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Teri Terry


Im Sommer dieses Jahres erschien der abschließende Band der Gelöscht-Trilogie von Teri Terry im Coppenrath Verlag, der die Leser mal wieder von der ersten bis zur letzten Seite mit Hochspannung ans Buch fesselte. Da versteht es sich von selbst, dass sie auf der Frankfurter Buchmesse 2014 ein vielbeschäftigter Gast war und die Fans bereits lange vor den Signierstunden Schlange standen. Umso mehr freut es mich, dass sie sich die Zeit genommen hat, uns ein paar Fragen zu ihrer Trilogie, dem Schreiben an sich und zukünftigen Projekten zu beantworten. 


Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unsere Fragen nehmen und herzlich willkommen in Deutschland. Ist das Ihr erster Besuch in Deutschland?

Ich war bisher nur einmal hier, vor ein paar Jahren. Das war eine dieser Bustouren quer durch Europa und ich glaube wir waren nur für eine Nacht hier. Da es eine Weile her ist, kann ich mich nur noch daran erinnern, dass wir eine Flussfahrt gemacht haben und auf den Kölner Dom gestiegen sind, rauf und rauf und rauf bis nach ganz oben [lacht]


Gefällt Ihnen Deutschland?

Ich liebe es. Besonders dieses Mal, weil alle so nett waren. Es ist wirklich toll.


Hier auf der Buchmesse werden Sie eine Lesung halten und Fans treffen. Da das alles in einer fremden Sprache stattfindet, sind Sie nervös?

Fast jeder, mit dem ich bisher gesprochen habe, konnte zumindest genug Englisch, dass ich mit ihm reden konnte. Die Sprache war bisher also kein Problem. Und nachher beim Fantreffen ist Kiki [eine Mitarbeiterin des Coppenrath Verlags] mit dabei, sie kann dann also bei Sprachproblemen aushelfen.


Lassen Sie uns über Ihre Gelöscht-Reihe reden. Können Sie Kyla und die Welt in der sie lebt mit ein paar Worten vorstellen?

Kyla ist ein 16jähriges Mädchen, deren Erinnerungen als Strafe für ein Verbrechen gelöscht wurden. Sie kann sich also nicht erinnern, was sie getan haben soll, und wird zu Beginn der Geschichte einer neuen Familie zugeteilt. Natürlich ist mit ihr etwas anders, denn Teile ihre Vergangenheit kommen in Träumen wieder zurück. In ihrer Zeit ist es gefährlich anders zu sein und so versucht sie herauszufinden, was mit ihr passiert ist und was in ihrer Welt vor sich geht, bevor es zu spät ist.


Sie zeichnen in Ihren Romanen ein recht düsteres Bild der Zukunft. Denken Sie wirklich, dass es so kommen könnte oder ist das mehr für den Effekt?

Ich würde nicht sagen für den Effekt, sondern für die Geschichte. Eigentlich denke ich sogar, dass es alles in allem eine recht hoffnungsvolle Geschichte für einen dystopischen Roman ist. Eines der Dinge, die ich in den Romanen untersuchen wollte – was mir nicht klar war, als ich den Roman begann – war, dass viele dystopischen Romane den Eindruck vermitteln, dass die Antwort immer Gewalt sein muss. Diese Sichtweise wollte ich herausfordern. Und da dieser Versuch ein wichtiger Teil meiner Romane ist,  finde ich, dass sie doch auf eine gewisse Art hoffnungsvoll sind. Natürlich passieren auch viele schlimme Dinge.  Aber die Wahrheit ist, wenn du einen Roman über eine Welt schreiben würdest, in  der alle nett sind und niemand jemand anderem etwas antut, das wäre eine ziemlich langweilige Geschichte.


Etwas, was ich an Ihren Romanen besonders mochte ist, dass sie nicht nur Schwarz und Weiß zeigen sondern viel dazwischen. Zum Beispiel beim Löschen der Erinnerungen. Für Kyla ist es eine harte Bestrafung, aber an ihrer Schwester sehen wir, dass es anderen Menschen auch helfen kann. Was ist Ihre Meinung zum Löschen? Wenn es möglich wäre, wäre es eine gute oder eine schlechte Wahl?

