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1914-1918
Vier Jahre, die Europa erschüttert und die Lebenspläne junger Menschen durchkreuzt haben.

Leipzig im August 1914: Glockenläuten, Freibier, Tanzmusik. Es herrscht Volksfeststimmung: Der Krieg hat begonnen! Ferdinand und August können es nicht erwarten, sich an die Front zu melden. Was hält sie jetzt noch in Leipzig? Zumal die schöne Anni nur noch Augen für Ernst Dunker in seiner schneidigen Leutnantsuniform hat. Wenig später sitzen die beiden im Zug Richtung Frankreich, im Gepäck einen Fotoapparat und eine braune Ledertasche.

Berlin im März 1918: Als das Telegramm ihres Jugendfreunds Max ankommt, macht sich Sophie sofort auf den Weg. Max ist kaum wiederzuerkennen. Kriegsverrückt, lautet die Diagnose der Ärzte. Aber das ist noch nicht alles. Er soll Beweismittel unterschlagen haben. Irgendein Vorfall an der Front. Es droht das Kriegsgericht. Alles scheint sich um eine braune Ledertasche zu drehen …

 

Der Krieg ist ein Menschenfresser 

Autor: Elisabeth Zöller
Verlag: Hanser Verlag
Erschienen: 3. Februar 2014
ISBN: 978-3-446245105
Seitenzahl: 288 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die obige Zusammenfassung gibt bereits sehr gut die Ausgangssituation der Romanhandlung wieder. 

In ihrem neuen Jugendbuch, das eine gelungene Mischung aus historischem Roman, spannendem Thriller und lebendiger Geschichtsstunde darstellt, schildert Elisabeth Zöller sehr glaubhaft und einfühlsam, wie die hoffnungsvollen Lebenspläne junger Menschen mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf einen Schlag zerstört wurden. Vor dem Hintergrund der verheerenden Folgen dieser großen Katastrophe erzählt sie eine berührende und zugleich äußerst fesselnde Geschichte über das tragische Schicksal von Ferdinand, Max und Sophie und ihrem verzweifelten Versuch, die Wahrheit über diesen entsetzlichen Krieg öffentlich zu machen.


Stil und Sprache
Mit der als Rahmenhandlung gestalteten Eingangsszene, die aus auktorialer Erzählperspektive geschrieben ist und einen Vorgriff auf erst später eintretende Ereignisse darstellt, gelingt es Elisabeth Zöller hervorragend, den Leser in ihre Geschichte zu ziehen und ihn neugierig auf die erwähnten Figuren zu machen. Angesiedelt ist die Romanhandlung, die sich von August 1914 bis März 1919 erstreckt, in Leipzig, Berlin sowie an der Westfront zur Zeit des Ersten Weltkriegs und im von revolutionären Unruhen erschütterten Deutschland. 

Zöller erzählt ihre Geschichte um die Hauptfiguren Ferdinand bzw. Max und Sophie in der dritten Person der Vergangenheitsform. Durch einen Wechsel der personalen Erzählperspektive mit den jeweiligen Figuren vermittelt sie dem Leser Einblicke in ihre Gedanken und Gefühle und lässt ihn an ihren Erlebnissen unmittelbar teilhaben. Anhand ihrer Einzelschicksale lässt die Autorin die historischen Ereignisse sehr geschickt lebendig werden. Angesteckt von der naiven Begeisterung seines Freunds August und sehr zum Entsetzen seiner gegen den Krieg eingestellten Eltern hat sich der 17-jährige Arbeitersohn Ferdinand Frenzel als Kriegsfreiwilliger gemeldet. Über die anschaulichen Schilderungen des Alltags und näheren Umfelds der beiden Jungen erfährt man sehr viel über die gesellschaftliche und politische Situation jener Zeit. Hautnah kann man den Zeitgeist in der damals hierarchisch geprägten, kaisertreuen Gesellschaft und die unterschiedlichen Einstellungen der Bevölkerung zu Kriegsbeginn miterleben und sich somit auch eigene Gedanken zum Krieg machen. Sehr subtil und eindringlich versteht es die Autorin, dem Leser die unfassbaren Gräuel und Schrecken und die Sinnlosigkeit des Kriegs vor Augen zu führen.

Durch einen abrupten Perspektivwechsel und Zeitsprung in der Mitte ihres Romans führt die Autorin mit Max Quinte sehr überraschend eine neue Hauptfigur in die Geschichte ein. Mit ihm wird ein neuer Handlungsstrang eröffnet, der sich schon bald zu einem äußerst spannenden Thriller entwickelt. Erst allmählich beginnt man zu erahnen, auf welche schicksalhafte Weise sich die Lebenswege von Max und Ferdinand an der Front gekreuzt haben. Gespannt versucht man, Zusammenhänge herzustellen und das Geheimnis der ominösen, ledernen Kuriertasche zu ergründen, der als Verbindungsglied zwischen beiden eine Schlüsselrolle in der Geschichte zukommt. Behutsam führt Zöller schließlich die Handlungsstränge zusammen, deckt die Hintergründe der tragischen Ereignisse nachvollziehbar auf und lässt ihren Roman mit dem offen gehaltenen Epilog sehr stimmig ausklingen.

