Joe Castle ist ein Ausnahmetalent. Bereits in seinen ersten Spielen für die Chicago Cubs schlägt er einen Home Run nach dem anderen. Die Fans sind begeistert und es dauert nicht lange, bis das ganze Land den jungen Spieler frenetisch feiert. Joes Weg an die Spitze scheint vorgezeichnet zu sein, bis er eines Tages auf dem Spielfeld Warren Tracey begegnet, einem mittelmäßigen Werfer, der Joes Erfolg nicht ertragen kann.
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Originaltitel: Calico Joe |
Die Grundidee der Handlung
Paul Tracey ist Software-Entwickler für ein Luft-und Raumfahrtunternehmen, verheiratet mit einer Innenarchitektin und Vater zweier Mädchen. Und er ist glücklich. Doch das war nicht immer so. Als Sohn eines Baseball-Profis muss Paul gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter viel aushalten. Warren, Pauls Vater, ist tyrannisch, gewalttätig, launisch, ein Schürzenjäger und eben Baseball-Profi. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Paul sich als Kind für Baseball begeistert. Genau wie sein Vater möchte er Werfer für eines der großen Teams der Major-League werden. Doch dann passiert es. Bei einem Heimspiel der New York Mets gegen die Chicago Cubs trifft Warren Tracy auf Joe Castle, einen Liga-Neuling, der bereits in seinen ersten Spielen Rekorde pulverisiert, die die Sportwelt für unerreichbar gehalten hatte. Das ganze Land ist fasziniert von dem Rookie. Zunächst läuft das Duell Tracy gegen Castle wie erwartet. Der junge Mann erzielt einen eindrucksvollen Home Run. Dann, beim zweiten Auftritt am Schlag passiert es: Castle bekommt einen Ball an den Kopf, verliert seinen Helm und wird so schwer verletzt, dass seine Karriere nach nicht einmal einer Halbsaison beendet ist. War es ein Unfall, wie Warren immer behauptet oder hatte Pauls Vater den vielversprechendsten Neuling der Ligageschichte mit Absicht am Kopf getroffen? Jetzt, über 30 Jahre nach dem tragischen Ereignis und nachdem Warren die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs bekommen hat, ist es für Paul an der Zeit, die Wahrheit über eine Geschichte herauszufinden, die die Baseballfans noch immer beschäftigt und die Joe Caste vom gefeierten Star zu einem behinderten Mann gemacht hat ...
John Grisham wagt hier viel und er gewinnt. Nicht nur, dass er eigentlich drei Geschichten gleichzeitig erzählt und immer wieder zwischen den Zeiten hin-und herspringt. Ein Roman thematisch zwischen Baseball, einer traurigen Familiengeschichte, bewegenden Einzelschicksalen und der erhofften Kraft der Vergebung anzusiedeln, erfordert Mut. Grisham hat ihn und ihm gelingt - wie ich finde - ein Meisterstück. Immer wieder findet er die Balance zwischen den Geschichten in der Geschichte. Die Faszination Baseball wird genauso greifbar wie das bewegende, an manchen Stellen fast rührende Schicksal des Joe Castle oder die Abgründe der Familie Tracey. Ein Hörbuch, das auch dann fesselt, wenn man mit Baseball bisher nicht in Berührung kam.
Darstellung des Hörbuchs
Charles Brauer ist für mich die deutsche Stimme zu John Grisham und das nicht nur, weil er alle Hörbücher eingelesen hat, sondern weil es einfach perfekt passt. "Home Run" gut zu vertonen ist sehr schwer. Drei Storylines, zwei Handlungszeiten, sehr viele unterschiedliche Emotionen, atmosphärisch unfassbar dicht. Beispielhaft sei dies am Ich-Erzähler der Geschichte näher erläutert. Angefangen von tiefer Abneigung gegen seinen Vater, zu dem die gesamte Familie seit vielen Jahren so wenig Kontakt wie möglich unterhält, über die Bedeutung der Familienbande in Zeiten des herannahenden Todes, bis hin zum eigenen Schwur nie wieder etwas mit Baseball zu tun haben zu wollen und gleichzeitig fasziniert von dem Spiel zu sein, erlebt Paul Tracey mehrere Konflikte gleichzeitig. Das vertont Herr Brauer meisterlich. Mal spricht er Paul Tracey ruhig und sanft, mal laut und fordernd, stets wohl dosiert und richtig emotional. Eine wahre Meisterleistung veollbringt er bei der Interpretation von Warren Tracey. Am Anfang ein wahrhaftes Scheusal, kurze schroffe Sätze voller emotionaler Kälte und "männlicher Härte", wandelt er sich gegen Ende doch in einen einsichtigen Menschen, mit dem man fast ein bisschen Mitleid haben kann. Diese Wandlung so hinzubekommen, dass sie immer glaubwürdig und nie geheuchelt wirkt, verdient höchsten Respekt.
Aufmachung des Hörbuchs
Das Cover des Hörbuches ist ein echter Hingucker. Die Szenerie ist in ein wunderschönes Abendrot getaucht. Vor oder hinter einem Zaun steht ein Mann, neben ihm liegt ein Baseballschläger auf dem Boden. Über ihm ist der Schatten zweier Bäume zu erkennen, in weiter Ferne die Silhouette einer Großstadt. Das wirklich ungewöhnliche an diesem Cover ist, dass alles bis auf das Abendrot nur als Schatten zu erkennen ist. Die Körperhaltung des Mannes vermittelt ebenfalls irgendwie den Eindruck, als würde er wehmütig in längst vergangene Zeiten blicken. In der Multi-CD-Box befindet sich obenauf ein Booklet, das das Covermotiv aufgreift und in dem sich neben der Kurzbiografie von Autor und Sprecher sowie einem erweiterten Klappentext auch alle im Buch vorkommenden Baseball-Begriffe einfach und für Laien verständlich erklärt finden. Vorbildlich. Die CDs selbst sind ebenfalls farbig.
Fazit
Am Anfang war ich sehr skeptisch. Nach "Touchdown" wagte sich John Grisham zum zweiten Mal an einen Sport-Roman und dann auch noch Baseball, eine Sportart, die hierzulande recht unpopulär ist. Doch in diesem Roman geht es um so viel mehr als Baseball. Es geht um familiäre Abgründe, menschliche Schwächen, falsch interpretierten Stolz und antiquierte Kodizes, und die wahre Größe, Fehler zuzugeben. Ein fesseldes Werk, dass einen guten Spannungsbogen hat. Wer keine Vorerfahrung mit der wohl amerikanischsten aller Sportarten besitzt, sollte das Booklet allerdings vor dem Hören lesen.
Hinweise
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