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Kategorie: Romane

Keith Stapperpfennig kommt aus einer einzigartigen Familie. Von der Mutter weiß er wenig, vom Vater gar nichts. Zusammen mit vier vermeintlichen Geschwistern wuchs er beim Großvater auf - mit immer neuen, immer jüngeren Großmüttern. In eine von ihnen hat Keith sich selbst verliebt. Zum Achtzigsten schenken die Enkel ihrem Großvater eine gemeinsame Reise an ein Ziel seiner Wahl. Als er sich China wünscht, will keiner ihn begleiten - am Ende bleibt es an Keith hängen. Der lehnt sich zum ersten Mal im Leben auf, verjubelt das Reisegeld und lässt den Großvater alleine ziehen.
Doch dann bekommt Keith von der jüngsten Großmutter einen Anruf, sein Opa sei im Westerwald gestorben. Er muss eine Geschichte aus dem Hut zaubern, die den Geschwistern glaubhaft macht, die Reise habe stattgefunden - und erfindet sein eigenes China. Doch je weiter sich Keith in seine Lügen verstrickt, desto deutlicher wird, dass er nicht als Einziger die Unwahrheit sagt.

Tilman Rammstedt ist ein überwältigender Roman gelungen, so sprühend, rasant und urkomisch, dass man sich mit dem größten Vergnügen belügen lässt.

 

  Autor: Tilmann Ramstedt
Verlag: DUMONT Literatur und Kunst Verlag
Erschienen: 16.10.2008
ISBN: 978-3-832-18074-4
Seitenzahl: 192 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Der Roman erzählt die Geschichte von Keith, einem jungen Mann, der der Liebling seines Opas ist. Eigentlich sollte er eine Reise mit seinem Opa nach China machen. Diese fällt aber ins Wasser, da Keith mit seiner letzten Großmutter und gleichzeitig derzeitigen Geliebten das Reisegeld im Casino verspielt. So reist der Großvater alleine los. Zu Beginn der Geschichte erfährt der Leser daher, dass Keith einen Anruf aus dem Westerwald bekommt, dass sein Opa dort tot aufgefunden wurde. Wie der Opa nun aber gestorben ist, wird auch bis zum Ende nicht klar.
Da Keith seinen Geschwistern nicht erzählen will, dass sie nicht nach China gefahren sind, versteckt er sich mehrere Tage in seinem Gartenhaus und geht auch nicht ans Telefon. Um allerdings sein Alibi aufrecht zu erhalten, schreibt er regelmäßig in Briefen „aus China“ seiner Familie, was sie auf der Reise alles erleben. Daraus entspinnt er eine ganz besondere Geschichte über seinen Großvater und dessen „wahres“ Ich.


Stil und Sprache
Der besondere Aufbau des Buches, eine Geschichte innerhalb einer Rahmenhandlung durch Briefe erzählt, macht dieses Buch ganz interessant, denn der Leser muss erst mal herausfinden, welche die Wahre ist. Auch schmunzeln musste ich an einigen Stellen kurz, jedoch nicht so sehr, wie erhofft. Diese Geschichte innerhalb der Briefe ist mir zu skurril und überzogen, denn dort ist die Protagonistin eine extrem dicke Frau, die wirklich unästhetisch beschrieben und über die sich in gewisser Weise auch lustig gemacht wird. Ansonsten ist es eine gute Idee, denn so wird versucht, den im richtigen Leben doch eher ruppigen Großvater von seiner weichen Seite zu zeigen.

Das wirklich markante an diesem Buch ist der ständige Wechsel zwischen Briefen und Realität, durch die der Leser sehr konzentriert sein muss und aufpassen sollte, dass er nicht den Überblick verliert, was erfunden ist und was nicht. Dies gibt dem Buch allerdings sein Einzigartiges. Gelesen hat sich das Buch sehr flüssig und einfach, ist streckenweise jedoch leider etwas langweilig durch lange, eher unwichtige Beschreibungen der Orte.


Figuren
Die Figur des Großvaters ist sehr lebendig beschrieben worden mit all seinen Facetten. Allerdings ist er so skurril, dass man sich eher weniger in ihn hineinversetzen kann und sich mit seinen Aktionen identifizieren könnte.
Dem Ich-Erzähler Keith fehlt meiner Meinung nach allerdings die Tiefe. Zwar bekommt man streckenweise mit, dass er ein Verhältnis mit der Ex-Freundin seines Opas hat, was ihn nun aber persönlich auszeichnet, kommt nicht heraus. Auch ist er in seinen Handlungen sehr zwiespältig und sprunghaft, so dass ich mich nicht in ihn hineinversetzen konnte.
Die erfundenen Figuren in den Briefen dagegen werden sehr lebhaft und detailliert beschrieben, so dass man sie sich bildlich vorstellen kann. Das war wohl auch die Intention von Keith, so dass sich seine Familie diese Personen gut vorstellen kann.


Aufmachung des Buches
Bei „Der Kaiser von China“ handelt es sich um ein gebundenes, kleines, sehr handliches Büchlein. Der Preis ist jedoch für die geringe Seitenanzahl zu hoch.
Durch das leuchtende grün und die lebendige Gestaltung mit typisch chinesischen Elementen wie Reisschüssel oder chinesischem Gebäude fällt es dem Leser gleich ins Auge und wirkt sehr ansprechend.


Fazit
Auf den ersten Blick würde ich es als ein sehr kurzweiliges Buch bezeichnen, welches zwar teilweise humoristische und gefühlvolle Züge aufweist, aber streckenweise den Leser langweilt. Und das ist bei einem so dünnen Büchlein schon eine Kunst. Bei näherer Betrachtung weist es allerdings Merkmale auf, über die man länger nachdenken kann: Was ist in unserer Welt die Wahrheit und wie viel ist gelogen? Was hat ein Mensch erlebt, um so ruppig und kantig zu werden wie der Großvater?
Nach genauer Überlegung kann man das Buch durchaus empfehlen. Man sollte allerdings nicht mit der Hoffnung, ein humoristisches Buch zu lesen, ran gehen.


3 Sterne


Hinweise
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