Im Allgemeinen würde ich wahrscheinlich sagen, dass es eine schlechte Wahl ist, denn unsere Erfahrungen sind es, die uns zu dem gemacht haben, wer wir sind, auch die schlechten. Die meisten Menschen würden also wohl keine Erinnerungen verlieren wollen, die sie zu den Personen machten, die sie heute sind. Andererseits ist mir bisher zum Glück auch nichts so Schreckliches passiert, manchen Menschen würde das Löschen der Erinnerungen vielleicht wirklich helfen. Ich finde eines der besten Dinge an dystopischen Romanen ist, darüber nachzudenken, was sein könnte, und dann beide Seiten davon zu zeigen. Wenn du einen Grund siehst, warum etwas gut sein kann, selbst wenn es jetzt auf eine schlechte Art genutzt wird, macht es das Buch viel interessanter.


Wenn man zwischen den Zeilen Ihrer Romane liest, meint man einiges an Kritik an der modernen Gesellschaft zu finden. War das so beabsichtigt oder ist es nur etwas, was man bei dystopischen Romanen nicht vermeiden kann?

Das ist eine schwierige Frage, denn ich glaube nicht wirklich, dass diese Dinge bewusste Entscheidungen beim Schreiben waren. Ich glaube eher, dass meine Ängste sich im Schreiben ausdrücken, meine unterbewussten Ängste und auch Leidenschaften. Ich hab mich nicht hingesetzt mit der Absicht einen Roman über Terrorismus zu schreiben. Um ehrlich zu sein, das wäre das letzte Thema gewesen, was ich zu dem Zeitpunkt gewählt hätte. Aber es ist natürlich etwas, was mir Angst macht und die Dinge, die mich beängstigen, neigen dazu auch in meinen Romanen aufzutauchen. Ich habe also nicht wirklich einen sozialkritischen Kommentar abgegeben, sondern nur versucht mit den Dingen umzugehen, die mich besorgen.


Woher kam Ihre Inspiration für Kylas Geschichte?

Ich hatte einen Traum von einem Mädchen, das einen Strand entlang rennt. Etwas jagt sie. Und in dem Moment, indem sie stolpert und fällt, holt dieses Etwas sie ein und ich wachte auf. Gelöscht war zwar mein erstes veröffentlichtes Buch, aber ich hab schon eine Weile davor geschrieben und oft waren Träume meine Inspirationsquelle. Das ist für mich ein großartiger Weg, um sehr intensive Gefühle darzustellen. Also schreib ich intensive Träume sofort auf, sobald ich wach werde, denn sonst sind sie schnell vergessen, selbst wenn man beim Aufwachen noch denkt, man würde sie nie wieder vergessen. Die Handlung von Gelöscht baute ich also auf diesem Traum auf und irgendwie entwickelte sich alles aus dieser einen Szene. Schon am ersten Morgen entwickelte ich den Titel und die Grundidee des Löschens. Woher genau die Inspiration eigentlich kam, kann ich also nicht sagen – irgendwo aus meinem Unterbewusstsein nehme ich an [lacht]


Besonders im letzten Band der Trilogie muss Kyla einige sehr emotionale Szenen ertragen, die sicher auch einige Leser zu Tränen gerührt haben. Haben Sie beim Schreiben geweint?

Ja, ich weinte. [lacht] Um Spoiler zu vermeiden, kann ich nicht sagen bei welchen Szenen, aber es gab welche, die ich nur weinend schreiben konnte. Es klingt lahm, aber beim Schreiben bin ich wirklich in der Geschichte, es fühlt sich alles wirklich real an und deswegen sind solche emotionalen Szenen für mich dann natürlich auch so traurig.


Vermissen Sie Kyla? Ich meine, nachdem Sie so viel Zeit mit ihr verbracht haben, ist sie nun ja irgendwie weg aus Ihrem Leben.

Ich weiß es nicht. Ich denke, sie ist immer noch in meinem Kopf. Ich sehe das ein wenig widersprüchlich, weil es natürlich hart ist die Welt hinter mir zu lassen, in der ich so lange gelebt habe. Zur gleichen Zeit habe ich aber auch so viel Zeit in ihrer Welt verbracht, dass ich bereit bin etwas Neues zu machen. Es ist also ein bisschen von beidem. Etwas Neues zu beginnen hat auf jeden Fall viel Spaß gemacht. Eine Trilogie ist schwierig zu schreiben, weil man die Bücher ja verbinden muss, besonders im zweiten Band, wo man all die Hinweise auf den dritten Band einbauen muss – das ist hart. Als ich also mit dem dritten Buch fertig wurde, war es wirklich zufriedenstellend.


