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Schwein Gehabt!
Haben Sie schon mal ein ermittelndes Trüffelschwein getroffen? Nein? Dann sollten sie unbedingt Leonardo kennenlernen. Das Trüffelschwein mit der begnadeten Spürnase, und sein Besitzer Gobetti sind ein Herz und eine Seele. Abends machen sie es sich gemütlich, trinken ein Gläschen Wein und sinnieren, jeder für sich, über das Leben. Doch dann wird Gobetti ermordet, und Leonardo begibt sich mit scharfem Spürsinn auf die Spur des Mörders.

 

  Autor: Wolfgang Zdral
Verlag: Heyne
Erschienen: 03/2009
ISBN: 978-3-453-43344-1
Seitenzahl: 349 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Schwein. Also nicht charakterlich, sondern in Wirklichkeit. Versuchen Sie sich daran zu gewöhnen, denn das ist die Perspektive, aus der Wolfgang Zdral seinen Schweinekrimi erzählt. Leonardo ist ein Piemontesisches Trüffelschwein, das auf eine lange Tradition als Trifolai in seiner Familie zurückblicken kann. Mit Matteo Gobetti hatte er bis zu dessen plötzlichen Tod ein zufriedenes Leben als Trüffelschwein geführt. Durch außerordentliche Funde konnte Matteo einiges an Geld und Leonardo entsprechendes Ansehen unter Seinesgleichen erwerben. Doch der unerwartete Tod seines Patrone brachte die Welt des Schweins von einer Sekunde auf die nächste völlig durcheinander. Als er am Tatort eintrifft, riecht er gleich, dass irgendetwas nicht stimmt. Alles sieht für den ermittelnden Commissario nach einem Unfall aus. Doch genauso unsympathisch Commissario Grifone für Leonardo ist – er stinkt nach Moschus-Parfüm – ist für Leonardo auch der Umstand des Unfalls. Matteo würde nie so unvorsichtig sein, würde nie ohne Stock und Taschenlampe in der Nacht das Haus verlassen. Für Leonardo ist es klar, es war Mord. Sollen doch die dummen Menschen weiter im Dunkeln stochern, er würde selbst den Mörder finden. Gemeinsam mit Cleopatra, seiner Freundin, einem weiblichen Trüffelschwein, Hannibal und Diogenes, zwei Wildschweinen aus dem nahen Wald, und Caruso, seinem Lehrling in Sachen Trüffelsuche, macht er sich auf die gefährliche Suche nach dem Mörder und dessen Motiv. Die Verstrickungen werden immer unübersichtlicher: Was hat Paolo, Matteos Sohn, zu verbergen? Was spielt die Trüffelhändlerin Rebecca Monte für eine Rolle? Auch die Scarazzos, Nachbarn des Hofs und nicht gerade gut Freund mit der Familie Gobetti, sind der Gruppe nicht Geheuer. Aber auch Maria, die Haushälterin, verhält sich plötzlich seltsam. Doch auf einmal überschlagen sich die Ereignisse, Paolo dreht durch und greift Leonardo an, nach dem der seine Padrona Eleonora, Paolos Frau, vor dem Betrunkenen beschützen wollte. Bei dem Gerangel in der Gerätehalle kommt Paolo nach einem Sturz zu Tode. Als auch noch Maria Tod bei der Kellertreppe gefunden wird, scheint alles aus den Fugen zu geraten. Die Schweine jagen dem Geheimnis um die Familie Gobetti hinterher und versuchen am Ende dem Mörder eine Falle zu stellen. Doch wer wird ihr Fang sein?


Stil und Sprache
Noch nie habe ich einen Krimi gelesen, der aus einer anderen Perspektive als der eines Menschen geschrieben wurde. Ich war zwar etwas skeptisch, ob die Geschichte nicht doch zu kitschig sein könnte, war aber ebenso neugierig auf die Umsetzung. Und die ist Wolfgang Zdral perfekt gelungen. Er lässt Leonardo die Geschichte aus seiner Sicht erzählen. Der Leser erfährt auch nur die Dinge, die die Schweine entdecken und aufdecken. So bleibt die Spannung über das gesamte Buch erhalten und wird am Ende sogar noch gesteigert, als durch das Unvermögen der Menschen die Schweine beschließen, die Gerechtigkeit in die Hand zu nehmen. Er schafft es, die Eindrücke, Gefühle und Erlebnisse Leonardos so genau und detailreich zu beschreiben, dass der Leser sich selbst als Schwein fühlt. Mann denkt, man ist Teil der Geschichte. Man riecht die vielfältigen Düfte, auf die die filigranen Nasen der Trüffelschweine reagieren. Die Orte, die Personen, denen die Schweine begegnen, alles wird mit sehr viel Liebe zum Detail beschrieben und ausgemahlt. Durch die Sichtweise der Schweine – bei der die Menschen nicht gerade gut abschneiden – bekommt der Krimi neben einer gut verlaufenden Spannung noch eine sehr gute Portion Humor. Und am Ende sieht der Leser die Schweine bestimmt aus einer anderen Sicht.


