Rot hat. Die Wahl des Namens mutet seltsam an, so ist man als Leser nicht nur über Lichts Namen verwirrt, auch die anderen Figuren bekommen deutsche Namen oder Bezeichnungen. So tauchen der Lateinlehrer Reinhart und der Chemieleher Remar auf, beide haben blondes, helles Haar, und wirken insgesamt vertrauenswürdig und noch sehr jung, weniger wie Autoritätspersonen.

Weitere auftauchende Figuren sind die „Untertanen“ des Kaisers, jenem Schüler, der über alle zu urteilen scheint in dem seltsamen Spiel. So gibt es "Rechts" und "Links", zwei Figuren, die sich nur dadurch unterscheiden, dass sich jeweils anders gefärbte Strähnen haben. Anders als Tsugumi und Licht sind beide eher kräftig, wenn auch nach wie vor feingliedrig gezeichnet, und auch ihr Kleidungsstil ist eher lässig und so tragen sie die Hemden der Uniform aufgeknöpft. Sie wirken auf den Leser etwas rowdyhaft. Eine ganz andere Figur haben wir mit "Hund", einem der geheimnisvollsten Figuren, dem die Stirnfransen ins Gesicht fallen, sodass man nie seine Augen sehen kann.  Namentlich und auch optisch hebt sich der Kaiser Kain von den anderen ab, er hat schwarze Haare, rote Augen und trägt eine weiße Schuluniform, ebenso seine Untertanen – die anderen Schüler, Licht, Tsugumi inbegriffen, tragen eine schwarze Uniform. Das lässt den Leser wieder vor einem Rätsel stehen, da man sich fragt, was es damit auf sich hat und wieso es von dem Lehrpersonal akzeptiert wird. Sowohl das Verhalten von Licht, als auch von Kain und der Lehrer ist mehr als seltsam und man hofft als Leser auf Klärung. Der Zeichenstil passt sehr gut zu dem gewählten Setting, welches europäisch, wenn nicht sogar deutsch anmutet, und verstärkt wird durch Wahl der Namen.

Der Manga verfügt über weiche Linien, die Augen der Jungen werden sehr detailliert gezeichnet, sodass sie ziemlich weiblich anmuten. Auch in der Darstellung schafft es die Mangaka, die Unterschiede der Figuren herauszuarbeiten. Während Tsugumi große, unschuldige Augen hat, besitzt Licht eher schmale, nicht minder detailliert dargestellte Augen. Im Vergleich dazu wirken Kains kalt und leer, insgesamt macht sein ganzes Verhalten einem zuweilen etwas Angst bzw. ist man aufgrund seiner Sonderstellung ob seiner Rolle interessiert.

Die Hintegründe im Manga sind zum Teil sehr detailliert dargestellt, und in vielen Szenen unterstützen sie die Atmosphäre, wobei sich teilweise die Hintergründe mit zeichnerischen Effekten mischen und so Pflanzen manchmal genau dargestellen, dann wieder in dem gleichen Panel eher als Schattenumriss verwendet werden. Die Mangaka spielt neben den detailreichen Hintergründen auch hier und da mit der Perspektive und bringt Tiefe oder Nähe rein. Zudem verwendet sie Speedlines, Rasterfolie und andere zeichnerische Techiniken passend und wohl platziert.
Gestik und Mimik sind bei dem Manga auch stark ausgeprägt, man kann anhand der Körpersprache deutlich erkennen, was die Figuren tun und was sie denken. Tiefe Gefühle werden plastisch auf die Gesichter projeziert, sodass man als Leser im Bezug auf die Zeichnungen nur schwer weg kommt und man sich zuweilen in einzelnen Panel verliert. Die Story allerdings verwirrt dann wieder, sodass man immer wieder seinen Fokus scharf stellen muss.

Die Zeichnungen passen sehr gut zu dem Inhalt, man fühlt sich in einer fremden Welt, die nicht nur für Tsugumi, sondern auch den Leser fremd ist, und ein wenig geht man an Tsugumis Seite mit und erlebt die gleichen seltsamen Dinge. Der Beginn des Manga enthält eine Farbseite, auf der nochmal die Details der Hintergründe gezeigt werden, zudem bekommt der Leser durch die Doppelseite die Charaktere in Farbe zu sehen, was die Figuren gleich plastischer macht. Die Farbwahl sowie die Benutzung der Farbe auf den Seiten zeigt großes Geschick der Künstlerin und auch hier könnte man wieder eine Zeit verweilen.

Im Bezug auf die Genrebezeichnung Boys Love ist anzumerken, dass nur wenig direktes Boys Love enthalten ist, vielmehr sollte man von Andeutungen sprechen, die - je nach Lesart - stärker oder schwächer bewertet werden können. Mir persönlich haben die Andeutungen gereicht, um dem Label Boys Love gerecht zu werden, dennoch ist der Aspekt eher dezent und subtil enthalten, als dominant oder gar explizit. Wer also auf der Suche nach deutlicheren Boys Love Werken ist, die gefühlvoll sind, sollte vielleicht zu einem anderen Manga greifen. Da es allerdings nur wenig konkrete Andeutungen zu Liebe zwischen zwei Jungs gibt, könnte der Manga Freude bei Fans bereiten, die philosophisch mysteröse Stories mögen und auch nichts gegen vereinzelte Andeutungen haben.


Aufmachung des Manga
Der Manga besitzt, wie angesprochen, eine matte Farbseite, die den Leser ins Geschehen bringt, zudem die Charaktere in Farbe zeigt. Daneben hat der Manga Charakterskizzen zu den einzelnen Figuren und auch eine Art kleiner Bonuscomic findet sich zu Ende des Bandes.

Das Cover zeigt Tsugumi und Licht, die Rückseite der Illustration bildet Kain sowie seine 3 Untergebenen ab. Die Illustration besitzt durch die Farben sowie der Tatsache, dass Tsugumi barfuß läuft, eine gewisse Leichtigkeit, die im Kontrast zum Inhalt steht. Die einzelnen Figuren sind auf dem Front- und Backcover mit Spotlack aufgedruckt. Ebenso die Schrift. In Verbindung mit dem Klappentext scheint das Motiv den Wunsch nach der Freiheit auszudrücken. Jenes Covermotiv wird auch für das Kapitel 3 im Buch verwendet.

Der Manga besitzt als Extra eine Postkarte mit den Figuren Tsugumi, Licht und Kain, welches das Motiv des Vogelkäfigs nochmal aufgreift. Gedruckt ist der Band in dem gewohnten Tokypop Taschenbuchformat.


Fazit
Vogelkäfig Syndrom ist ein Manga mit einer recht komplexen Story, die durch einen wunderschön filigranen Zeichenstil in Szene gesetzt wird. Die Story ist hoch philosophisch, zudem auch in seinen Grundzügen meiner Lesart nach gesellschaftskritsch. Wer einen konkreten Boys Love Titel sucht, wie es die Bezeichnung angibt, wird vermutlich enttäuscht sein, da der Manga eher Andeutungen statt konkreter Darstellungen enthält. Dennoch kann der Manga durch seine Story sowie seinen Stil überzeugen und durchaus von nicht Boys Love-Fans gelesen werden, sofern einem die Grundthematik zusagt. Die Alterangabe ab 15 Jahren ist angemessen gewählt.


4 Sterne


Hinweise
Diesen Manga kaufen bei: amazon.de oder deinem Buchhändler vor Ort