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Kategorie: 1100 – 1250 Hochmittelalter (Gotik)

Erbin, Mutter, Rebellin: der große Roman um Königin Konstanze, die heimliche Schlüsselfigur der Stauferdynastie

Es ist die berühmteste Geburtsszene des Mittelalters: Konstanze, Frau des deutschen Kaisers Heinrich VI., vierzigjährig, als unfruchtbar verschrieen, hochschwanger. Um jeden Preis muß sie die Legitimität ihres Kindes sicherstellen. Und so bringt sie ihren Sohn öffentlich, auf dem Marktplatz von Jesi, zur Welt. Die Nachwelt kennt sie als Mutter des Stauferkaisers Friedrich II. Aber welcher Weg liegt wirklich hinter Konstanze von Sizilien? Wem gehört ihre Treue: ihrer Heimat Sizilien oder ihrem Mann, dessen Grausamkeit sie entsetzt?

 

Das Buch der Königin 

Autorin: Sabine Weigand 
Verlag: FISCHER Krüger
Erschienen: 26. Juni 2014
ISBN: 978-3810526663
Seitenzahl: 464 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Konstanze von Sizilien ist die einzige Erbin ihres kinderlosen Neffen Wilhelm II. Kaiser Friedrich Barbarossa will durch sie das Stauferreich über ganz Italien ausdehnen und verheiratet seinen Sohn Heinrich mit ihr. Heinrich ist ein Machtmensch, der buchstäblich „über Leichen geht“ … und er hat vor, sich selbst zum Herrn über Konstanzes Königreich zu machen.

Sabine Weigand hat das Leben dieser bemerkenswerten Frau sehr sorgfältig recherchiert und breitet es spannend und lebendig - wie einen bunten Bilderbogen - vor ihrem faszinierten Publikum aus.

Stil und Sprache
Der Leser erlebt die Handlung zum größten Teil als Beobachter von außen, indem er mehrere Protagonisten an die unterschiedlichsten Schauplätze – von den deutschen Kaiserpfalzen bis Sizilien und sogar ins Heilige Land – begleitet und wird durch die Gegenwartsform immer nah am Geschehen gehalten. Zeitweise fungiert jedoch auch Konstanze als Ich-Erzählerin. Obwohl auch sie im Präsenz über ihre Kindheit berichtet - Zitat S. 17: „Ich bin sechs Jahre alt … „ - ist aus manchen Sätzen deutlich erkennbar, dass sie dies aus der Rückschau heraus tut - Zitat S. 17: „Heute noch sehe ich meines Bruders Gesicht …“ Diese Kapitel sind nicht nur mit Ort und Datum, sondern auch mit ihrem Namen gekennzeichnet. Der historische Hintergrund ist sehr authentisch dargestellt, die Geschichte des fiktiven Gottfried von Streitberg und seiner Schwester Hemma fügt sich glaubwürdig darin ein.

Das Buch lässt sich leicht und flüssig lesen, die prägnanten Beschreibungen der verschiedensten Orte, der beschwerlichen Reisen, der mittelalterlichen Bräuche wecken das Interesse des Lesers an dieser Zeit. Besonders interessant sind dabei die vielen Details zur Buchherstellung - vom Pergament, bis zur Gewinnung der Tinten und der verschiedenen Farben - die die Autorin zeitgenössischen Überlieferungen entnommen hat. Auch die schöne, bildhafte Sprache trägt dazu bei, dass keine Längen aufkommen.

