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Hallo Herr Todtenhausen. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Mit „Stachelherzen“ erscheint in wenigen Tagen Ihr zweites Buch, d.h. Sie haben erst spät mit dem Schreiben angefangen. Wie kam es dazu, und haben Sie in der Zeit vor dem Erscheinen Ihres ersten Buches jemals daran gedacht, Schriftsteller zu werden?

Nie im Leben dachte ich daran mehr zu schreiben als in Foren so allgemein üblich. Dann lernte ich, aus persönlichen Gründen, in einem Trauerforum viele Menschen kennen, die ein ähnliches Schicksal wie wir hatten. Dein Kind geht vor dir. Das war vor knapp 6 Jahren. Die Gedanken, Gefühle und Erfahrungen der anderen Betroffenen ähnelten sich sehr. Für mich der Anlass einmal die Öffentlichkeit auf dieses schwierige Tabuthema in Form eines Buches hinzuweisen. Inzwischen hat es einen festen Platz in der Trauerliteratur.


Sie sind nicht nur Schriftsteller, sondern verlegen Ihre Bücher auch selber. Wie ist es dazu gekommen? Welche Vor- bzw. Nachteile sehen Sie?

Nachdem ich mein erstes Buch „TränenReich“ geschrieben hatte, lernte ich die Schwierigkeiten eines „unbekannten Autors“ erst richtig kennen. Ein Buch zum Thema „Tod eines Kindes“ lässt sich nur schlecht vermarkten. Es hagelte Absagen und -Gute Wünsche- seitens der Verleger. Bei 90.000 Manuskripte pro Jahr in gewisser Weise nachvollziehbar. Dann machte ich mich selber auf den Weg. Lernte und lernte dazu und tue es auch heute noch. Viele Verlage übernehmen gerne ins Deutsche übersetzte amerikanische Titel. Als „Nobody“ kann man auch nicht mal eben, so wie manche A/B/C-Promis, sein Buch in die Kamera halten. Vielleicht gelingt mir dies ja auch mal mit „Stachelherzen“. ;-)


Der größte Teil von „Stachelherzen“ spielt im Nazideutschland. Was bedeutet diese Zeit für Sie und was hat Sie dazu bewogen, einen Roman ausgerechnet in dieser Zeit anzusiedeln?

Obwohl ich persönlich nicht in dieser Zeit gelebt habe, war sie auch in den Nachkriegsjahren ein Thema und irgendwie immer präsent. In jungen Jahren konnte ich mir nicht vorstellen, dass es solche Gräueltaten jemals wieder geben würde. Heute halte ich es für sehr wichtig, das Vergangene für die Zukunft zu bewahren. Vielleicht hilft „Stachelherzen“ ein wenig dabei.


Und was hat das mit Ihnen persönlich zu tun?

Aufgewachsen mit Carepaket und Quäkerspeise wurde meiner Generation schon bei der Geburt ein kollektiv schlechtes Gewissen in die Wiege gelegt. Es braucht schon eine ganze Weile, bis man als junger Mensch begreift, dass es nicht nur die Zukunft, sondern auch eine Vergangenheit gibt. Wenn dann diese Vergangenheit nicht allein aus realen, sondern auch aus moralischen Trümmern besteht, mit mehr als 55 Millionen Kriegstoten, darunter fast sechs Millionen wehrlos ermordeten jüdischen Männern, Frauen und Kindern, dann ist dies für einen jungen Menschen eine geradezu unerträgliche Last. Ganz allmählich stellte sich dann die Frage ein: Wie konnte es dazu kommen?


Warum ist es für Sie so wichtig, dass sich die Blicke nachkommender Generationen nicht nur in die Zukunft richten und die Vergangenheit auf sich beruhen lassen?

Ohne die Vergangenheit gibt es auch keine Zukunft. Ein demenziöser Vorhang kann und darf nichts verschleiern oder ungeschehen machen. Schließlich sind wir Menschen mit Verstand und keine hirnlosen Geschöpfe, die sich nur in einem fortwährenden Zeittunnel befinden. Die Mauer, deren Fall sich 2009 zum zwanzigsten Mal jährt, war doch noch eine späte Auswirkung des Dritten Reiches.


