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Spionin am Löwenhof – Straßburg 1349: Als eine der wenigen aus der jüdischen Gemeinde entkommt die junge Jaelle lebend einem Pest-Pogrom. In Männerkleidern rettet sie sich nach Würzburg, wo sie den Berater des Bischofs kennenlernt, den mächtigen Michael de Leone. Der findet Gefallen an dem jungen "Johan" und nimmt ihn in seine Dienste.
Rabbi Moshe, Haupt der jüdischen Gemeinde, wittert eine Chance. Mit Jaelle hätte er Augen und Ohren an den Entscheidungen des Bischofhofs. Er ahnt: Dort wird ein ungeheurer Komplott gegen die Juden geschmiedet. Widerstrebend lässt sich Jaelle auf den gefährlichen Auftrag ein, eigentlich hat sie anderes im Sinn. In Würzburg sollen ihre letzten Vewandten leben. Sie macht sich auf die Suche. Und deckt ein sorgsam gehütetes Geheimnis auf.
Ein bewegender Schicksalsroman über den Mord an den Würzburger Juden.

 

Die letzte Juedin von Wuerzburg 

Autor: Roman Rausch
Verlag: rororo
Erschienen: 2. Mai 2014
ISBN: 978-3449268038
Seitenzahl: 512 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Straßburg im 14. Jahrhundert. Die Pest geht um und die Juden werden dafür verantworlich gemacht. Gerade noch rechtzeitig entkommt die junge Jüdin Jaelle dem Pogrom, während ihr Vater und alle anderen Mitglieder ihrer Gemeinde den Tod finden. Sie flieht nach Würzburg, wo laut ihrem Vater noch Verwandte von ihnen leben sollen, die sie nun versucht ausfindig zu machen. Jaelle, die sich, zu Recht, Sorgen um ihre Sicherheit als Frau macht, verkleidet sich als Mann, nennt sich fortan Johan und trifft auf dem Weg nach Würzburg Michael de Leone, Berater des Bischofs, der Gefallen an ihr findet. Dieser bietet ihr bzw. Johan eine Stelle als Schreiber an. Von ihrem wahren Ich unter der Verkleidung weiß einzig Rabbi Moshe in Würzburg, bei dem sie Schutz findet und Rat auf der Suche nach der Verwandtschaft sucht. Bald wird klar, dass sowohl der Rabbi als auch de Leone in Jaelle den perfekten Spion sehen, um herauszufinden, was auf der jüdischen bzw. bischöflichen Seite zum Thema Juden besprochen wird. Da sie auf Hilfe angewiesen ist, nimmt Jaelle widerwillig beide Rollen an und arbeitet bald als Doppelagentin. Ihr Leben gerät dadurch zunehmend in Gefahr. Während der Hass auf die Juden immer weiter schwelt und einen Höhepunkt zu erreichen droht, kommt Jaelle einem sorgsam gehütetem Geheimnis immer näher ...

Roman Rausch hat sich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und kann seine Erzählung in einen glaubhaften historischen Kontext einbetten. So schafft er eine Geschichte in einer überzeugenden Verkleidung einer tatsächlichen Begebenheit. Teil seiner guten Umsetzung ist, dass er in der Lage ist, drei Protagonisten gelungen miteinander agieren zu lassen, was eine gelungene Atmosphäre schafft.


Stil und Sprache
Trotz seiner großen Seitenzahl, lässt sich das Buch sehr schnell lesen, da es verständlich und einfühlsam geschrieben ist. Die Wortwahl des Autors ist elegant und sehr niveauvoll. Er haucht den bloßen Fakten Leben ein. Die Geschichte um die Juden von Würzburg wurde gut recherchiert und lässt den Leser somit sehr emotional miterleben, wie grausam und ungerecht diese Zeit für Wenige tatsächlich war. Unterschwellig wird auch angedeutet, wie so etwas mitunter auch heutzutage noch passieren kann. Der Spannungsbogen bleibt stets hoch, da man mit den Figuren mitbangen kann und nicht weiß, ob sie die kommenden Ereignisse überleben werden. Somit gelingt es dem Autor durchaus Situationen zu kreieren, in denen einiges auf dem Spiel steht, was die Geschichte mitreißend macht. Auch wenn es mitunter den faden Beigeschmack eines Genrestereotyps hat, wenn sich eine Frau wieder einmal als Mann verkleidet, ist dieses, die Judenverfolgung, ein schwieriges Thema, welches sehr gut aufbereitet und in einer Art und Weise erzählt wurde, die den Leser packt. Mit der Lüftung des Geheimnisses durch Jaelle gibt es gegen Ende des Buches einen Höhepunkt, mit dem man nicht unbedingt gerechnet hat.