Also werden Sie nicht zu Kylas Geschichte zurückkehren?

Ich plane es zumindest nicht und ich glaube auch nicht, dass ich von dem Ende der Bücher an weiter gehen möchte. Falls doch, dann wäre es viel interessanter ein Prequel über Kylas Mutter und ihre Leben zu schreiben. Das wäre auf jeden Fall eine interessante Geschichte, aber schwierig in der Umsetzung, weil ja eigentlich jeder weiß, was passiert. Aber ich könnte es irgendwann tun. Ich weiß nicht, ob ich das je will, es ist bisher nur ein Gedanke. Aber man weiß ja nie.


Kommen wir nun zu einigen Fragen zum Schreiben an sich. Haben Sie spezielle Rituale, Orte oder Zeiten zum Schreiben?

Nein, nicht wirklich.  Ich habe früher immer direkt morgens im Bett geschrieben, aber wegen Rückenproblemen mache ich das jetzt nicht mehr. Stattdessen schreibe ich neuerdings oft am Nachmittag. Ich schreibe gerne zu Hause und nicht in Cafés. Ich weiß, dass viele Autoren dort schreiben, aber für mich ist da zu viel Ablenkung. Ich kann in Cafés maximal ein paar Ideen aufzeichnen. In Zügen oder Flugzeugen schreib ich hingegen ab und zu, zum Beispiel auf einer achtstündigen Fahrt von London nach Schottland. Das ist eine lange Zeit um nur rum zu sitzen [lacht].

Ich bin wirklich merkwürdig was Notizbücher und Stifte anbelangt. Es muss das richtige Notizbuch zur richtigen Geschichte sein und ich schreibe nur mit bestimmten Stiften, was ein bisschen verrückt ist. Wenn es nicht die richtigen Utensilien sind, fühlt es sich einfach nicht richtig an. Meistens schreibe ich zwar auf einem Laptop, aber ich beginne immer mit den ersten Ideen in einem Notizbuch. Und wenn ich mal hängen bleibe, gehe ich auch wieder zurück zum Handschriftlichen. Aus unerfindlichen Gründen scheint das das Schreiben zu erleichtern.


Wie viel Zeit vergeht bei Ihnen von den ersten Ideen bis zum veröffentlichten Buch?

Das variiert ein bisschen. Für Gelöscht habe ich eineinhalb Jahre von der ersten Idee bis zur fertigen ersten Version gebraucht. Aber da habe ich auch andere Dinge nebenbei gemacht. Wie ich ja schon sagte, war ich mir absolut nicht sicher, ob ich über Terrorismus schreiben wollte, und ich wusste nach dem Beginn auch nicht wirklich, wie ich es schreiben sollte. Also habe ich es zur Seite gelegt, aber es wollte geschrieben werden und ich bin schließlich zurück gekommen. Mit dem zweiten und dritten Band lief das anders, weil ich da Deadlines hatte [lacht]. Sie mussten also schneller geschrieben werden. Wenn ich die Welt, die Handlung und die Charaktere gut kenne, kann ich einen ersten Entwurf wahrscheinlich in vier Monaten schreiben. Aber es dauert natürlich länger, je mehr Details noch unklar sind.


Wie viel bereiten Sie vor dem Schreiben vor? Ist alles genau geplant oder kommt viel der Inspiration erst beim Schreiben?

Auch das hängt wieder von der Geschichte ab. In der Vergangenheit habe ich weniger geplant als jetzt. Als ich Gelöscht anfing, hatte ich schon um die 17.000 Wörter als mir klar wurde, dass nicht alle Ideen in ein Buch passen würden und es eine Trilogie werden musste. Also musste ich über den Plot nachdenken, wie ich es bis dahin nicht musste. Irgendwann habe ich aber immer schon eine Kapitelübersicht in Tabellenform erstellt, weil das beim Editieren wirklich nützlich ist. Nicht so sehr beim Planen, aber beim Editieren hilft es sehr, wenn man auf Zusammenfassungen der Kapitel zurückgreifen kann und daran überlegen kann, was hier passieren sollte und dort gelöscht werden muss. Deswegen plane ich jetzt mehr als früher. Zu Beginn habe ich aber immer noch keinen Plan, sondern springe einfach in die Geschichte und der Plan folgt später.