Figuren
Sowohl die verschiedenen Schweine-Charaktere als auch die menschlichen Protagonisten sind allesamt sehr gut ausgearbeitet. Alle erscheinen rund und stimmig. Es gibt die Geheimnisvollen, die Lieben aber Ahnungslosen und die brutalen gewissenlosen Bösewichter. Also bis auf die Sichtweise ein klassischer Krimi à là Agatha Christie oder anderer Krimi-Größen. Durch seine detailreichen Beschreibungen der einzelnen Figuren erscheinen diese mit Leichtigkeit in der Fantasie und dies so gut, dass man sie nicht nur sehen, sondern auch riechen kann.

Leonardo, das wohl ungewöhnlichste Trüffelschwein der Welt, ist dem kulinarischen und dem philosophischen Genuss sehr angetan. Mit seinem Padrone Matteo hat er gerne und viel gegessen aber auch getrunken und das nicht nur Wasser. Durch seinen perfekten Geruchssinn ist er ein wahrer Genießer bei allem was schmeckt und duftet. Vor allem der Geruch von Eleonora raubt ihm die Sinne, er scheint überirdisch zu sein, besser als der Duft der Trüffel. Mit seinem Lehrling in Sachen Trüffelsuche, Caruso, teilt er auch die Liebe seines Herrn zu den Opern und Liedern Vivalds. Er ist ein Meister mit seiner Nase und schafft es so, den Geheimnissen um den Mord und die Familie Gobetti auf die Spur zu kommen.
Caruso ist noch Jung und ein richtiger Heißsporn. Er bringt dadurch Leonardo immer wieder in Schwierigkeiten, kann aber durch sein Wissen über die Verdi-Texte viel zur Lösung der Rätsel um die Morde beitragen.
Hannibal und Diogenes sind zwei philosophierende Wildschweine, die - wenn es darauf ankommt - zur Stelle sind und ihren Freunden tatkräftig zur Seite stehen.
Cleopatra, die Freundin von Leonardo, ist adliger Abstammung und unter den Fünfen diejenige, die immer einen klaren Kopf behält. Mann könnte sagen Leonardo und Cleopatra sind ein Paar, auf jeden Fall gehören sie aber zusammen.

Und dann sind da noch die Menschen, die diesmal nicht die Hauptrolle spielen. Paolo, der Taugenichts, der nur irrsinnige Ideen im Kopf hat und sich deshalb mit seinem Vater Matteo und auch seiner Frau Eleonora streitet. Der selbstsichere und eingebildete Commissario Grifone, der eine panische Angst vor Schweinen hat und lieber um die Zuneigung der schönen Eleonora buhlt, als den Fall zu lösen. Die Scarazzo-Brüder und deren Vater, die auf dem Nachbarhof leben und durch irgendwelche Geschichten aus der Vergangenheit in der Nachbarschaft nicht gerade beliebt sind. Und nicht zuletzt die Delvecchios, die durch den Anbau der Nebiolo-Traube, aus der der Barolo gekeltert wird, zu beträchtlichem Reichtum und Einfluss gekommen sind und sich um die Ländereien der Gobettis bemühen. Auch die Trüffelhändlerin Rebecca Monte scheint eine wichtige Rolle zu spielen, hatte sie doch ein besonderes Verhältnis zu Matteo, Leonardos Padrone.

Zdral hat ein buntes Sammelsurium an Figuren erschaffen und perfekt in die Geschichte um den Mord eingebunden. Keiner der Charaktere darf fehlen.


Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch aus dem Heyne-Verlag ist in Terrakotta-Rot gehalten und zeigt auf dem Cover ein Schwein (vielleicht Leonardo) hinter einer Lupe und einem großen Schatten, über dem der Titel prangt. Eine schöne Einstimmung auf das, was den Leser erwartet.
Jedes der 35 Kapitel wird mit einer Skizze eines Schweins eingeleitet. Am Ende befindet sich noch eine Skizze des Piemonts, der Region, in der der Kriminalfall spielt.


Fazit
Wer Kriminalgeschichten à là Agatha Christie oder Georges Simenon geballt mit einer großen Portion Humor mag, ist hier genau richtig. Doch Vorsicht, „Tartufo“ macht süchtig.


5 Sterne


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