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Punpuns Leben steht Kopf:
Grundschüler, männlich, vorpubertär.

Als sei das nicht schon Herausforderung genug, helfen ihm die Gewaltausbrüche seines Vaters und seine labile Mutter auch nicht weiter. Punpun merkt schnell, dass er sich allein um sein Seelenheil kümmern muss. Seine kindliche Unbedarftheit und der Wunsch nach weisem Verständnis lassen Punpun groteske Situationen durchleben.

Ein verstörender und aufwühlender Blick in die Welt eines träumenden Vogels.

 

Gute Nacht Punpun  Originaltitel: YASUMI PUNPUN vol. 1
Autor: Inio Asano
Übersetzer: Sakura Ilgert
Illustration: Inio Asano
Verlag: Tokyopop
Erschienen: 19. März 2013
ISBN: 978-3-8420-0687-4
Seitenzahl: 224 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahre (Verlagsempfehlung)


Die Grundidee der Handlung
Punpun ist Grundschüler, und schon ist das Leben sehr kompliziert: sein saufender Vater verprügelt die labile Mutter und wird verhaftet, während die Mutter für längere Zeit im Krankenhaus verbleiben muss und sich sein arbeitsloser Onkel Yuichi um ihn kümmert. Hinzu kommen die ersten, vorpubertären sexuellen Erfahrungen und ein erstes Interesse der Geschlechter füreinander – für den jungen Punpun eine sehr verwirrende Zeit, in der er immer wieder in seine Fantasiewelt entflieht und kurze Gespräche mit Gott führt. Als er sich in die junge Aiko verliebt, und sie aufgrund der bevorstehenden Rohstoffknappheit und der Umweltverschmutzung das Aus für die Menschheit sieht, sucht Punpun nach einer Möglichkeit, mit ihr auf einem anderen Planeten zu leben …

Inio Asano bezeichnet sich selbst als „Freeter“ („Freelancer“ und „Arbeiter“), einer Generation von Jugendlichen, die zwar Schule und Uni abgeschlossen haben, jedoch große Angst davor haben, sich in das System der unsicheren Arbeitswelt einzufinden und stattdessen in Lethargie verfallen. Dies spiegelt sich auch in seiner ersten Serie Gute Nacht, Punpun wieder, in der ein hingekritzeltes kleines Vögelchen die Hauptrolle übernimmt. So wundert es nicht, dass Band 1 dieser tiefsinnigen Geschichte eine bedrückende, nachdenklich machende Stimmung erzeugt.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Der Manga wird nach japanischer Art von hinten nach vorne und von rechts nach links gelesen, der Druck erfolgt monochrom. Die Story startet mit dem Panoramablick eines typisch japanischen Ortes, bei dem die Reihen von Einzelhäusern bis an die Bäume am Horizont heranreichen. Schon dieses erste Bild verspricht ein sehr gefälliges Artwork, denn die Häuser sind so detailstark wiedergegeben, dass es sich fast schon um ein entsättigtes, überzeichnetes Foto handeln könnte. So ist das Bild viel zu schade zum schnellen Überblättern und wer es genau betrachtet, wird in ihm versteckt das erste Mal den Vogel erkennen, der hier die Hauptrolle spielt. Auch später zeichnet Asano immer wieder Panoramen, Industrie- und Wohngebäude oder Innenansichten mit dieser stechenden Präzision.

Auf den ersten Eindruck hat Asano eine eigenwillige Charakterzeichnung. So scheint der Grundschullehrer ein hibbeliger und alberner Typ zu sein, der sogar völlig ausrastet, wenn die Kinder ihre Hausaufgaben nicht machen. Ähnlich schräg drauf sind auch der Korektor und der Direktor der Schule, die aufgrund von Langeweile in der Schule verstecken spielen. Auch sind viele der Figuren – Miyo Ota, Aiko Tanaka oder die Polizisten in Kapitel 2 – abseits des Streams optisch sehr attraktiver Manga-Charaktere orientiert, dabei aber authentischer mit ihren völlig normalen Makeln. Zwar gibt es einige sehr hübsche Porträts von Aiko, so z.B. in der Krankenstation der Schule, wird sie aber im Seitenprofil oder breit lächelnd mit ihrer Zahnlücke gezeigt, erfüllt sie zumindest nicht die weit verbreiteten Schönheitsstandards. Zeichnerisch sind sie alle jedoch sehr genau und detailliert wiedergegeben und bezeugen auch hierbei Asanos Können.

