Sie wissen, WER wir sind, WO wir sind – und WAS wir als Nächstes tun werden …
London. Bei einer Verfolgungsjagd wird ein Junge erschossen. Sein Tod führt die Journalistin Cynthia Bonsant zu der gefeierten Internetplattform Freemee. Diese sammelt und analysiert Daten – und verspricht dadurch ihren Millionen Nutzern ein besseres Leben und mehr Erfolg. Nur einer warnt vor Freemee und vor der Macht, die der Online-Newcomer einigen wenigen verleihen könnte. ZERO, der meistgesuchte Online-Aktivist der Welt. Als Cynthia anfängt, genauer zu recherchieren, wird sie selbst zur Gejagten. Doch in einer Welt voller Kameras, Datenbrillen und Smartphones gibt es kein Entkommen …
Autor: Marc Elsberg |
Die Grundidee der Handlung
Vi und ihre Schulkameraden benutzen eine neue Datenbrille und setzen damit Ereignisse in Gang, die für zwei von ihnen tödlich enden. Für Vis Mutter Cynthia erschließt sich plötzlich eine technische Welt, die ihr das pure Grauen bringt und auf beängstigende Weise zeigt, was geschieht, wenn ein Mensch allein die Macht über Algorithmen hat und damit Tausende von jungen Menschen beeinflusst. Zero macht die Allgemeinheit auf individuelle Art auf diese Manipulationen aufmerksam und es kommt schließlich in New York zu einer einzigartigen Hetzjagd – eine Hetzjagd, die nicht nur ein Menschenleben fordert, sondern auch den Glauben in die Technik gewaltig erschüttert …
Gnadenlos direkt, mit einem umfangreichen Wortschatz und sehr aufwühlend zeichnet Marc Elsberg mit ZERO ein mehr als unheimliches Bild der heutigen Zeit.
Stil und Sprache
Durch den auktorialen Erzählstil wird der Leser von Beginn an in eine Welt geworfen, in der nichts mehr geheim bleibt, der Mensch komplett durchscheinend ist und es so gut wie unmöglich scheint, sich in der Anonymität zu verstecken. Dabei greift Marc Elsberg mit vollen Händen in die große Kiste der technischen Errungenschaften. Social Networks, Internet, Smartphones et cetera – es scheint keine Grenzen mehr zu geben. Gleichzeitig macht er aber auch deutlich, dass darin auch Gefahren liegen, die wir besser nicht unterschätzen sollten. Das Zauberwort heißt Algorithmen. Was diese bewirken können, positiv wie negativ, zeigt der Autor auf packende und äußerst brillante Weise. Sein Sprach- und Schreibstil ist modern, fließend, genau auf den Punkt gebracht und gleichzeitig auch eindringlich. Durch einen oftmals sehr schnellen Szenenwechsel baut Marc Elsberg die Spannung im Roman Stück für Stück auf, packt immer mal wieder eine besonders fesselnde Verfolgungsjagd dazwischen, und krönt das Ganze dann mit einer Hetzjagd mitten in New York, die für einen gewaltigen Abschluss sorgt.
Ja, ich muss zugeben, das Lesen von ZERO hat mich nachdenklich gemacht, viele Fragen aufgeworfen und mich vieles in einem neuen Licht sehen lassen. Wer möchte schon gerne total gläsern sein und manipuliert werden? Was mich dabei besonders beeindruckt hat, ist die Feinfühligkeit, mit der Marc Elsberg die Handlung darstellt und dabei die beiden Seiten der Münze zeigt. Genie und Wahnsinn liegen oftmals dicht beieinander und der Autor versteht es prima, das in Verbindung mit der technischen Entwicklung der Menschheit zu zeigen. Seine Vergleiche mit den Praktiken der Werbung oder die Erklärung, dass der Mensch bei der Verwendung und in seinen Entscheidungen doch trotzdem frei ist und zu nichts gezwungen wird, hat schon seine Wirkung.
