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Eine Komponistin im Schatten ihres berühmten Bruders. Peter Härtling beschreibt Fannys Leben. Er erzählt vom Aufbruch in die beglückende Welt der Musik. Und von einer deutschen Familie im 19. Jahrhundert, die einen Angelpunkt des gesellschaftlichen Lebens darstellte.

 Liebste Fenchel 

Autor: Peter Härtling
Verlag: DTV
Erschienen: 1.3.2013
ISBN: 978-3423141956
Seitenzahl: 375 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
In seiner einfühlsamen, hervorragend recherchierten Romanbiographie zeichnet Peter Härtling das wechselvolle Leben der talentierten Komponistin Fanny Hensel-Mendelssohn nach. Trotz ihrer großen musikalischen Begabung stand sie zeitlebens im Schatten ihres vier Jahre jüngeren Bruders Felix Mendelssohn-Bartholdy, dem gefeierten Wunderkind. Unzufrieden mit der ihr zugedachten Rolle als Hausfrau und Mutter gelang es ihr durch Beharrlichkeit und Förderung ihres Ehemanns schließlich, Anerkennung als bedeutende Musikerin und Komponistin der Romantik zu finden.

Auf seine unnachahmliche Weise ist dem Autor eine abwechslungsreiche, lebendige Mischung aus historisch belegten Fakten und erfundenen Episoden gelungen. Peter Härtling lässt den Leser teilhaben am bewegten, großbürgerlichen Familienleben der traditionsreichen jüdischen und zum Christentum konvertierten Großfamilie, die stets den Künsten zugewandt war und Kontakt mit bedeutenden Persönlichkeiten pflegte. Zugleich entwirft er ein äußerst aufschlussreiches Gesellschaftsportrait des 19. Jahrhunderts.

Stil und Sprache
Ausgesprochen einfühlsam und empathisch schildert Härtling in seinem besonderen, unverwechselbaren Schreibstil Fannys Leben. Ihm gelingt es mit wenigen Worten, Stimmungen zu vermitteln und Situationen anzudeuten. Mit seiner feinen, nuancierten und bildhaften Sprache und einer faszinierenden Leichtigkeit zieht er den Leser auf magische Weise in die Erzählung.

Dem Autoren ist es exzellent gelungen, sich in die vielschichtige Persönlichkeit der Protagonistin, ihr Leben und das ihres gesamten Umfelds hinein zu fühlen. Dadurch erscheinen die erfundenen Episoden derart authentisch und glaubwürdig, als hätten sie sich tatsächlich so zugetragen. Als Leser fühlt man sich bisweilen wie ein Besucher des Hauses Mendelssohn inmitten der turbulenten Geschehnisse. Härtling hat für sein Buch hervorragend recherchiert und die ihm zur Verfügung stehende Originalliteratur in Form von Fannys Tagebüchern und Schriftwechseln sehr eingehend studiert. Nur so konnte es ihm gelingen, ein derart stimmiges, faszinierendes Bild von Fanny zu zeichnen, das eine geniale Symbiose aus historisch dokumentierten Begebenheiten und stimmungsvoller Dichtung darstellt. In kürzeren Einschüben lässt Härtling den Leser Anteil an seiner persönlichen Sicht und Einschätzung haben. Durch die unerwarteten Perspektivwechsel bringt er sich ins Geschehen mit ein, schafft Distanz und sorgt mit seinen Kommentierungen für etwas Abwechslung in der ansonsten chronologischen Schilderung von Fannys Vita.


Figuren
Härtlings Romanbiographie lebt von den sehr realistisch und sensibel dargestellten, vielschichtigen Charakteren. Man erhält einen interessanten und sehr detaillierten Einblick in den außergewöhnlichen Alltag der weltoffenen, großbürgerlichen Großfamilie Mendelssohn zu Beginn des 19. Jahrhunderts, die großen Wert auf die vielseitige Bildung sowie die musische Ausbildung und musikalische Entwicklung ihrer hochbegabten Kinder legte. Während die beiden Geschwister anfangs noch gemeinsam musizieren und komponieren, wird Fanny bald von ihrem Vater Abraham belehrt, dass es sich für eine zukünftige Hausfrau und Mutter nicht gehöre, mit Kunst an die Öffentlichkeit zu treten. So wird das Talent ihres Bruders Felix weiter gefördert, wohingegen von der nicht minder begabten Fanny erwartet wird, sich klaglos in das damalige Frauenbild zu fügen und hinter ihrem berühmten Bruder zurück zu stecken.
In verschiedenen Episoden schildert der Autor, wie es Fanny hartnäckig und einfallsreich gelingt, allmählich aus Felix Schatten zu treten, sich mit ihren bekannten Sonntagskonzerten einen Namen zu machen und schließlich doch ihren Weg als Musikerin und Komponistin zu beschreiten. Sehr gekonnt lässt Härtling den Leser an Fannys bewegten Lebensweg an der Seite ihres Ehemanns Wilhelm Hensel, ihren persönlichen Höhepunkten und familiären Schicksalsschlägen Anteil nehmen und beleuchtet auch das zeitlebens besonders innige, wechselvolle Verhältnis der beiden Geschwister zueinander. Bisweilen erscheint es allerdings fraglich, ob Fanny stets so selbstlos und frei von Neid ihrem berühmten Bruder begegnet ist, wie es von Härtling geschildert wird.

Insgesamt ist es dem Autor hervorragend gelungen, ein sehr umfassendes, glaubwürdiges Bild von Fannys bewundernswert intelligenter, fürsorglicher und zugleich selbstbewusster Persönlichkeit zu vermitteln, in deren Leben die Musik stets einen hohen Stellenwert hatte.

Aufmachung des Buches
Das schlichte Cover des Taschenbuchs zeigt in der unteren Hälfte einen Ausschnitt aus einem handkolorierten Stich von Fanny Hensel-Mendelssohn, der nach einem Portrait ihres Ehemanns und Malers Wilhelm Hensel im Jahre 1881 angefertigt wurde. Sehr charakteristisch ist ihr Aussehen allerdings durch die Kolorierung nicht widergegeben, denn sie war nicht blond und blauäugig, sondern dunkelhaarig mit tiefgründigen, schwarzen Augen.
Ähnlich einer Sammlung von Musikstücken hat Härtling seinen in insgesamt 48 Kapitel unterteilten Roman als lockere Abfolge von Etüden und kurzen Intermezzi angelegt, in denen er Fannys bewegende Lebensgeschichte etappenweise nachzeichnet.

Wer sich noch eingehender mit Leben und Werk dieser außergewöhnlichen Frau beschäftigen möchte, findet im Anhang ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie eine Auflistung ausgewählter CDs mit Werken von Fanny Hensel-Mendelssohn.


Fazit
Eine äußerst ansprechende Romanbiographie über das wechselvolle Leben der talentierten Komponistin Fanny Hensel-Mendelssohn, das sehr einfühlsam und abwechslungsreich portraitiert und hervorragend recherchiert ist. Ein sehr lesenswertes Buch für alle, die sich für die faszinierende Musikerin und Komponistin der Romantik interessieren, die zeitlebens im Schatten ihres berühmten Bruders Felix Mendelssohn-Bartholdy stand.

4 5 Sterne


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