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Kategorie: Sonstige

Das Leben ist eine ewige Party mit immer neuen Cocktails und neuen Melodien des Jazz Age. Gloria und Antony sind Dandys: exzentrisch, jung, schön, verschwenderisch... und verdammt. Denn alles endet in einem schrecklichen Kater. Ein Roman, wie Liebende "galant zur Hölle fahren", vom schillerndsten Vertreter der Lost Generation.

 

Die Schoenen und Verdammten HB 

Originaltitel: The Beautiful and Damned
Autor: Francis Scott Fitzgerald
Übersetzer: Hans Christian Oeser
Sprecher: Gert Heidenreich
Verlag: Diogenes Hörbuch
Erschienen: 04/2012
ISBN: 978-3-257-80322-8
Spieldauer: 505 Minuten, 7 CDs; gekürzte Lesung


Die Grundidee der Handlung
Adam J. Patch ist ein sehr reicher Mann. Sein Vermögen beläuft sich auf 75 Millionen Dollar. Nach einem Anfall von Sklerose beschließt er, den Rest seines Lebens der "sittlichen Erneuerung der Welt" zu widmen. Ganz anders dagegen sein Enkel: Anthony Patch ist Müßiggänger und seine einzige Lebensaufgabe scheint es zu sein, auf das Erbe seines Großvaters zu warten. Sein bester (und vielleicht auch einziger) Freund ist Dick Caramel, ein wenig erfolgreicher Schriftsteller. Er ist es auch, der Anthony mit der hübschen Gloria Gilbert bekannt macht. Sie ist Dicks Cousine. Anthony und Gloria verlieben sich heftig ineinander, leben fortan in Luxus und weit über ihre Verhältnisse. Ihr Leben wirkt rastlos, ruhelos. Immer wieder muss es etwas neues sein, fast zwangsläufig geraten sie in Geld- und Beziehungsprobleme. Immer wieder bleibt die Hoffnung der beiden auf den baldigen Tod des schwer kranken Adam. Doch als Anthony ihm offenbart, dass er Gloria um ein Verlöbnis gebeten hat, reagiert Adam zwiegespalten. Auf der einen Seite ist er sehr skeptisch gegenüber der Hochzeit, auf der anderen Seite bietet er seine Räumlichkeiten als Ort für die Feier an. Immer wieder mahnt Adam seinen Enkel, Arbeit aufzunehmen. Gloria und Anthony heiraten, an ihrem Lebensstil ändert sich nichts, nur die Träume werden größer und unrealistischer. Die Abwärtsspirale, die im Leben der beiden längst begonnen hat - und die beide nur noch mit Abstand voneinander und noch mehr Alkohol ertragen können, wird durch den Tod Adams und die testamentarisch verfügte Enterbung Anthonys sowie seine Einberufung noch verstärkt. Nun wird die Katastrophe, die der Hörer längst ahnt und die die beiden Protagonisten gekonnt verdrängen, unausweichlich.

Fitzgeralds Roman könnte noch drei weitere Untertitel haben: "Szenen einer Ehe", "Gegensätze ziehen sich an" oder "Die Moral des Geldes" würden ähnlich passen. Die Wahl der Hauptdarsteller hat der Autor gut getroffen. Anthony, der Müßiggänger, in dessen Seele offenbar zwei unterschiedliche Seiten derselben Person leben. Er fragt sich selbst oft, "ob er nicht ehrlos und leicht verrückt" ist, hält sich auf der anderen Seite aber auch für "außergewöhnlich und überaus kultiviert", Gloria, die von Dick wenig charmant als "hübsch, verflucht nett, aber kein Grips im Kopf, kein Verantwortungsgefühl, sie sprüht geradezu" beschrieben wird und desweiteren ist Dick der festen Überzeugung, dass Verantwortungsgefühl Gloria ruinieren würde. Als Gegenspieler dazu sozusagen kommt der reiche Großvater Adam ins Spiel, der moralische Grundsätze seiner Zeit (wieder)entdeckt hat und seinen Enkel nach einer der unzähligen Partys enterbt. Alle anderen beteiligten Personen sind überwiegend Mitglieder des Jetsets, die präzise gezeichnet sind. Schwächen offenbaren sich kleinere im Verlauf des Werkes: So hatte ich beim Hören manchmal den Eindruck, als sei die Erzählperspektive nicht einheitlich und auch die unzähligen Nebenhandlungen, Rückblenden und Zeitsprünge verwirren manchmal.