Figuren
Es gibt drei Hauptcharaktere, von denen jeder für sich eine schön gezeichnete Figur mit eigenen Motiven und Persönlichkeiten ist. Jaelle hat eine traurige Hintergrundgeschichte, der Rabbi ist verantwortlich für seine Gemeinde und der Führung selbiger in einer schwierigen Zeit und Michael de Leone scheint sich mitunter ein bisschen schwer zu tun, dem Bischof richtige Ratschläge zu erteilen und es ihm trotzdem recht zu machen.
Abgesehen davon, dass Jaelle dafür, dass sie ihre gesamte Familie und vertraute Umgebung verloren hat, dieses Ereignis erstaunlich und unrealistisch schnell und gut verarbeitet hat, ist ihre Motivation und ihre Handlungsweise als Charakter sehr gut nachvollziehbar. Sie möchte überleben, weshalb sie sich verkleidet. Sie sucht Rat und Schutz, weshalb sie für den Rabbi spioniert und für de Leone arbeitet. Der Leser findet Jaelle sympathisch und möchte, dass es ihr gut geht, leidet somit mit ihr mit. Ab und zu wäre ein tieferer Einblick in ihre Gedanken noch ein wenig hilfreicher für den Leser gewesen, aber meistens sind die drei Hauptfiguren schön gezeichnet und somit greifbar. De Leone, eine historische Person, deren Handlungen, aber nicht die dahinterstehenden Motive belegbar sind, wird als Charakter mit eben jenen Motiven gefüllt.

Die Nebenfiguren, auch wenn ihr Auftritt teilweise recht kurz ist, sind dreidimensionale Figuren, die auch charakteristisch korrekt und entsprechend ihrer Motivation handeln. Durch das Zusammenspiel aller Figuren wird eine Atmosphäre geschaffen, die den Leser in ihre Welt miteinbeziehen und dadurch die Situationen intensiv miterlebt werden können.


Aufmachung des Buches
Selten wurde ein Buch so liebevoll und aufwändig gestaltet wie dieses Taschenbuch. Dem mittelalterlichen Thema angepasst ist das Umschlagcover das Bild einer jüdischen Familie beim Passahmahl aus der Barcelona Haggadah, einer Sammlung jüdischer Erzählungen aus dem 14.Jahrhundert. Jeder einzelne Abschnitt und jedes Kapitel des Buches (Prolog, 32 Kapitel und Epilog) wurde besonders hervorgehoben durch die schwarzweiße Abbildung des Covers und eines mittelalterlichen Bildes zu ihrem jeweiligen Beginn. Zusätzlich finden sich im Buch über den Handlungsverlauf verteilt einige Seiten an Informationen zur jüdischen Geschichte in Deutschland. Was besonders gefällt, ist, dass diese Seiten intelligent ins Buch eingefügt wurden – sie stehen am Ende eines Kapitels und nicht mitten im Satz, wie es bisweilen in anderen Büchern der Fall ist. Somit bleiben diese Zusatzinformationen im Hintergrund und reißen nicht aus dem Lesefluss. Am Ende des Buches befinden sich Anmerkungen, einschließlich eigener Theorien zu den Motiven, des Autors zu historischen Personen, die in seiner Geschichte auftauchen.


Fazit
Ein Stückchen Geschichte greifbar und verständlich gemacht. Macht nachdenklich, unterhält und ist absolut zu empfehlen für Leser, die keine beschönigte Darstellung, sondern historisch korrekte Tatsachen in einer spannenden Geschichte wiederfinden wollen.


5 Sterne


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