In seinem jüngsten Roman stürzt Carlos Ruiz Zafón den Leser erneut in ein großes Abenteuer in Barcelona, das geheimnisvolle Herz seiner Bücher. Mit unglaublicher Sogkraft und Humor schildert er die Geschichte von Fermín, der „von den Toten auferstanden ist und den Schlüssel zur Zukunft hat“. Fermíns Lebensgeschichte gehört in denselben erzählenden Kosmos wie „Der Schatten des Windes“ und „Das Spiel des Engels“ und steht doch für sich. „Der Gefangene des Himmels“ ist ein Meisterwerk, das die Leser rund um die Welt in seinen Bann zieht.
Originaltitel: El Prisionero del Cielo |
Die Grundidee der Handlung
Zehntausende Bücher lassen Jahr um Jahr in der traditionsreichen Buchhandlung Sempere & Söhne an sich vorbeiziehen. Gute, wie auch schlechte Zeiten. Eines der besonderen Exemplare, verschlossen in einer Vitrine aus Ebenholz, findet Weihnachten 1957 einen neuen Besitzer. Eine finstere, unheimliche Gestalt mit furchterregendem Blick und einer Aura, die kleinste Härchen im Nacken zu Berge stehen lässt, erwirbt Alexandre Dumas‘ „Der Graf von Monte Christo“ zu einer horrenden Summe und widmet den Titel Fermín Romero de Torres. Der Mann, der offiziell 1940 im Gefängnis des Kastells von Montjuïc in Zelle 13 starb, wird just von seiner Vergangenheit eingeholt. Echos der kargen Festung zwischen Meer, Schatten der Stadt und Gestank der Toten werden laut. Erinnerungen an Brutalität und Willkür erwachen. Und an David Martín, den Gefangenen des Himmels, dem er sein Leben verdankt …
In stetem Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit fügen sich Puzzleteilchen aus dem Kosmos des Friedhofs der Vergessenen Bücher aneinander. Die Geschichte gestaltet sich bewegend und spannend bis zum Schluss.
Stil und Sprache
Nach Carlos Ruiz Zafóns weltweiten Erfolgen „Der Schatten des Windes“ und „Das Spiel des Engels“ sind die Erwartungen an den dritten Band rund um den Friedhof der Vergessenen Bücher groß. „Der Gefangene des Himmels“ führt die Leser ein weiteres Mal in die Vergangenheit Barcelonas, der Heimatstadt des Autors. Die Geschichte ist aufgeteilt in fünf Abschnitte mit zusammen einundsiebzig Kapiteln zuzüglich Epilog. Erzählt wird in erster Person aus Sicht Daniel Semperes sowie in dritter Person aus der Perspektive von Fermín Romero de Torres.
Beleuchtet werden die Zeiträume um 1939 bis 1941 und 1957 bis 1960. Die Ereignisse knüpfen an bereits Geschehenes an, greifen Handlungsstränge der anderen Bücher erneut auf, führen bekannte Figuren zueinander und liefern manche Erklärungen. Zafón ist für seine Magie in Wort und Wirkung bekannt. So entwickeln sich auch in diesem Roman unversehens eine intensive Atmosphäre und das authentische Flair der Schauplätze. Ein wenig vermisst man die schaurige Komponente, an dieser Stelle bleibt vorhandenes Potenzial ungenutzt. Doch das machen die formidable Erzählkunst im Allgemeinen und der spezielle Humor um den Helden Firmín im Besonderen wieder wett. Wie im Vorwort erwähnt, steht jedes Buch der Tetralogie für sich und kann losgelöst von allen anderen genossen werden. Das große Ganze, die allumfassende Idee des Zyklus‘, erschließt sich jedoch erst vollständig, wenn die Romane in richtiger Reihenfolge zusammenhängend gelesen werden. Das abschließende Finale lässt noch ein wenig auf sich warten …
Figuren
Der Leser trifft in diesem Roman auf allerlei bekannte Gesichter. Im Fokus der Handlung stehen allerdings Fermín Romero de Torres und an dessen Seite sein geschätzter Freund Daniel Sempere. Fermín ist ein von Grund auf gutherziger Mensch. Im Buch wird er bisweilen als eigenes, geheimnisumwobenes Männeken dargestellt, das mit allen Wassern gewaschen ist. Und in der Tat hat er einiges erlebt! Prägend war vor allem seine Anwesenheit im Gefängnis von Montjuïc. In seinen Erinnerungen an jene Zeit spiegelt sich ebenfalls wieder, wie es um David Martín steht, der Hauptfigur aus dem zweiten Band der vierteiligen Geschichte, die scheinbar dem Wahnsinn verfallen ist. Ihm hat Fermín schlussendlich seine Freiheit zu verdanken, ebenso wie er ihm einst das Versprechen gab, sich um Isabella und deren Sohn, also keinen geringeren als Daniel Sempere, an seiner statt zu kümmern. Aus Fermíns Erzählungen erfahren Daniel und die Leserschaft, was es mit dem unheimlichen Kunden des Buchladens auf sich hat, gewinnen einen nachdrücklichen Eindruck von Maurizio Valls, einst ein Möchtegern und Emporkömmling, später ein bewundertes Mitglied im Kreise der Reichen und Mächtigen in Literatur und Politik, und kommen dem Tode Isabellas auf die Spur.
Figuren, Handlungen und Denkweisen wecken Sympathien, genauso wie Antipathien. Findet ein Sebastian Sagaldo ein eher tragisches Ende, bleibt Hoffnung bestehen, dass es David Martín nicht dahingerafft hat, wie man bis dato annehmen muss.
Aufmachung des Buches
Carlos Ruiz Zafóns „Der Gefangene des Himmels“ erscheint als Hardcover im S. Fischer Verlag. Der himmelblaue Einband ist von einem Schutzumschlag umgeben, dessen Motiv ausgezeichnet in die damalige Zeit passt und ganz nebenbei auch noch an eine Szene aus dem Inhalt des Romans erinnert. Farblich ist das Cover dezent in Schwarz-/Weiß-Optik gehalten. Autorenname und Titel fügen sich in gedämpften Grüntönen wunderbar ein. Vor- und Nachsatzpapiere zeigen einen Ausschnitt aus der Stadtkarte Barcelonas. Rückseite und Innenklappen informieren über Buchinhalt, Autor und Übersetzer. Im Anhang finden sich allerlei Pressezitate über Zafón und seine Werke. Ein praktisches Lesebändchen rundet den guten Gesamteindruck ab.
Fazit
„Der Gefangene des Himmels“ kann nicht vollends die Erwartungen an Carlos Ruiz Zafóns Gesamtkonzept um den Friedhof der Vergessenen Bücher und die Darstellung seiner Heimatstadt Barcelona erfüllen. Im Reigen um Liebe und Leid, Leben und Tod, Gegenwart und Vergangenheit, ist die Geschichte um Sympathieträger Fermín Romero de Torres dennoch bravouröse Unterhaltung mit interessanten Charakteren und ausgeklügelten Zusammenhängen.
Hinweise
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Backlist:
Band 1: Der Schatten des Windes
Band 2: Das Spiel des Engels