Sehr ansprechend und auch für Jugendliche verständlich vermittelt die Autorin detailliertes, präzise recherchiertes Hintergrundwissen über die Zeit des Ersten Weltkriegs und versteht es, bei den Lesern Betroffenheit zu wecken. So widmet sie sich neben dem schockierenden Kriegsalltag an der Front auch ausführlich der Situation der Bevölkerung in der Heimat und den verheerenden Auswirkungen der Kriegserlebnisse auf die Soldaten und ihre Traumatisierung.

Zöllers empathischer Erzählstil liest sich flüssig und sehr angenehm. Die auf die damalige Zeit abgestimmte Sprache ist gut verständlich und wirkt sehr authentisch, so dass es leicht fällt, sich in die längst vergangene Zeitepoche hineinzuversetzen.


Figuren
Sehr einfühlsam und tiefgründig hat die Autorin ihre Figuren gezeichnet, deren Charakterentwicklung sie anschaulich herausgearbeitet und glaubhaft umgesetzt hat. Während man die jungen Menschen anfangs noch in ihrem Alltag mit ihren Träumen und hoffnungsvollen Sehnsüchten kennen lernt, durchleben sie bald tief greifende Veränderungen in ihrem Denken, Handeln und ihren Überzeugungen, die durch persönliche Kriegserlebnisse nachhaltig geprägt wurden. 

Überzeugend stellt Zöller den radikalen inneren Wandel ihrer Hauptfigur Ferdinand dar. Der fußballverrückte, in behüteten Verhältnissen aufgewachsene Junge mit seiner braunen Kuriertasche als Glücksbringer verliert sehr rasch im entbehrungsreichen und grauenvollen Kriegsalltag jegliche Illusionen. Angesichts des alltäglichen Todes und der qualvollen Schicksale seiner verwundeten Kameraden beginnt er, gegenüber dem unerträglichen Leid auf dem Schlachtfeld abzustumpfen. Schließlich erinnert er sich an den Auftrag seiner Mutter, er solle seine Kriegserlebnisse wahrheitsgetreu aufschreiben, und macht es sich zur Aufgabe, die Verbrechen des Kriegs mit seinem Fotoapparat und in seinen geheimen Tagebüchern heimlich zu dokumentieren.

Eine wichtige Rolle spielt auch der aus vermögendem Haus stammende Max Quinte. Stolz und völlig unbekümmert gelangt er als Absolvent einer preußischen Kadettenschule an die Westfront. Ahnungslos begibt er sich mit seinem skrupellosen Vorgesetzten Feldwebel Pfals auf einen fatalen Spezialeinsatz, der ihn aufgrund seiner schockierenden Erlebnisse völlig verstört und als Kriegsverrückten nach Hause zurückkehren lässt.

Sehr interessant und vielschichtig hat Zöller auch Sophie als sehr sympathische, weibliche Hauptfigur ihres Romans portraitiert. Ungewöhnlich offen, selbstbewusst und emanzipiert für die damalige Zeit tritt das von ihren verstorbenen Eltern freigeistig erzogene Mädchen auf. Sehr selbstlos kümmert sie sich den schwerst traumatisierten Max und unterstützt ihn tatkräftig und mutig dabei, sich selbst wieder zu finden, sich seiner Schuld zu stellen und die schockierende Wahrheit über seinen Einsatz schließlich ans Licht zu bringen.


Aufmachung des Buches
„Der Krieg ist ein Menschenfresser“ ist als gebundenes Buch erschienen. Der kartonierte Umschlag ist in schwarz-weiß gehalten und zeigt als Motiv den Ausschnitt einer Portraitfotografie eines mit geschlossenen Augen vor sich hinträumenden Mädchens mit Flechtzöpfen, die sich auch noch auf dem vorderen Vorsatzpapier fortsetzt. Im Buchinnern finden sich zudem einige Schwarz-Weißfotografien u.a. von einer Feldpostkarte, einem Sold- und einem Notizbuch.

Der Roman ist neben einer Eingangszene und einem nachgestellten Epilog in 57 Kapitel unterteilt. Zusätzlich findet man eine inhaltliche Untergliederung in vier Hauptabschnitte. Im Anschluss an den Roman ist eine Zeittafel beigefügt, die einen guten Überblick zum Zeitgeschehen während des Ersten Weltkrieges liefert. Zudem findet sich ein ausführliches Glossar zu allen im Text fett hervorgehobenen Wörter, in dem auch historische Persönlichkeiten und viele, jungen Lesern weniger gebräuchliche Begriffe erläutert werden. Für interessierte Leser ist außerdem am Ende des Buchs im Literaturverzeichnis eine Auswahl an verwendeter und weiterführender Literatur zusammengestellt.


Fazit
Elisabeth Zöller ist ein lehrreicher, bewegender und zugleich äußerst spannender Jugendroman über den Ersten Weltkrieg und seine Auswirkungen auf die jungen Menschen der damaligen Zeit gelungen. 

Die sehr lebendig und eindringlich erzählte Geschichte über die Schrecken und Sinnlosigkeit des Krieges macht betroffen und klingt noch lange nach. Ein hervorragendes und sehr empfehlenswertes Jugendbuch für geschichtsinteressierte Jugendliche ab 14 Jahren, das auch für ältere Leser geeignet ist!

5 Sterne


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