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Ein alter Mann sucht seine Vergangenheit, eine junge Frau ihre Zukunft.
Eigentlich soll Maya den deutschstämmigen Professor Maximilian Wagner während eines Kongresses in Istanbul betreuen. Doch dann wird sie hineingezogen in dessen Lebensgeschichte. Allmählich erfährt sie, was es mit der Serenade auf sich hat, die Wagner während des Naziterrors für seine jüdische Geliebte komponiert hat.

 

Serenade fuer Nadja 

Originaltitel: Serenad
Autor: Zülfü Livaneli
Übersetzer: Gerhard Meier
Verlag: Klett-Cotta
Erschienen: Februar 2013
ISBN: 978-3608939637
Seitenzahl: 335 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Zülfü Livaneli erzählt eine unbekannte deutsch-türkische Geschichte aus der Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs und er erzählt die Geschichte Maximilian Wagners, der sechzig Jahre nach dem Tod seiner jüdischen Frau wieder türkischen Boden betritt. Offiziell zu einem Vortrag in seiner ehemaligen Istanbuler Universität eingeladen, spielt er ein letztes Mal seine selbstkomponierte Serenade für seine tote Frau Nadja. Maya Duran, Mitarbeiterin der Universität, steht ihm während seines Aufenthalts zur Seite und lernt durch Wagner die grausame Geschichte des Dritten Reichs kennen, die in der Türkei immer noch als blinder Fleck gilt.

Der türkische Schriftsteller verwebt wahre Begebenheiten und reale Personen mit der fiktiven Geschichte Maximilian Wagners. Politisch Verfolgte und Juden, die der Naziherrschaft entkommen wollen, folgen in den Jahren 1933 bis 1945 einer Einladung Kemal Atatürks. Wissenschaftler, Künstler und Politiker, wie der spätere Westberliner Bürgermeister Ernst Reuter, finden Zuflucht in der Türkei und reformieren die türkische Universitätslandschaft. Auch Maximilian Wagner folgt 1939 dem Ruf Atatürks und reist mit seiner jüdischen Frau Nadja über Paris nach Istanbul. Die sichere Zuflucht erweist sich als trügerisch. Nadja wird an der Grenze verhaftet und Wagner muss allein nach Istanbul reisen. Er setzt alles daran, seine Frau den Klauen der deutschen Diktatur zu entreißen. Mitten im Kriegsgeschehen gelingt es ihr tatsächlich, sich an Bord der Struma - eine alte Yacht, die 760 jüdische Flüchtlinge von Rumänien in die Türkei und Palästina bringen soll - einen Platz teuer zu erkaufen. Die Struma wird am 24.Februar 1942 von einem sowjetischen Torpedo versenkt und ist bis heute politischer Spielball der Alliierten.

Gleich nach der Ankunft des Professors werden er und Maya von drei Agenten des türkischen Nachrichtendienstes verfolgt und dringen sogar in ihre Wohnung ein. Sie erpressen Maya mit ihrer armenischen Großmutter, was in der Türkei als Schande gilt, damit sie ihnen Informationen über den Professor mitteilt, und erwirken später, als sie sich weigert, Informationen über den Professor preiszugeben, ihre Entlassung aus dem Universitätsdienst.


Stil und Sprache
Die Ich-Erzählerin Maya Duran, Mutter eines pubertierenden Jungen, genervt von ihrem eintönigen Leben und wenig begeistert einen siebenundachtzigjährigen alten Mann in den nächsten Tagen betreuen zu müssen, erlebt, wie sich ihr Leben innerhalb dieser wenigen Tage grundlegend ändert. Durch die Bekanntschaft Wagners und seinem Schicksalsschlag fängt sie endlich an, Fragen zur eigenen Vergangenheit zu stellen. Fragen zum armenischen Völkermord, Fragen zur türkischen Opferung der Krimtataren während des Zweiten Weltkriegs; Gräueltaten, die in der Türkei nicht nur von der Politik totgeschwiegen werden, sondern auch in den Familien, deren Angehörige Opfer waren. Selbst in Mayas Familie waren beide Großmütter betroffen, eine war Armenierin, die andere gehörte zu den Krimtataren. Gefangen genommen von dem Martyrium ihrer Großeltern, sucht sie Verständnis bei ihrem Bruder und muss erkennen: ihr Bruder, ein staatstreuer Offizier, verdrängt die komplexe Geschichte der multiethnischen Türkei. Wer armenischer Abstammung sei, habe „schmutziges Blut“.

Maya erzählt in Rückblenden die tragische Geschichte Maximilian Webers und seiner Frau Nadja und verknüpft sie mit der heutigen Türkei, in der, wie auch in Deutschland, die Aufarbeitung der jüngeren Geschichte stattfindet. In teilweise stakkatohaften Sätzen beschreibt Livaneli mehrere Geschichten auf einmal: die Wissenschaftsemigration in die Türkei, die jüdische Verfolgung nicht nur in Deutschland, der Untergang der Struma, den armenischen Genozid und die Haltung der Türkei während des Zweiten Weltkriegs. Züfül Livaneli berührt sehr viele bedeutende Themen. Die Konzentration auf ein einziges Thema wäre für den Roman wünschenswert gewesen. Das Buch ist zwar angefüllt mit umfangreichen und interessanten Rechercheergebnissen, dennoch ist es schade, dass die Chance nicht genutzt wurde, die unbekannte deutsch-türkische Geschichte umfassend zu erzählen.


Figuren
Maximilian Wagner, ein sympathischer alter Kauz, hat es sich in den Kopf gesetzt, am Todestag seiner geliebten Frau Nadja am Todesort am Schwarzen Meer die von ihm komponierte Serenade ein letztes Mal für sie zu spielen. Maya, die ihn zum Strand begleitet, überlässt den unterkühlten Wagner nicht seinem Schicksal, sondern schafft ihn nach einigen Stunden ins Krankenhaus. Zum Dank für seine Rettung erzählt er ihr seine Geschichte und sie versteht seine andauernde Melancholie. Trotz seiner Zerrissenheit bleibt Wagner eindimensional.

Maya, überforderte Mutter, gelangweilte PR-Frau der Uni, macht zwar ob der tragischen Geschichte Wagners und ihrer eigenen familiären Vergangenheit eine Wandlung durch, dennoch bleibt auch sie charakterlos. Kerem, Mayas Sohn, wandelt sich unglaubwürdig innerhalb der fünf Tage von einem internet- und pornosüchtigen, die Mutter verachtenden Jugendlichen, angesichts der lancierten Agentengeschichte zu einem vernünftigen jungen Mann. Ahmet, Ex-Ehemann und Vater von Kerem, dient genauso wie Tarik, ihr derzeitiger Geliebter, zur Hilfestellung. Ahmet muss sich von heute auf morgen plötzlich um den Sohn kümmern, was er zuvor abgelehnt hat. Tarik besorgt ihr dringend benötigtes Geld und ein Visum, das sie als Arbeitslose niemals bekommen hätte. Die Figuren bleiben holzschnittartig.


Fazit
Ein manchmal zu konstruiert wirkender Roman, der ein bisschen Liebesroman, ein bisschen Spionagethriller, ein bisschen Geschichtsbuch ist. Livaneli gewährt einen kleinen Einblick in den Vielvölkerstaat Türkei und verführt, sich intensiver mit der Geschichte der Türkei zu befassen.


3 Sterne


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