Etwas, wovor scheinbar jeder Autor Angst hat, ist die Schreibblockade. Haben Sie dagegen irgendwelche Tipps?

Ich weiß nicht, um ehrlich zu sein, bin ich nicht mal sicher, ob ich wirklich an Schreibblockaden glaube. Ich glaube es ist nur eine Form des Aufschiebens, denn wenn du ein Schriftsteller bist, dann schreibst du. [lacht] Ich sag nicht, dass ich nicht auch Phasen habe, in denen das Schreiben schwierig ist, aber das würde ich nicht unbedingt Blockade nennen. Wenn man den ersten Buchvertrag bekommt und plötzlich realisiert, dass das, was man da schreibt, tatsächlich ein Buch werden wird, erzeugt das jede Menge Druck. Und das kann es natürlich schwieriger machen einfach nur der Handlung zu folgen. Das muss man dann halt ausschalten und sich daran erinnern, dass der erste Entwurf ruhig schrecklich sein darf, weil man ihn überarbeiten kann. Daran muss ich mich auch immer wieder erinnern. Es ist ok, wenn es jetzt chaotisch ist, weil ich weiß, dass ich das später beheben kann. Wenn ich also festhänge, weil ich zwar weiß, dass dies und jenes passieren wird, aber nicht wie man vom einen zum anderen kommt, dann mache ich mir keine Sorgen. Ich schreib einfach die beiden Szenen und die Verbindung wird dann später klarer. Wenn man da stattdessen ewig grübelt, wie man die Verbindung ziehen könnte, dann bleibt man stecken.


Um ehrlich zu sein, scheint Schreiben deutlich mehr mit Zeitmanagement und Disziplin zu tun zu haben als mit dem Schreiben selbst.

Ja, das nimmt schon eine große Rolle ein. Für sich selbst zu arbeiten, ist für viele Leute schwierig, aber ich bin meistens so getrieben, dass ich mich am Arbeiten halte.  Wenn das mal nicht klappt, muss ich nur ein wenig vor die Tür gehen und mit Menschen reden. Man kann eben nicht die ganze Zeit allein im Haus sitzen und schreiben. Wenn ich ein wenig Zeit darauf verwende gut zu mir zu sein oder mich mit Freunden zu treffen, schreibe ich besser. Früher dachte ich, man muss wirklich acht Stunden am Tag da sitzen und schreiben, aber für mich funktioniert das nicht.


Haben Sie schon immer vorgehabt Schriftstellerin zu werden?

Das erste Mal, dass ich daran gedacht habe, war mit 17. Das ist also schon eine Weile her. [lacht] Aber ich kannte keinerlei Schriftsteller und einen Kurs dafür gab es an meiner Highschool in Kanada nicht und in der Familie hatte ich auch keine Schriftsteller. Für mich sah das nicht nach einem Job aus, den normale Menschen machen, mehr nach einem Lotterie-Gewinn. Ich habe also nie wirklich gedacht, dass ich das werden könnte, auch wenn ich es gerne wollte. Hin und wieder hab ich schon geschrieben, aber nie wirklich versucht einen Roman zu schreiben bis vor 10 Jahren. Dann bin ich nach England gezogen und musste neu anfangen. Ich wollte immer schreiben, hatte es aber nie ernstgenommen. Aber vor 10 Jahren dachte ich mir, ich versuche es jetzt einfach.


Nachdem Kylas Geschichte nun beendet ist, können Sie uns schon etwas über Ihr nächstes Buch verraten?

Ich habe im Moment einen ersten Probedruck in meiner Tasche und seit gestern steht auch fest, dass mein neuer Roman nächstes Jahr im Sommer in Deutschland erscheinen wird. Den Titel kenne ich allerdings noch nicht.


Haben Sie Buchempfehlungen für die Wartezeit?

Ich mochte “The Adoration of Jenna Fox” von Mary E. Pearson [auf dt. “Zweiunddieselbe”] und “Heart shaped bruise” von Tanya Byrne sehr gerne.


Sind Sie denn immer noch eine Leserin oder nur noch Schriftstellerin?

Manchmal. Ich kann allerdings nicht wirklich lesen, während ich am ersten Entwurf schreibe. Dann fällt es mir schwer, mich in ein Buch fallen zu lassen, weil ich nicht aufhören kann es als Schriftsteller zu analysieren. Ich habe auch nicht mehr so viel freie Zeit zum Lesen wie früher.

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