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Kategorie: Romane

Nach dem Tod seiner Frau ist Sheldon Horowitz mit 82 Jahren zu seiner Enkelin nach Oslo gezogen. In ein fremdes Land ohne Juden. Viel Zeit, um über die Vergangenheit nachzudenken. All die Erinnerungen. All die Toten.
Eines Tages hört Sheldon aus dem Treppenhaus Krach: Er öffnet die Tür, und in seiner Wohnung steht eine Frau mit einem kleinen Jungen. Kurze Zeit später ist die Tür aufgebrochen, die Frau tot und Sheldon mit dem Kind auf der Flucht den Oslofjord hinauf.
Was wollen die Verfolger von dem Jungen? Sheldon weiß es nicht. Aber er weiß: Sie werden ihn nicht kriegen.

 

Ein seltsamer Ort zum Sterben 

Originaltitel: Norwegian by Night
Autor: Derek B. Miller
Übersetzer: Olaf Roth
Verlag: rowohlt Polaris
Erschienen: 06/2013
ISBN: 978-3499230868
Seitenzahl: 400 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Sheldon Horowitz ist Jude. Aber in erster Linie ist er Amerikaner und als solcher fühlt er sich nach dem Tod seiner Frau in seiner neuen Heimat Oslo fremd. Seine Tochter hält ihn für dement und macht sich große Sorgen. Eines Tages geschieht das Unglaubliche: Sheldon wird Zeuge eines Mordes und ist plötzlich auf der Flucht, in einem Land, dessen Sprache er nicht spricht und mit einem Jungen im Schlepptau, der überhaupt nicht spricht.

Aus dieser Idee hätte man einen skurrilen, abgedrehten Roman nach Art eines Roadmovies machen können, der Autor hingegen nutzt seinen Debütroman dazu, einen alten Mann seine Geschichte erzählen zu lassen, eine Geschichte von Schuld und Reue, Erinnerungen an eine bewegte Vergangenheit, das Ganze eingebettet in eine interessante Rahmenhandlung, deren Auflösung leider nicht zur Gänze gelungen ist.


Stil und Sprache
Die Geschichte wird fast ausschließlich aus der Sicht von Sheldon Horowitz erzählt, dieser berichtet zwar nicht in Ich-Form, aber in der Gegenwart, was eine gewisse Nähe schafft, aber letztlich die Distanz Sheldons zu allen anderen Figuren unterstreicht. Der Leser weiß zwar, was in seinem Kopf vorgeht, ist sich aber lange nicht im Klaren, wie verwirrt oder dement er wohl wirklich sein mag. Dazu tragen auch die unglaublich zahlreichen Rückblenden ein, die teilweise übergangslos Sheldons Gedanken darstellen und nie so richtig durchblicken lassen, wie viel tatsächlich Erlebtes darin steckt.

Wer einen Thriller erwartet, wird von diesem Roman vermutlich enttäuscht werden, denn mehr als einige wenige Elemente dieses Genres enthält er nicht. So ist zwar die Polizei und natürlich auch Sheldons Tochter auf der Suche nach ihm und dem Jungen, aber die Ermittlungen finden eher am Rande statt und bestimmen die Richtung der Handlung nur marginal. Im Mittelpunkt stehen ganz eindeutig Sheldons Erinnerungen und am Ende werden auch nicht alle Fäden so zusammengeführt, wie sich das für einen Thriller gehören würde.

Sprachlich bietet „Ein seltsamer Ort zum Sterben“ nur wenige Highlights, die meiste Zeit über bewegt sich der Autor in den üblichen sprachlichen Bahnen. Lediglich vereinzelt blitzt etwas trockener Humor auf, der dann etwa eine Beschreibung zu etwas Besonderem macht.


Figuren
Eigentlich gibt es nur eine echte Figur in dieser Geschichte und das ist natürlich Sheldon Horowitz. Er wird im Laufe der Handlung recht ausführlich vorgestellt und teilt seine Gefühle und Gedanken mit dem Leser. Selbst Paul - so nennt Sheldon den Jungen, mit dem er flieht - zeigt keinerlei Gefühlsregung, er spricht nicht und lässt sich bereitwillig überall hin mitnehmen. Auch Sheldons Tochter und ihr Mann werden nicht näher charakterisiert und so kann man als Leser zwar beobachten, was sie tun, aber sich in sie hineinversetzen und mit ihnen fühlen kann man nicht. In meinen Augen ist das die große Schwäche dieses Buches, das mit ein wenig mehr Liebe zu seinen Charakteren sicher bessere Chancen bei mir gehabt hätte.


Aufmachung des Buches
Das großformatige Buch ist als Klappbroschur ausgeführt und zeigt als Covermotiv die scherenschnittartigen Figuren eines alten Mannes mit einem Gewehr sowie eines kleinen Jungen mit Wikingerhelm. Die beiden stehen an einem Gewässer, im Vordergrund befindet sich ein Boot, im Hintergrund ein rotes, typisch norwegisches Haus. Titel und Autorenname sind in eckigen, unregelmäßigen Buchstaben und in den verschiedenen Farben gedruckt, die auch das Cover dominieren. Innen gibt es drei große Teile und insgesamt 23 nummerierte Kapitel.


Fazit
Ein schwer einzuordnendes Buch, das zwar Elemente eines Thrillers aufweist, am Ende aber doch eher ein nachdenklich machender Roman bleibt. Oft bewegend, manchmal aber auch etwas sperrig und damit sicher keine leichte Lektüre für zwischendurch.


3 Sterne


Hinweise
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