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Was wenn du nicht weißt, ob du ein Mörder bist?

Siri verbringt einen Sommer in einem kleinen Küstendorf, in dem vor dreißig Jahren unter mysteriösen Umständen ein Kind ertrank. Die Bewohner des Dorfes reden nicht gerne darüber – genauso wenig wie über den Totengräber, der angeblich mit de Seelen der Verstorbenen spricht. Oder darüber, dass man sich gut mit ihm stellen sollte, wenn man die Toten nicht gegen sich aufhetzten will. Siri dringt tief in die dunklen Geheimnisse des Dorfes ein. Und stößt auf das Unfassbare...

Sie dachte an den Schatten auf dem Weg, einen Schatten, der näher gekommen war. Eine letzte, winzige Hoffnung. Oder hatte sie sich den Schatten nur eingebildet?
Auf dem Grund des Meeres lauerte ein großes, kaltes Ding und rief nach ihr. Manche Leute nannten es den Tod.

 

Friedhofskind 

Autor: Antonia Michaelis
Verlag: emons
Erschienen: März 2014
ISBN: 978-3-95451-286-7
Seitenzahl: 480 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
In einem alten Küstendorf taucht eines Tages die Kunsthandwerkerin Siri auf, um die Kirchenfenster nach den ursprünglichen Motiven neu zu gestalten und zu verglasen. Doch die Ankunft der jungen Frau wird nicht von allen Bewohnern gerne gesehen und viele würden sie gerne so schnell als möglich wieder loswerden. Vor allem, als sie sich mit dem Totengräber Lenz, dem Friedhofskind, anfreundet, der vom Frühling bis zum Herbst von seiner verstorbenen Kinderfreundin Iris besucht wird.

Die freundliche Siri entdeckt fast zu spät, wie gefährlich ihre Fragen nach den alten Fenstern in der Kirche sind, löst sie doch mit ihren Nachforschungen eine gefährliche Eigendynamik im Dorf aus. Denn tief unter dem Deckmantel des Schweigens und dem freundlichen Getue brodelt unter den alteingesessenen Dörflern ein explosiver Emotionskessel aus Bigotterie, Aberglauben, unbewiesenen Beschuldigungen und Vorurteilen, den schon ein einzelner Funke zum Explodieren bringen kann. Im Gegensatz zu Lenz bemerkt Siri nicht, dass genau sie dieser Funke ist, der die erstarrte Ruhe des Dorfes sprengen wird und damit ungeahnte Konsequenzen heraufbeschwört. 


Stil und Sprache
Das Buch ist in Aufbau und Umsetzung meiner Meinung nach keinesfalls ein Kriminalroman wie angekündigt, sondern definitiv ein Mysteryroman bzw. Mysterythriller. Die Geschichte ist in der dritten Person geschrieben und dreht sich hauptsächlich um Siri und Lenz und ein Geheimnis, das jede Person um die beiden Hauptpersonen herum in irgendeiner Weise bewahren will, obwohl kaum jemand die tatsächliche Wahrheit kennt.

Der teilweise fast lyrische Stil und die unkomplizierte Sprache der Autorin tragen fast ebenso viel zum Lesegenuss bei, wie die Geschichte selbst. Einige Rückblenden eröffnen dem Leser ein besseres Verständnis für die Ansichten und Aktionen der jeweiligen Personen. Auch die Reaktionen bei den „alteingesessenen“ Dorfbewohnern, die durch Siris Fragen im Dorf ausgelöst werden und die leise Liebesgeschichte, die sich langsam und leise zwischen den beiden Hauptpersonen entwickelt, werden gut dargestellt und glaubhaft beschrieben. Das geisterhafte Mädchen Iris wurde so eingefügt, dass sie viele Situationen einleitet, begleitet oder die Geschichte durch ihre Fragen und Antworten weiterbringt.