Der Hauptcharakter, Punpun, wird tatsächlich – wie seine Eltern und Onkel Yuichi – als eine grob gezeichnete Karikatur eines Vogels dargestellt. Gemeinsam leben sie in einem ganz normalen Haus, auf den ersten Blick scheint es aber, dass sie keine Arme haben, so wird die Gewalt des trinkenden Vaters, ohne die schlagenden Arme, ausgedrückt, indem er Punpuns Mutter mit dem Kopf rammt. Doch hier täuscht der erste Eindruck: später, z.B. beim Zähneputzen, zeichnet Asano dünne Arme an Punpun, ebenfalls in dem gleichen, gekritzelten Stil. Da Punpun und seine Familie von der Außenwelt der Menschen als völlig normal angesehen werden, bleibt es nun dem Leser zu entscheiden, ob die dargestellte Gestalt des Vögelchens tatsächlich real oder nur ein verstörendes Selbstbild eines kleinen Jungen ist, der sich in eine Fantasiewelt zurückzieht und diese Figur als eine Art Pseudonym verwendet. Dieser Gedanke macht die Geschichte umso bedrückender.
Als Punpuns Vater verhaftet wird, stellt der Mangaka nicht nur das Verhalten des kleinen Vögelchens auffällig heraus, sondern auch die Unschlüssigkeit seiner Klassenkameraden, wie sie mit ihm in dieser schwierigen Zeit umgehen oder auf das Gehörte reagieren sollen.

Punpuns Gedanken und einige, sehr wenige Aussagen werden grundsätzlich in weißer Schrift vor schwarzem Hintergrund in einem eigenen Panel dargestellt – eine seiner Vogel-Figur direkt zugeordnete Sprechblase sucht man vergebens, so dass man den Eindruck gewinnt, dass Punpun so gut wie nie spricht und ein sehr stiller Schüler ist, der seinen Kummer für sich behält. Die Dialoge der Menschen in seinem Umfeld sind hingegen ganz normal zu Papier gebracht. Geräusche werden sowohl in japanischen Schriftzeichen, als auch in deutschen Wörtern ausgedrückt.

Gelegentlich stolpert man über Aneinanderreihungen von einzelnen Bildern – von Punpuns Gottesvorstellung, Weltraumszenen, Albert Einstein oder einer Gruppe Gehängter – die ohne Kontext und weitere Erklärung im Raum stehen. An anderen Stellen ergeben sie sich schon eher aus dem Zusammenhang, z.B. als Punpun sich erste kindliche Gedanken über Sexualität und das Zusammensein mit Mädchen macht.


Aufmachung des Manga
Die Gestaltung des Taschenbuchs in Klappbroschur – in dem üblichen Manga-Format gehalten – ist einerseits sehr schlicht, andererseits durch das knallige Gelb des Umschlags und die nach außen geprägte Kontur eines grob gekritzelten Vogels schon wieder ein Hingucker. Auf der hinteren Klappe finden sich Kurzinformationen zum Autor.


Fazit
Gute Nacht, Punpun ist eine tiefgründige und eher anspruchsvolle Story zu einem Grundschüler, der nicht nur unter schwierigen sozialen Verhältnissen aufwächst, sondern auch mit ersten Gedanken und Erfahrungen zur Sexualität eines Heranwachsenden klarkommen muss. Eine bedrückende Geschichte, die eine Brücke zwischen der Realität und seiner eigenen Fantasiewelt schlägt.


4 Sterne


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