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Ihre Flugbegeisterung war grenzenlos. Täglich absolvierte die Diplom-Ingenieurin Melitta Gräfin Stauffenberg bis zu 15, insgesamt etwa 2500 Sturzflüge, um ihre innovativen Sturzflugvisiere selbst zu erproben. Die Schwägerin des Hitler-Attentäters Claus Graf Stauffenberg wurde für die luftkriegstechnische Forschung des Dritten Reiches so unabkömmlich, daß man sie nach dem 20. Juli 1944 nach nur sechs Wochen aus der (Sippen-) Haft entließ. Die Liebe zur Familie kostete die Pilotin dennoch das Leben: Am 8. April 1945 wurde sie auf dem Flug zu ihrem inhaftierten Ehemann abgeschossen. Der Historiker Gerhard Bracke zeichnet anhand von Zeitzeugenberichten, Dokumenten und Tagebuchaufzeichnungen das faszinierende Porträt einer der besten Fliegerinnen Deutschlands.

Mit 78 teilweise bisher unveröffentlichten Abbildungen und Dokumenten. 

 

Melitta Graefin Stauffenberg 

Autor: Gerhard Bracke
Verlag: Herbig  Verlag
Erschienen: 13. Dezember 2012
ISBN: 978-3776627077
Seitenzahl: 304 Seiten 

 
Inhalt, Stil und Sprache
Nachdem ich die Biographie "Melitta von Stauffenberg: Ein deutsches Leben" von Thomas Medicus gelesen hatte, und damit nicht wirklich zufrieden war, freute ich mich um so mehr, dass die zwar schon ältere und vergriffene, aber vielgelobte Biographie von Gerhard Bracke nun von ihm komplett überarbeitet und vom Verlag neu aufgelegt wurde.
Im Gegensatz zu Medicus ist Bracke Militärhistoriker und so liegt der Schwerpunkt auf der militärisch-technischen Seite. Um dies alles bis ins Detail verstehen zu können, sollte man Vorwissen mitbringen. Trotzdem gelingt es Bracke, auch dem Laien zu vermitteln, wieso Frau von Stauffenbergs Arbeit so kriegswichtig war. Leider sind diese Abschnitte sehr lang und trocken ausgefallen, im Gegensatz zu den anderen Passagen, die ihr Leben außerhalb der Arbeit schildern. Besonders lebendig beschreibt er ihre Jugend und später die Zeit nach dem Attentat auf Hitler durch ihre Schwäger.

Bracke zeichnet das Bild einer Frau, die schon als Kind über alle wesentlichen Eigenschaften, die sie auch später (im Beruf und ihrem Einsatz für die Sippenhäftlinge) auszeichneten, verfügte. Da ist zuallererst ihre hohe Intelligenz und Sensibilität, die sie vielleicht so zurückhaltend und bescheiden werden ließen, wie sie immer wieder von Mitschülerinnen oder Arbeitskollegen beschrieben wird. Andererseits strotzte sie vor Energie und Neugier, sie schien absolut furchtlos zu sein und testete schon als Teenager gerne ihre körperlichen Grenzen aus. Und sie fiel aus dem Rahmen – denn sie wollte unbedingt fliegen; ein Vorhaben, das Frauen damals selten umsetzen konnten. Aber nicht Melitta von Stauffenberg. Zielstrebig verfolgte sie ihren Traum vom Fliegen und wählte deshalb auch ihr Studium entsprechend – Physik, Mathematik und Flugmechanik. Da sie quasi nebenbei auch noch alle Flugscheine machte, war sie als Ingenieurflugzeugführerin schließlich in der Lage, Theorie und Praxis zu verbinden und war nicht auf die Hilfe von Kollegen angewiesen, sei es bei den Sturzflügen oder der Auswertung, der dabei gewonnenen Ergebnisse.
Die Aussagen des Autors sind mit Quellenmaterial ausreichend gut belegt und man kann sich seinen Schlussfolgerungen anschließen. Mit einer Ausnahme – zu den Umständen ihres Todes haben sich Legenden gebildet, denen der Autor entgegentreten will, was ihm aber nicht so recht gelingt. Leider legt er sich auf einen Feindabschuss als Todesursache fest. Mir erscheint es sinnvoller (ohne nun auf die genaueren Umstände und Belege einzugehen) von einem wahrscheinlichen feindlichen Abschuss zu sprechen.

Auf die Tatsache, dass Frau von Stauffenberg aus einem jüdischen Elternhaus stammt und dennoch bis zu ihrem Tod für das nationalsozialistische Regime gearbeitet hat, ja sogar recht schnell aus der Sippenhaft entlassen wurde, geht der Autor fast gar nicht ein. Wie schaffte sie es, die sowohl von der Vernichtung bedroht war, als auch dem Regime ablehnend gegenüberstand, diesem dennoch zu dienen? Und darüber hinaus auch noch den Mut aufzubringen Forderungen zu stellen (Besuch der Sippenhäftlinge), die ihr vom Regime tatsächlich gewährt wurden? Vielleicht sieht er sie als Angehörige einer "heute vielgeschmähte[n] Kriegsgeneration" (Seite 83), die er nicht noch weiter belasten will, indem er aus heutiger Sicht über sie urteilt.

In einem Nachwort geht Bracke auch auf die Biografie von Medicus und die darin an seine Adresse erhoben Vorwürfe ein. 


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch verfügt über einen Schutzumschlag, dessen Cover Melitta von Stauffenberg lachend im Cockpit einer Ju 88 zeigt. Nach dem Inhaltsverzeichnis folgen zwei Geleitworte: zuerst das von Berthold von Stauffenberg (2012), das zur Neuauflage Stellung nimmt, und dann das Ursprüngliche aus dem Jahr 1990 von Elly Beinhorn. In der Mitte finden sich viele private Fotos (schwarz-weiß), aber auch welche, die sie in Ausübung ihres Berufes zeigen. Darüber hinaus sind in den Text noch einige Fotos, z.B. ein Scherenschnitt von ihrer Hand oder eine Abbildung ihres Tagebuches, eingebunden. Der Anhang enthält den wissenschaftlichen Apparat, Literaturhinweise und etliche Dokumente zu ihrer Arbeit sowie einen Zeitungsausschnitt zur Verleihung des Ehrentitels "Flugkapitän".


Fazit
Diese Biographie wird der beeindruckenden Persönlichkeit Melitta von Stauffenberg voll und ganz gerecht. Darüber hinaus zeichnet sie sich dadurch aus, dass sich der Autor jeglicher Wertung der Person enthält. Ich möchte dieses Buch allen LeserInnen empfehlen, die sich für neuere Geschichte interessieren.

4 Sterne


Hinweise
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