Figuren
Konstanze von Sizilien ist bereits über 30 Jahre alt, als sie den viel jüngeren Kaisersohn heiratet. Die Südländerin – an Sonne und Wärme gewöhnt – fühlt sich im kalten Norden nicht wohl, ihre Ehe bleibt lange kinderlos. Sie ist eine gebildete Frau, die mehrere Sprachen spricht und lesen und schreiben kann - zur damaligen Zeit auch beim Adel nicht selbstverständlich. So ist es nachvollziehbar, dass sie sich für die Begabung des Buchmalers Gottfried interessiert, der in ihr eine kluge, warmherzige Herrin findet, die ein offenes Ohr für die Probleme ihrer Untergebenen hat. Gemeinsam planen sie eine Chronik über wichtige Ereignisse aus Konstanzes Leben, die Gottfried kunstvoll ausgestalten soll.
Er und seine Schwester haben schon früh die Eltern verloren und sich die Feindschaft eines mächtigen Nachbarn zugezogen, sodass sie ihre fränkische Heimat verlassen mussten. An Hand ihrer Geschichte gewinnt man einen tiefen Einblick in die Verhältnisse des 12. Jahrhunderts, denn bei ihrer Flucht - die auch eine lange Trennung einschließt – finden sie immer wieder Hilfe und Schutz bei den unterschiedlichsten Menschen, ob in der Klosterschule, in einem Bauerndorf oder am kaiserlichen Hof. Sabine Weigand zeichnet alle diese Figuren sehr treffend und glaubwürdig in ihrer jeweiligen Umgebung und ihren Handlungen, sodass der Leser sich ein gutes Bild von ihnen machen und ihre Motive, zwar nicht immer gutheissen, aber jederzeit nachvollziehen kann.
Heinrich VI. war tatsächlich so hart und grausam, wie er hier geschildert wird. Seine erbarmungslose Rache an den Aufrührern in Sizilien ist dokumentiert und lässt ihn in keinem guten Licht erscheinen.

Der größte Teil der weiteren Personen ist ebenfalls historisch verbürgt – u.a. der Papst und sein Gefolge, die deutschen Bischöfe und die Hofbeamten des Kaisers, die sizilianischen Adligen, die Anführer der Kreuzfahrer mit Richard Löwenherz an der Spitze - sie alle haben so oder ähnlich agiert, wie die Autorin es beschreibt.

Etwas merkwürdig erscheint allerdings die Figur des Bernhard von Neideck. Nachdem auf S. 105 im Jahr 1184 zu lesen ist, dass Albrecht von Neideck nach dem Tod seiner Tochter - Zitat: „.. schließlich keine Nachkommen mehr hat …“, taucht 1189 auf S. 169 mit besagtem Bernhard plötzlich - Zitat:„.. ein Nachzügler, kaum 16 Jahre alt ..“ auf, der gegen den Willen seines Vaters heimlich auf den Kreuzzug geht und sich 2 Jahre später tatsächlich im Heiligen Land befindet. Im Personenverzeichnis erscheint er aber nicht und sein Vater selbst erwähnt ihn kein einziges Mal - eine kleine Ungereimtheit.

 

Aufmachung des Buches
Das dunkelblaue Hardcover trägt den Namen der Autorin, sowie Titel und Verlag lediglich auf dem Buchrücken. Auf beiden Innendeckeln sieht man durch zwei Bogenfenster den nördlichen und den südlichen Teil des Kaiserreiches unter Heinrich VI. Dem Prolog von 1198 folgen 83 datierte und mit Ortsnamen versehene Kapitel, die sich auf 4 Bücher verteilen und einen Zeitraum von ca. 38 Jahren umfassen. Jedem Teil ist eine Abbildung aus dem „Liber ad honorem Augusti …“ – frei übersetzt: „Buch zu Ehren des Kaisers …“ – des Petrus von Eboli vorangestellt. Das Nachwort befasst sich noch einmal ausführlich mit diesem Werk und Konstanzes Leben und gibt einen kleinen Einblick in „fränkisches Ambiente“, die Geschichte der Burgen Neideck und Streitberg, deren Bewohner und Umgebung eine wichtige Rolle in der Erzählung spielen. Die Verse, in denen Dante in seiner „Göttlichen Komödie“ die Kaiserin Konstanze beschreibt, sowie ein Personenverzeichnis und ein Glossar beschließen das Buch.

Die Szene auf dem Schutzumschlag ist – bis auf das Zelt im Hintergrund - ebenfalls dem „Liber ..“ entnommen. Darüber steht der Name der Autorin, darunter der Titel. Die Buchränder sind mit rankenden Blumen eingefasst.


Fazit
Bisher war mir Konstanze von Sizilien in erster Linie als Mutter Kaiser Friedrichs II. bekannt. Dass sie eine kluge tatkräftige Herrscherin war, die den Frieden und die Freiheit ihrer Heimat bewahren wollte, hat mir „Das Buch der Königin“ nahegebracht. Wieder einmal ist Sabine Weigand ein sehr schöner Roman über eine der großen Frauengestalten des Mittelalters gelungen.


5 Sterne

Hinweise
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