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Odefey nahm die letzte U-Bahn bis Rathaus Neukölln, ging die die Fuldastraße hinunter, trug die Koffer die Treppen hoch und schloß seine Wohnung auf. Sie roch nach frischer Farbe. Er zündete eine Kerze an und öffnete ein Fenster zum Hof.
Im Vorderhuas sang eine Frau mit rauer und leidenschaftlicher Stimme: „Und sie stelln dich, Henry Higgins an die Wand, und der King sagt, Liza, heb die Hand ... Dann zielt allet uffs Jemäuer, ick ruf Achtung, los, Feua!“
Im Nebenhaus brüllte eine Männerstimme: „Nu is aba jut!“

 

  Autor: Johannes Groschupf
Verlag: Eichborn Berlin
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-821-85846-3
Seitenzahl: 218 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Hans Odefey ist ein junger Student aus der norddeutschen Provinz, den es in den 80er Jahren in das Arbeiterviertel Neukölln verschlagen hat. Der schüchterne, etwas weltfremde junge Mann gerät hier in eine Art Paralleluniversum mit eigenen Gesetzen und natürlich der ganz eigenen Sprache, der Ur-Berliner, der berühmt-berüchtigten Berliner Schnauze. Wir begleiten in diesem Buch Hans Odefey auf seinem Trip durch sein neues Leben und das über ein paar Jahre hinweg. Hier reihen sich etliche spannende, lustige aber auch anrührende Erlebnisse aneinander, bis Odefey sich tatsächlich dem „Miljö“ annähert. Hier sind Kämpfe auszufechten, mit den Unbilden des Alltags und mit den lieben und weniger lieben Mitmenschen und bald hat auch noch die Liebe ihre Finger im Spiel.

Die Idee ist für mich überzeugend umgesetzt, da der Erzählfluss der Chronologie folgt und man so direkt bei einer persönlichen Entwicklung dabei ist. Die berlinerischen Einwürfe und Sprüche machen das Buch lebendig und authentisch. Hinzu kommt: die Erlebnisse sind einfach gut erzählt und aus dem Leben gegriffen.


Stil und Sprache
Stil und Sprache sind einfach gehalten, hier wird mit wenigen Worten viel ausgedrückt. In puncto Lesbarkeit ist das bei diesem Buch sehr von Vorteil. Es ist ein angenehmer Erzählfluss. Lebendig und authentisch durch viel wörtliche Rede und actionbetonten Satzbau bedingt – das Buch wirkt eher durch das, was passiert, beschreibend.
„Hinterhofhelden“ lebt auch von seinem Lokalbezug und hier spielt natürlich der berlinerische Dialekt eine wichtige Rolle. Allerdings ist es keine Mundartgeschichte im eigentlichen Sinn, der Dialekt beschränkt sich auf einzelne Sprüche und Einwürfe, die aber für Leser, denen dieser Dialekt nicht geläufig ist, verständlich sind.
Spannungsbögen finden sich in den einzelnen Erlebnissen Odefeys und in seiner Gesamtentwicklung. Die Geschichte ist in der dritten Person erzählt, hält sich aber eng an die Hauptfigur. Es handelt sich um einen durchgängigen Erzählstrang, der der Chronologie der Ereignisse folgt, also werden keine Vorgriffe oder Rückblicke gemacht, die Geschichte wird nicht aus Sicht unterschiedlicher Personen dargestellt.


Figuren
Hauptfigur ist der bereits beschriebene Student Hans Odefey. Seine Handlungen und inneren Beweggründe sind gut nachvollziehbar beschrieben, er ist eine vielschichtige Gestalt, manches an ihm mag man, anderes weniger – manchmal habe ich mir ein bisschen Sorgen um das Wohlergehen des Studenten gemacht und deshalb schon mal etwas vorgeblättert um zu sehen, ob der neue Stress mit der Hausverwalterin etc. gut ausgeht : )
Wichtige Figuren, die auch gut und überzeugend dargestellt sind, wären noch seine spätere Freundin, Meentje – das wird dann leider auch ein bisschen tragisch – aber da wird mehr noch nicht verraten. Und dann sind da noch die beiden „Hauswartsleute“ Pilarski, die ihn in einige haarsträubende Intrigen hineinziehen.
Sonst treten viele Nebenfiguren auf, die jedoch eher Randfiguren bleiben, was aber gut ist, da hier der Erzählfluss subjektiv bleibt und sich nicht so sehr mit Nebenschauplätzen aufhält.


Aufmachung des Buches
„Hinterhofhelden“ kommt in einer gebundenen Ausgabe daher, das Cover ist ansprechend gestaltet, mit den typischen Utensilien, denen im Buch zwar keine Hauptrolle zukommt, die aber allgegenwärtig sind: Bierflasche, Mülltonne, Fotoapparat... Im Hintergrund ein Ausschnitt aus dem Stadtplan mit dem Kiez zwischen Karl-Marx-Straße und Sonnenallee.


Fazit
Ein spannendes, lustiges, manchmal aber auch trauriges Buch über eine Identitätsfindung in einem interessanten Stadtteil. Lokalkolorit mischt sich mit einer gut erzählten und authentischen Story. Das Buch spielt in den Achtzigern, die aber, was bei solchen Büchern ja eher selten ist, hier nicht die Hauptrolle spielen. Also werden nicht ständig irgendwelche Namen und Marken erwähnt, die man dann wiedererkennen soll, sondern die Geschichte spielt tatsächlich mal die Hauptrolle und das ist auch gut so!


5 Sterne


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