Figuren
Auch wenn der Autor seine Figuren nicht wirklich beschreibt, bilden diese sich doch glasklar vor dem inneren Leserauge. Marc Elsberg versteht es meisterhaft, durch minimalistische Beschreibungen von seinen Charakteren ein punktgenaues Bild zu gestalten und dabei nichts von der Energie der Handlung zu nehmen.
Vi ist ein junger Teenager, der in den letzten Monaten eine erstaunliche Wandlung vom Gothic zum liebenswürdigen Mensch gemacht hat. Mit der Welt der Smartwatch, den ActApps, Smartphone und Social Networks bestens vertraut, ist für sie die Offenlegung ihrer persönlichsten Daten, Gefühle und Emotionen eine Selbstverständlichkeit. Es gehört für Vi zum Leben dazu wie das Atmen und Zähneputzen. Warum soll sie anderen das Datensammeln überlassen, wenn sie selbst daraus Kapital schlagen und somit auch kontrollieren kann, wem sie wann Zugang dazu erlaubt? Mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein, dass den jungen Menschen von heute angeboren zu sein scheint, erklärt und offenbart sie ihrer geschockten und total überraschten Mutter eine Welt, die für sie nicht nur Alltag bedeutet, sondern auch normal ist – im Gegensatz zu ihrer Mutter.
Cynthia kommt sich vor wie vom Zug überrollt. Sie hat gegenüber der Technik ein riesen Aber, und greift lieber zu Stift und Block um ihre Reportagen und Texte zu schreiben, als Hand an ihre Datenbrille zu legen und live zu berichten. Die Preisgabe ihrer Daten, egal ob Bank, Gewicht oder welche Vorlieben sie hat, ist ihr genauso suspekt, wie die Mitgliedschaft in einem Forum (auch wenn sie in einigen angemeldet und registriert ist). Als Zeitungsredakteurin wird sie Mitglied der neuen Newsredaktion vom Daily, und von einem Moment zum anderen buchstäblich in eine ihr sehr fremde Welt geworfen. Plötzlich soll sie eine Cyberbrille tragen und quasi nonstop erreichbar und vernetzt sein. Dazu gezwungen, mit der Welt der Technik Schritt zu halten und auf eine für sie absolut neue Art die Tagesgeschehnisse und heißen Themen zu präsentieren, kämpft Cynthia mit den Vorteilen und Tücken dieser Art der Berichterstattung. Dabei kommt sie sich wie ein absolutes Fossil vor. Doch so enorm das alles auch ist, ihrem Bauchgefühl vertraut sie nach wie vor. Und genau das macht diese Figur so überzeugend und liebeswürdig. Denn ihre Hilflosigkeit, ihre Ängste als Mutter und ihre Neugier als Redakteurin bilden ein perfektes Gegenstück zum schier unerlässlichen Datenstrom und der Macht der Erfinder, die damit einher geht.
Aufmachung des Buches
Das schwarzgebundene Buch mit Leseband hat einen Schutzumschlag, der optisch eher unscheinbar gestaltet ist. Schwarz und Weiß sind neben einem hellen Blau die einzigen Farben. Das Auffällige: die neonreklameähnliche Schreibweise des Buchtitels. Wirkt fast schon puristisch. Die Rückseite gibt in wenigen Worten einen Überblick über die Handlung wieder. Auf dem linken Klappentext steht ein Textauszug, während der Rechte ein Bild des Autors und ein paar Worte zu ihm zeigt. Eine Aufmachung, die mir nicht unbedingt zusagt, aber irgendwie dafür sorgt, dass der Roman im immensen Buchangebot nicht untergeht.
Fazit
Aufwühlend, verstörend und beängstigend, und das auf erschreckend unterhaltsame Weise. ZERO hat mich begeistert, entsetzt, geschockt und dennoch gepackt. Man mag sich darüber streiten, ob und in wie weit die geschilderten Ereignisse der Realität entsprechen, doch eines steht auf jeden Fall fest: Marc Elsberg hat mit seinem Roman ins Schwarze getroffen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Möglichkeiten viel größer und erschreckender sind, als wir uns bewusst machen.
Hinweise
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