Würden Sie „Stachelherzen“ auch als einen politischen Roman bezeichnen?

Wenn politisch, dann gesellschaftspolitisch. Jedoch in seiner ganzen Bandbreite ein unterhaltsamer Roman mit charakterlich unterschiedlichen Akteuren, die genau betrachtet als Metapher zu verstehen sind.


Was genau meinen Sie damit?

Gestern und heute finden Sie Menschen mit Eigenschaften wie egoistisch und selbstlos, aufopfernd und skrupellos, naiv und berechnend. Menschen, die verletzen und verletzt werden, halt Stachelherzen. Und solche wird es morgen auch geben.


Sie sind auch künstlerisch tätig. Haben Sie das Titelbild zu „Stachelherzen“ selber entworfen?

Als ursprünglich gelernter Siebdrucker hatte ich früher viel mit Entwurf, Farben und Gestaltung zu tun, d.h. ich bin künstlerisch vorbelastet. Daher stammt auch das Layout für das Titelbild, so wie der ganze Buchumschlag von mir.  Im Übrigen erstelle ich seit fünf Jahren Kohlezeichnungen und PrintCollagen zum Thema „Tod eines Kindes“. Inzwischen fanden die Bilder durch bundesweite Ausstellungen ihren Weg in die Öffentlichkeit. Prominenteste Schirmherrin: Gabriela Fürstin zu Sayn-Wittgenstein.


Wie kamen Sie auf den Buchtitel?

Während eines Radiobeitrags über den weltbekannten Gitarristen Santana sprach der Moderator über dessen Song „Corazón espinado“. Er meinte, frei übersetzt würde dies wohl „stacheliges oder dorniges Herz“ bedeuten, um so eine unerfüllte Liebe auszudrücken. Da war es nicht weit vom stacheligen Herzen zu „Stachelherzen“.


Wie lange haben Sie an dem Roman geschrieben?

Da es mir sehr auf historische Genauigkeit ankam, war der Zeitaufwand für Recherchen umfangreicher als für das eigentliche Schreiben. Mir war es dabei wichtig, in welchem persönlichen Umfeld die Menschen in den jeweiligen Zeiten lebten. Was sie fühlten und wie sie dachten. An der Handlung an sich habe ich ein knappes Jahr geschrieben.


Hatten Sie die Handlung bereits weitestgehend geplant, als Sie mit dem Schreiben begannen, oder hat sie sich mehr im Laufe des Schreibprozesses entwickelt?

Sowohl als auch, d.h. ein grobes Handlungsgerüst bestand bereits, bevor ich anfing „Stachelherzen“ zu schreiben. Während ich aber mit den Protagonisten immer tiefer in die einzelnen Handlungsstränge vordrang, folgte und beobachte ich sie nur dabei und was sie fühlten und dachten.


Sind Sie beim Schreiben jemand, der sich täglich eine bestimmte Zeitspanne oder Seitenzahl als Ziel setzt, oder wie arbeiten Sie?

Ich hatte mal in einem Literaturratgeber gelesen, dass es täglich nur 1 Seite braucht um nach einem Jahr 365 geschrieben zu haben. Mein persönliches Limit, sprich Ansporn, waren 10 Seiten täglich, und manchmal wurden es auch mehr.


Was lesen Sie selber gerne? Haben Sie ein literarisches Vorbild?

Als ausgesprochener "Liebhaber" fiktiver Handlungen gepaart mit realem Hintergrund habe ich kürzlich „Der Fluch des Edgar Hoover“ v. Marc Dugain und „Das Erbe des Bösen“ v. Ilkka Remes. gelesen. Ein literarisches Vorbild habe ich nicht wirklich.


Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus? Wird es weitere Bücher von Wolfgang Todtenhausen geben?

Ein erstes Konzept für eine Krimihandlung auf einem Kreuzfahrtschiff besteht bereits. Zuvor möchte ich aber abwarten ob und wie „Stachelherzen“ bei der Leserschaft ankommt, bevor ich in diese neue Handlung einsteige.


Herr Todtenhausen, ich bedanke mich, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.


Die offizielle Homepage des Autors: http://www.stachelherzen.de/index.htm

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