Sehr einfühlsam und gut nachvollziehbar wird Lenz‘ Persönlichkeit dargestellt, die immer wieder zwischen der eines erwachsenen Mannes und der eines Kindes, schwankt. Obwohl sich Siri sanft, schüchtern und zurückhaltend zeigt, bringt doch ihre Anwesenheit die Routine des Dorflebens durcheinander und sie lockt mit ihrer Gegenwart die unterschiedlichsten Reaktionen der Dorfbewohner hervor. Diese eigenartige Stimmung, die oft in einem Dorf herrscht, in dem überwiegend „Alteingesessene“ wohnen, hat die Autorin sehr gut erfasst. Die besondere Dynamik, mit der die einzelnen Figuren im Dorf interagieren, wird so stimmungsvoll in Szene gesetzt, dass bestimmt jeder, der in einem ähnlichen Dorf aufgewachsen ist, einzelne Charaktere widererkennen wird. Dadurch bleibt das Buch auch bis zum Schluss spannend.

Alle Bücherfreunde, die einen atmosphärischen Mysteryroman mit Thrillerelementen suchen, der sowohl durch lebendige szenische Beschreibungen als auch eine fast poetisch anmutende Sprache punktet, werden von diesem Werk begeistert sein.     


Figuren
Siri ist nett, freundlich und eine hervorragenden Künstlerin, die neugierig und interessiert auf ihre Mitmenschen zugeht. Sie ahnt nicht, was ihr Auftauchen im Endeffekt für eine Wirkung in der Dorfgemeinschaft zeigt und versucht Lenz, zu dem sie eine eigenartige Verbundenheit spürt, und dem seltsamen kleinen Mädchen, das immer wieder in ihrer Nähe auftaucht, näherzukommen.

Iris, das ertrunkene Mädchen, wird auch von Siri gesehen. Sie besucht Lenz Jahr für Jahr vom Frühjahr bis zum Herbst und bildet einen Fixpunkt im Leben des Totengräbers. Iris steht Siri näher als vermutet und beginnt im Lauf der Geschichte auch mit ihr zu sprechen.

Lenz fühlt sich einerseits als Junge, der Iris keinesfalls verlassen will, auf der anderen Seite zeigt er sich als nachdenklicher, ruhiger Mann, der in dem Dorf festsitzt, sich aber nicht sicher ist, ob er woanders (über)leben würde können. Seine „Kind/Erwachsener-Episoden“ gehen oft nahtlos ineinander über. Er wird von den Dorfbewohner als etwas minderbemittelt eingestuft und ist ihnen unheimlich. Als Lenz die vorurteilsfreie Siri trifft, beginnt er in ihrer Gegenwart "aufzutauen". Auch fallen ihm Kleinigkeiten auf, die ihn immer wieder an Iris erinnern. Dass er sich an einiges aus seiner Kinderzeit nicht mehr erinnern kann, wird für ihn zu einer Belastung, als Siri anfängt, Fragen zu stellen und auch er plötzlich das Bedürfnis verspürt, sich zu erinnern.

Die Hauptpersonen wurden gut charakterisiert und entwickeln sich im Lauf des Buches etwas weiter. Die Nebenpersonen wie der alte Fuhrmann, Kaminski, Frau Ammerland und all die anderen Dorfbewohner wurden ihrer Rolle gemäß eingeführt und beleben die Szenen sehr gut mit ihren einzigartigen „Dörflereigenarten“. Die Charaktere sind motiviert und mit durchaus nachvollziehbaren Gründen für ihr Handeln ausgestattet. Somit bleiben die Figuren aktiv und interessant.


Aufmachung des Buches
Das Klappenbroschurbuch ist mit 14 x 22,5 cm etwas größer als ein herkömmliches Taschenbuch. Besonders das Coverbild ist gut gewählt, deutet einen Teil der Geschichte an und gibt zusammen mit dem Rückseitentext einen guten Einblick in die Story und macht neugierig. Die 480 Seiten sind in 16 große Kapitel gegliedert, die ihrerseits in kleinere, durch drei Kreuze gekennzeichnete Abschnitte unterteilt wurden. Auf der Innenseite des ersten Blattes findet man eine kurze Vita der Autorin, es folgen eine Danksagung und ein Gedicht, bevor die Geschichte beginnt.


Fazit
“Friedhofskind“  ist ein empfehlenswerter, besonders sprachlich und inhaltlich sehr ansprechender Mysteryroman, der bestimmt für viele schöne Lesestunden sorgt. Wer allerdings einen knallharten Krimi oder einen fetzigen Thriller erwartet, könnte möglicherweise etwas enttäuscht sein. 


4 Sterne


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