Darstellung des Hörbuchs
Das Hörbuch wird gelesen von Gert Heidenreich, der beiteits als Sprecher der Allmen-Reihe von Martin Suter in "höheren gesellschaftlichen Kreisen" unterwegs war und seine Sache auch hier wieder hervorragend löst. Die Stimme ist sanft, weich, fast möchte man sagen "angenehm zurückhaltend und im positivsten Sinn diskret". Und dennoch schafft es diese Stimme, das sehr schwierige Werk Fitzgeralds herausragend zu vertonen. Anthonys Tonfall wirkt an vielen Stellen des Buches etwas träge und müde, Gloria spricht stets etwas überdreht und hektisch, ohne aber dabei stimmlich ins Lächerliche abzukippen und der gestrenge Großvater Adam stets nüchtern und etwas kalt. Als Adam seinen einzigen emotionalen Moment hat, entwickelt der Sprecher ganz besondere Klasse. Der Kontrast zwischen der emotionalen Stimme des Großvaters und der üblichen Stimme ist so dosiert, dass es exakt glaubhaft ist. Es gelingt ihm, jeden Anschein von Kitsch in dieser Szene zu vermeiden. Ganz große Sprecherleistung mit dieser Szene als meinem ganz persönlichen Höhepunkt. Ein Kompliment verdient die Lesung übrigens auch dafür, dass sie nach Kräften versucht, Zeitsprünge und Exkurse des Autors als solche kenntlich zu machen, was es deutlich erleichtert, zu folgen, aber die Irritationen nicht ganz vermeiden kann.


Aufmachung des Hörbuchs
Auf dem Cover ist diesmal das Portait einer jungen Frau zu sehen, die vor dem Hintergrund einer nächtlichen Skyline steht. Sie wirkt geschminkt, ihr Blick leicht abwesend. Dennoch trägt sie teuer wirkende Kleidung, wobei ihre blaue Kopfbedeckung das auffälligste Kleidngsstück ist. Um den Hals trägt sie eine Perlenkette. Das Motiv ist auch auf der ebenfalls im Diogenes Verlag erschienenen Buchausgabe zu sehen, wobei das linke Drittel des Pappschubers, in dem das Hörbuch geliefert wird, dem Sprechernamen und einem Auszug aus einer Zeitschriftenrezension vorbehalten bleibt. Auch Booklet und CD-Hüllen greifen - mit Ausnahme des Textauszugs - diese Gestaltung auf. Die CDs selbst sind in für Diogenes typischem Schwarz-Weiß gehalten. Dem Hörbuch liegt ein 26-seitiges Booklet bei. Hierin findet man neben einer Kurzbiografie von Autor und Sprecher sowie einer Übersicht darüber, wie sich die Buchkapitel auf die CDs aufteilen, auch noch einen ausführlichen Text von Manfred Papst - Ressortleiter "Kultur" bei der Sonntagsausgabe der "Neuen Züricher Zeitung". Hier geht er zunächst auf das Privatleben der Fitzgeralds ein, um dann die Romanfiguren zu beleuchten, und so autobiografische Züge herauszuarbeiten. Abschließend geht er auf die Bedeutung des Romans in heutiger Zeit ein.


Fazit
Fitzgeralds Roman ist gelungen. Er versucht, am Beispiel von Gloria und Anthony darzustellen, wie menschliche Beziehungen aussehen können, wenn sie sich allzu leicht gesellschaftlichen Versuchungen hingeben und ihre Entstehung vielleicht auch eher einem Impuls denn echten Gefühlen geschuldet ist. Gekonnt ist auch, wie er immer wieder die Verbindung zwischen der Ehe und pointierter gesamtgesellschaftlicher Beobachtung herstellt. Schade, dass die vielen Exkurse und die schwankende Erzählperspektive das Lesevergnügen etwas trüben. Aber, das muss man einem jungen Autoren ("Die Schönen und Verdammten" war Fitzgeralds zweiter Roman und erschien 1922) vielleicht auch nachsehen, deshalb ...


4 5 Sterne


Hinweise
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