England, 1907. Die Ankunft des ägyptischen Waisenmädchens Jane am Landsitz der adeligen Familie Goodall sorgt für Aufruhr unter Herrschaft wie Dienerschaft. Butler Maxwell Frost sieht sich gezwungen, das Mädchen als Küchenhilfe in die strenge Hierarchie der Angestellten zu integrieren, während der Earl of Derrington mit unangenehmen Erinnerungen an seine Militärzeit in Ägypten konfrontiert wird. Und es kündigen sich weitere Gäste an: Colonel Feltham, der mit dem Earl in Ägypten gekämpft hat, sowie der junge und reiche Erbe Ruben Sheppard lassen das Herz von Lady Derrington höher schlagen, denn ihre Töchter Claire und Penelope sind im heiratsfähigen Alter …
Autor: Sarah Stoffers |
Die Grundidee der Handlung
Nach dem Tod ihrer Eltern in Ägypten bekommt das junge Waisenmädchen Jane Swaine durch Vermittlung des Colonel Feltham im Haus des Earls of Derrington eine Stelle als Dienstmädchen. Unter den Bediensteten hat sie als exotische Fremde einen schweren Stand, wird von den übrigen schikaniert und sorgt für Unruhe auf Wainwood House. Ohne es zu ahnen, erhält Jane von unverhoffter Seite Unterstützung, denn ihr plötzliches Auftauchen und ihre geheimnisvolle Vergangenheit haben die Neugier von Lady Penelope, der jüngsten Tochter des Earls, geweckt. Auf mysteriöse Weise scheint Janes Schicksal mit alten Familiengeheimnissen verbunden zu sein, denen Penelope unbedingt auf die Spur kommen möchte.
Mit ihrem historischen Jugendroman hat Sarah Stoffers ein vielversprechendes Debüt vorgelegt. Rund um die spannende Geschichte von Jane vermittelt sie einen authentischen Einblick in das Alltagsleben von Adelsfamilie und Bediensteten in einem adligen, englischen Herrenhaus um 1900 und lässt den Leser in einen faszinierenden, präzise funktionierenden Mikrokosmos eintauchen.
Die Autorin schreibt derzeit an einer Fortsetzung ihres Debütromans, in deren Mittelpunkt weiterhin Wainwood House und viele bekannte Bewohner stehen werden.
Stil und Sprache
Sarah Stoffers versteht es, den historischen Charme der spannenden Zeitepoche des angehenden 20. Jahrhunderts einzufangen und den Alltag auf einem aristokratischen Herrenhaus lebendig und facettenreich zu beschreiben. Die gut recherchierten historischen Details sind glaubwürdig dargestellt und geschickt in die Handlung eingearbeitet. Seien es die Beschreibung des harten, eintönigen Arbeitslebens der Dienerschaft, der traditionellen Fuchsjagd oder die Schilderungen zum Hausball – die Szenen sind so stimmungsvoll und anschaulich beschrieben, dass der Leser dieses prächtige Herrenhaus mit seinen unzähligen Zimmern und Salons, dem Park und den umgebenden Ländereien unmittelbar vor Augen hat und sich in diese Zeit hineinversetzt fühlt.
Sehr einfallsreich hat die Autorin die Tragweite der sozialen Unterschiede, die ungeschriebenen Gesetze und Werte jener Epoche herausgearbeitet und anschaulich in Szene gesetzt. So vermittelt sie auch jüngeren Lesern interessante Einblicke in die Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts und das damalige Frauenbild.
Die häufigen Perspektivenwechsel zwischen den verschiedenen Erzählsträngen lassen enorm Spannung aufkommen. Immer tiefer wird der Leser in die Geschichte um das dunkle Familiengeheimnis und fesselnde Schicksal Janes hineingezogen. Die Autorin hat ein geschickt verwobenes, kaum durchschaubares Geflecht angelegt, das sich allmählich zu einem wahren Krimi entwickelt. Durch eingestreute Hinweise fiebert der Leser der Aufklärung der mysteriösen Geschehnisse auf Wainwood House entgegen, wobei für meinen Geschmack einige Verwicklungen ein wenig zu abenteuerlich geraten sind. Das mit Janes Vergangenheit verknüpfte, titelgebende Geheimnis bleibt dem Leser bis zum packenden Finale verborgen. Die überraschende Auflösung ist in sich stimmig, wirkt allerdings etwas konstruiert.
Sarah Stoffers wundervoll mitreißender Schreibstil liest sich sehr angenehm, so dass kaum Längen aufkommen, und erscheint der damaligen Zeit angemessen.
Figuren
Im Mittelpunkt der Handlung steht neben der mittellosen, 16jährigen Jane, der es anfangs sehr schwer fällt, sich in eine ihr völlig fremde Welt und den harten Arbeitsalltag der Dienerschaft einzufügen, vor allem die jüngere Tochter des Earls of Derrington Penelope, von allen Penny genannt. Sie ist eine äußerst sympathische Figur, die der Leser schnell in sein Herz schließt. Mit ihrer aufmüpfigen, unkonventionellen Art und ihrer heimlichen Leidenschaft für verbotene Bücher aus der elterlichen Bibliothek bringt sie Schwung in den auf Etikette und Ordnung bedachten Haushalt und erregt immer wieder den Unmut ihrer strengen Eltern. Einen Verbündeten hat sie in ihrem älteren Ziehbruder Julian, der sie bei ihren Eskapaden unterstützt und auch eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt. Das genaue Gegenteil von Penny ist ihre ältere, wohlgesittete Schwester Claire, deren höchstes Ziel die baldige Vermählung mit einem geeigneten Ehemann darstellt.
Obwohl Sarah Stoffers viele verschiedene Charaktere in ihre Geschichte einführt, verliert der Leser niemals den Überblick über die handelnden Figuren. Sehr vielschichtig und mit viel Liebe zum Detail zeichnet die Autorin ihre Hauptfiguren und verleiht ihnen so große Lebendigkeit und Authentizität.
Auch bei den Nebenfiguren gelingt es ihr hervorragend, sie abhängig von ihrer Bedeutung unterschiedlich fein zu zeichnen und ihre wesentlichen Züge herauszuarbeiten. Ihre Motive und ihr Verhalten sind stets nachvollziehbar, auch wenn einige durch ihr unerwartetes Handeln für Überraschung sorgen. Äußerst liebevoll, treffend und zuweilen amüsant schildert die Autorin das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Diener- und Lordschaft, aber auch das nicht immer konfliktfreie Verhältnis untereinander.
Aufmachung des Buches
Das ansprechende Bild auf dem Schutzumschlag des gebundenen Buchs passt sehr gut zur Geschichte und lädt den Leser auf einen Besuch nach Wainwood House ein. Es zeigt den Blick auf eine gepflegte, mit Buchsbäumen gesäumte Zufahrt zu einem prachtvollen englischen Herrenhaus. Hinter einem der halb geöffneten schmiedeeisernen Torflügel ist eine junge Frau in einem schönen weißen, langen Kleid zu erkennen.
Eine Aufstellung der handelnden Figuren ist dem in 13 Kapitel unterteilten Roman vorangestellt und eine kurze Danksagung der Autorin findet sich am Ende des Buchs.
Fazit
Ein rundum gelungener, historischer Jugendroman, der nicht nur jugendlichen Lesern ein höchst spannendes und unterhaltsames Leseabenteuer beschert. Eine schöne Geschichte mit liebevollen, gut recherchierten Details, die uns in das historische Flair des Lebens auf einem englischen Herrenhaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts eintauchen lässt. Für alle Fans von Downtown Abbey genau der richtige Lesestoff!
Hinweise
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