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Ich liege in der Dunkelheit. Sie sehen mich: Gefesselt, ausgeliefert, blind. Ich weiß, dass sie darauf warten, Millionen von Menschen. Dass sie mein Schweigen nicht begreifen. Dunkelheit. Schmerz. Angst. Er wird zurückkommen, und ich kann nur beten ... Beten, dass es ein rascher Tod ist, den er für mich bereithält.

Eine Leiche treibt inmitten von Seerosen im Wasserbecken des Altonaer Volksparks. Der Tote war Sohn einer der besten Familien der Stadt: Falk Sieverstedt - jung, sensibel, auf der Suche nach sich selbst. Kurz zuvor hatte er in der zynischen Reality-Live-Show «Second Chance» angerufen – seit Monaten das Thema in der Hansestadt – und vor Millionenpublikum seinen Selbstmord angekündigt. Ein Skandal, und doch ein Routinefall. Hauptkommissar Albrecht und seine Kollegin Hannah Friedrichs wollen die Ermittlungen schon einstellen, da gibt es Hinweise auf weitere mysteriöse Selbstmorde. Und dann verschwindet Hannah spurlos.

 

Oeffne deine Seele 

Autor: Stephan M. Rother
Verlag: rowohlt
Erschienen: 03/2013
ISBN: 978-3499259869
Seitenzahl: 512 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Hauptkommissar Albrecht hat seinen ersten Dienst nach der sechsmonatigen Zwangspause nach dem letzten Fall (Ich bin der Herr deiner Angst) und prompt wird eine Leiche gefunden: Der Firmenerbe Falk Sieverstedt liegt tot in einem Seerosenteich des Altonaer Volksparks, nachts eine etwas zwielichtige Gegend mit sehr speziellem Publikum. Der Skandal ist groß und schnell ergibt sich eine Verbindung zur Fernsehshow „Second Chance“, in der der mysteriöse Marius seinen „Freunden“ telefonisch zynische Lebenshilfe erteilt. Als Hannahs frühere Verbindung zu Marius‘ Anwalt bekannt wird, zieht Albrecht sie von dem Fall ab. Sie ermittelt stattdessen in einem Fall von Selbstmord einer jungen Frau. Dann stellt sich heraus, dass auch diese Tote kurz vor ihrer Tat bei „Second Chance“ angerufen hatte. Als Hauptkommissar Albrecht endlich erkennt, wie die Zusammenhänge wirklich sind, ist es für Hannah schon fast zu spät. Und dann geht der Täter auf Sendung …

Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten, kann ich kaum auf die Grundidee der Story eingehen, mir hat sich jedoch der Verdacht aufgedrängt, dass Stephan M. Rother versucht, in seinen Augen erfolgreiche Versatzstücke anderer Thriller zu einem eigenen Werk zusammenzufügen. Dies gelingt jedoch nicht durchgängig, einiges wirkt abgekupfert und insgesamt ufert seine Handlung viel zu sehr aus.


Stil und Sprache
Zunächst fällt auf, dass bereits auf den ersten Seiten geheimnisvolle Andeutungen gemacht werden, die vermutlich sofort Spannung erzeugen sollen: „Hätten wir damals, Mitte Juni, ahnen können, dass es längst im Gange war?“ (Seite 13). Nicht gerade die eleganteste Art, einen Thriller zu beginnen, aber vertretbar. Erzählt wird die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, da sind zunächst Hannah Friedrichs als Ich-Protagonistin sowie ihr Kollege Jörg Albrecht, der in der dritten Person seine Sicht der Dinge schildert. Darüber hinaus treten aber auch weitere Erzähler auf, wenn es die Situation erfordert, allerdings ist nicht immer auf Anhieb klar, wer gerade „dran“ ist. Denn Stephan M. Rother schreibt sehr ausführlich, schildert kleinste Details, egal, ob diese wichtig sind oder nicht. Damit nimmt er viel Tempo aus der Handlung und so bleibt zwischendurch immer wieder die Spannung auf der Strecke. Ein wenig Straffung hätte dieser durchaus gut getan, ebenso wie eine etwas gradlinigere Handlung. So verschwurbelt sich der Autor in seiner eigenen Detailversessenheit und verzettelt sich auf allen möglichen Nebenschauplätzen, die letztendlich völlig belanglos sind. Beispielhaft seien erwähnt die „dunklen Geschäfte“ im Altonaer Park, Menschenhandel, Kinderprostitution, sektenähnliche Strukturen in Marius‘ Umfeld, Medienkritik … das ist mir einfach zu viel und führt dazu, dass alle diese Themen nur angerissen und nicht vertieft werden können.


Figuren
Hauptkommissar Albrecht war sechs Monate nicht im Dienst und wenn man die ersten Seiten seines Auftritts liest, könnte man den Eindruck gewinnen, er solle besser noch etwas länger wegbleiben. Ein bisschen schräg kommen seine Gedankengänge beim Leser an und man kann sich nicht wirklich mit ihm identifizieren. Er ist einfach eine Nummer zu verschroben und schrullig, außerdem agiert er nicht immer glaubwürdig. Zum Beispiel nimmt er das Verschwinden seiner Kollegin so wenig ernst, dass er sich erst nach mehr als einem Tag überhaupt über ihr Nichterscheinen bei der Arbeit wundert.
Auch Hannah Friedrichs selbst wirkt von Anfang an etwas aufgesetzt, kaum ein Wort verliert sie darüber, dass ihr engster Kollege nach sechs Monaten in den Dienst zurückkehrt, dafür zerspringt ihr fast das Herz, als sie ihrem verflossenen Liebhaber nach drei Jahren wieder begegnet. Hm, so richtig lebensnah kommt das nicht rüber … warum eine Polizistin, die auf eigene Faust ermittelt, sich – offenbar unbewaffnet – mit Leichtigkeit überwältigen und spurlos verschleppen lässt, erschließt sich mir ebenso wenig.

Die Nebenfiguren wirken leider genau so überzeichnet wie die beiden Protagonisten, hier ist einer schräger und exzentrischer als der andere, so dass praktisch nur komische Vögel durch die Handlung laufen. Man hat als Leser wirklich Mühe, einen halbwegs normalen Menschen aufzuspüren, das ist einfach zu viel des Guten.


Aufmachung des Buches
Das recht dicke Taschenbuch verfügt über ein sehr schlichtes Cover, das eigentlich nur aus dem in gelb-orange-rot gedruckten Titel besteht, der die gesamte Vorderseite einnimmt. Innen ist das Buch in wenige große Abschnitte eingeteilt, die jeweils die Ereignisse eines Tages wiedergeben. Am Schluss gibt es außerdem eine recht ausführliche Danksagung des Autors mit Erläuterungen zum Entstehen der Geschichte und der Figuren.


Fazit
Öffne deine Seele versucht, mit Schockeffekten und skurrilen Figuren zu punkten, verliert sich aber in merkwürdigen Bildern und unwichtigen Details und damit zu viel Tempo, um ein Pageturner zu sein. Leider nur mittelprächtige Unterhaltung für zwischendurch.


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Backlist:
Band 1: Ich bin der Herr deiner Angst

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