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Geheime Gänge, verdeckte Türen, dunkle Nischen: Als die Waise Warwara als Dienstmädchen in den Winterpalast kommt, lernt sie schnell, sich ihre Verschwiegenheit und ihren aufmerksamen Blick zunutze zu machen. Keine Intrige, die ihr entginge, kein Getuschel, das ihren Ohren verborgen bliebe. Schnell wird sie zu einer der wichtigsten „Spioninnen“ im Palast. Als die junge Sophie von Anhalt-Zerbst – die spätere Katharina die Große – an den Hof kommt und auf dem Weg zur Macht eine Verbündete braucht, wird Warwara ihre engste Vertraute. Schließlich erklimmt Katharina den Zarenthron – aus der unerfahrenen Fremden wird eine der mächtigsten Frauen ihrer Zeit.

 

Der Winterpalast 

Originaltitel: The Winter Palace
Autor: Eva Stachniak
Übersetzer: Peter Knecht
Verlag: Insel Verlag
Erschienen: 21. Oktober 2012
ISBN: 978-3458358954
Seitenzahl: 529 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die junge Polin Barbara – russisch: Warwara – ist die Tochter eines Buchbinders, der mit seiner Familie eine neue Zukunft in St.Petersburg sucht. Er restauriert für die Großfürstin Elisabeth Petrowna ein kostbares Buch, das ihr viel bedeutet, und sichert sich dadurch ihr Interesse. Als Warwara innerhalb eines Jahres beide Eltern verliert, nimmt die mittlerweile zur Kaiserin aufgestiegene Tochter Peters des Großen die Sechzehnjährige als Dienerin im Winterpalast auf. Dort wird der Kanzler Bestuschew auf sie aufmerksam und bildet sie zu seiner Spionin aus. Kurz darauf kommt die junge Sophie von Anhalt-Zerbst als Braut des Thronfolgers an den Hof und findet in der fast Gleichaltrigen eine Vertraute.

Eva Stachniak erzählt die leidvollen Jugendjahre der späteren Zarin Katharina II. am Hofe ihrer Vorgängerin sehr glaubwürdig und verbindet dabei Fakten und Fiktion zu einem interessanten und stimmigen Roman.


Stil und Sprache
Der Leser erlebt die Geschichte – in der Ich-Form - ausschließlich aus Sicht der jungen Barbara. Dadurch ist er immer nahe am Geschehen, sieht aber die historischen Hauptfiguren aus einer gewissen Distanz heraus, was sie glaubwürdiger und lebendiger erscheinen lässt, als wenn Sophie/Katharina selbst die Erzählerin wäre. Das Buch liest sich leicht und flüssig, die Sprache ist der damaligen Zeit angepasst, ohne aufgesetzt zu wirken. Die Autorin hat die tatsächlichen geschichtlichen Ereignisse sehr gut recherchiert und sehr geschickt mit den fiktiven Elementen verwoben.

Das russische Reich Mitte des 18. Jahrhunderts galt im übrigen Europa als geheimnisvoll und rückständig. Die fremden Sitten und Gebräuche, die andere Religion, der unvorstellbare Luxus des Hofes und die öffentlich zur Schau getragene „Günstlingswirtschaft“ der Zarin Elisabeth wird sehr detailliert und anschaulich beschrieben. Dagegen bietet Warwaras persönliches Leben mit ihrer Familie außerhalb des Palastes und ihr Umgang mit Händlern, Dienstleuten und Soldaten einen guten Einblick in das Leben des einfachen Volkes.
Im Winterpalast in St. Petersburg hielt sich die Zarin Elisabeth Petrowna am liebsten auf, von daher spielt das Gebäude im Buch eine große Rolle. Die Räumlichkeiten des alten – nicht mehr angemessenen - Palastes und die des von ihr veranlassten Neubaus werden wiederholt ausführlich beschrieben, sowohl die prachtvollen Festräume und das kaiserliche Schlafzimmer, als auch die zugigen Dachkammern und dunklen Stiegen, die der Dienerschaft vorbehalten waren. Der Leser kann sich tatsächlich ein gutes Bild von diesem Barockschloss machen, zu dem die passende Illustration auf dem Titelblatt sehr schön beiträgt.


Figuren
Eva Stachniak hat ihre Figuren sehr liebevoll und vielschichtig gezeichnet. Bei den historischen Hauptpersonen – Zarin Elisabeth, Thronfolger Peter und Sophie-Katharina – hält sie sich sehr nah an die Quellen, baut aber auch sehr geschickt die schon zu Lebzeiten Katharinas kursierenden Spekulationen um die Herkunft ihrer Kinder ein. Etwas Wahres könnte tatsächlich daran sein, denn dass das Militär ihre Machtübernahme und den Sturz des Zaren Peter unterstützte, lässt darauf schließen, dass sie sehr gute persönliche Verbindungen zu den Führern der Garden hatte, obwohl sie unter der Herrschaft Elisabeths sehr isoliert lebte und von deren einflussreichen Höflingen abgelehnt wurde.
Die kinderlose Elisabeth hatte ihren Neffen Peter zum Thronfolger gemacht und erkannte zu spät, dass er unfähig und kindisch war und mit seiner Verehrung für Friedrich den Großen sogar Russlands Feind hofierte. Ihre ganze Hoffnung setzt sie daher auf einen Sohn des Thronfolgerpaares, der aber viele Jahre auf sich warten lässt, da Peter kaum Interesse an seiner Frau zeigt. Als Katharina schließlich doch schwanger wird, gibt es zwar Gerüchte bei Hofe, insbesondere bei ihren Gegnern, aber die Zarin erkennt das Kind – einen Sohn – an, nimmt ihn der Mutter fort und erzieht ihn selbst. Katharina darf ihn nur selten sehen und bleibt ihm zeitlebens fremd.

Die fiktive Warwara ist das Glied, dass die einzelnen Elemente der historischen Handlung miteinander verbindet. Durch ihre Augen beobachtet man das Leben in der nächsten Umgebung der Zarenfamilie. Die einfühlsame Darstellung von Katharinas Erniedrigung, ihren Ängsten und Gefühlen wecken im Leser Interesse und Teilnahme und lassen ihn bei ihrem Kampf um ihre Freiheit und die Macht bis zuletzt mitfiebern.


Aufmachung des Buches
Für ein Taschenbuch ist „Der Winterpalast“ sehr stabil, mit ausklappbaren Umschlagseiten aus fester Pappe. Das Cover zeigt eine junge Frau, die durch den verschneiten Park auf den Eingang des Schlosses zueilt, das dem Roman seinen Namen gegeben hat. Das Motiv wiederholt sich etwas verkleinert unter der Inhaltsangabe auf der Rückseite.

Einem kurzen Prolog schließen sich 12 unterschiedlich lange Kapitel an, die im Jahre 1743 beginnen und mit dem Epilog 1764 enden. Ein Verzeichnis der wichtigsten historischen Personen, die in diesem Zeitraum am russischen Hof lebten, sowie eine Danksagung der Autorin bilden den Schluß des Buches.


Fazit
Eva Stachniak beschreibt atmosphärisch dicht, spannend und authentisch den Aufstieg einer unbedeutenden deutschen Prinzessin zu einer der mächtigsten Frauen ihrer Zeit, der einzigen Herrscherin, die in der Geschichtsschreibung den Beinamen „die Große“ erhielt.


4 5 Sterne


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