Drucken
Kategorie: Thriller

Sie hat die schreckliche Wahrheit gesehen – durch die Augen eines Mörders

»Ich will etwas sagen, doch es kommt nur ein komisches Krächzen heraus. Mein Kopf dröhnt, es fühlt sich an, als würde er platzen. Es wird dunkel, ich sinke zu Boden.
Ich werde mich nie daran gewöhnen, durch die Augen eines anderen zu sehen. Es ist, als sähe jeder Mensch die Welt in einer anderen Farbe. Es kommt mir vor, als setzte ich ein Puzzle zusammen – was sehe, höre, rieche ich? Lauter Hinweise. Verdammt. Wer ist es?
Ich sehe ein Bett. Ein Laken. Es ist dunkelrot. Und nass. Ganz nass. Auf dem Bett liegt etwas. Jemand. Es ist ... O nein!
Ihr schwarzes Haar umrahmt ihr blasses Gesicht. Sie hat die Arme hilflos neben sich ausgestreckt, in jedem Handgelenk klafft ein langer, blutiger Schnitt.
Nein. Nein. Nein. Das passiert nicht wirklich. Dann sehe ich, was ich in meinen verhüllten Händen halte.
Eine lange, silberne Klinge.«

 

Slide 

Originaltitel: Slide
Autor: Jill Hathaway
Übersetzer: Susanne Goga-Klinkenberg
Verlag: Fischer FJB
Erschienen: 26. September 2012
ISBN: 978-3-8414-2149-4
Seitenzahl: 320 Seiten

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Die 16-jährige Vee leidet an Narkolepsie und droht immer wieder, von plötzlichen Schlafanfällen übermannt zu werden. Schlimmer als die Krankheit an sich ist für sie aber der Umstand, dass sie sich bei solchen Anfällen manchmal plötzlich in den Körpern fremder Personen wiederfindet. Eines Abends erfährt sie so vom Tod einer Schülerin – durch die Augen eines Mörders! Doch für alle anderen macht der Tod des Mädchens den Eindruck eines Selbstmordes ...

Die Fähigkeit Vees, während ihrer narkoleptischen Anfälle in andere Körper zu ‚rutschen', ist für das Buch von zentraler Bedeutung und wird gut und nachvollziehbar umgesetzt. Leider trifft das nicht auf andere Elemente des Romans zu. Es gibt einen – bei Jugendbüchern mit weiblicher Hauptfigur mittlerweile beinahe obligatorischen – neuen Jungen in der Stadt, der natürlich unheimlich gut aussieht und von allen Mädchen umschwärmt wird, der sich allerdings nur für Vee interessiert. Die Zusammenhänge, die sich im Lauf der Handlung ergeben, scheinen etwas weit hergeholt und zu einer Auflösung des Mordfalles kommt Vee nur durch Zufall. Dennoch ist die Lektüre von Slide dank der Figuren und der Sprache kurzweilig und unterhaltsam.


Stil und Sprache
Die Handlung wird im Präsens und in der Ich-Form aus Vees Sicht geschildert, wobei sich eines einfachen Stils und umgangssprachlicher Formulierungen bedient wird. Auf ausführliche Umgebungsbeschreibungen wird kein besonderer Wert gelegt. Schauplätze werden jedoch in bestimmten Details, je nachdem, worauf sich Vees Fokus gerade richtet, beschrieben oder sie werden grob dargestellt, sodass man sich durchaus ein Bild des Umfeldes machen kann. Über ein Klassenzimmer erfährt man so zum Beispiel Folgendes: „Ich suche mir einen Punkt, auf den ich mich konzentrieren kann, und entdecke ein Poster mit einem Kätzchen, das von einem Ast hängt. Darunter steht: Häng dich rein, Baby! Es soll wohl motivierend wirken." (S.8).

Der Einstieg in den Plot beginnt direkt und die Geschichte wird dann in 30 Kapiteln und einem Epilog weitererzählt. Als Leser entwickelt man den verschiedenen Figuren gegenüber ziemlich schnell Sympathien und Antipathien und die Handlungsmotivationen sind nachvollziehbar. Sehr weit hergeholt erscheint dagegen das Mordmotiv, das eher unglaubwürdig wirkt. Der flüssige Schreibstil sorgt dafür, dass man beim Lesen schnell vorankommt. Die Spannung, die aufgebaut wird, wird anfangs recht konsequent aufrecht erhalten, lässt im Mittelteil allerdings ein wenig nach. Der Showdown hebt sich zwar gut an, endet aber unverhofft und recht schnell wieder. Die unterschiedlichen Gefühle der Protagonisten werden sehr gut umgesetzt, lassen mitfiebern, bedrücken oder schockieren: „Keine Beschönigung, nur die nackten, hässlichen Worte. Ich reiße das Pflaster ab und warte auf den Schrei. Ihre Schultern fallen herunter, dann senkt sie die Augen. Ich erkenne förmlich, wie sich das Wissen durch ihren Körper arbeitet, bis alle Muskeln schlaff werden. Zuerst im Gesicht. Dann in den Armen. Dann im Oberkörper." (S.196).


Figuren
Die 16-jährige Sylvia Bell, genannt Vee, ist der Hauptcharakter der Geschichte und da man die Geschehnisse aus ihrer Sicht betrachtet, erfährt man im Verlauf der Handlung einiges über sie. Sie lebt mit ihrem Vater, einem Kinderchirurgen, und ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Mattie zusammen, für die sie oft die Verantwortung übernehmen muss, da ihr Vater wenig Zeit hat und oft nicht da ist. Sie leidet an Narkolepsie und vermag während ihrer Schlafanfälle in fremde Körper zu gleiten. Ihre Mutter starb an Krebs und hatte wie sie hellblonde Haare, was Vee dazu brachte, sich ihre Haare pink zu färben, um nicht ständig durch ihr eigenes Spiegelbild an sie erinnert zu werden. Trotz des darum auffälligen Äußeren ist sie ein ruhiger Typ, der eher wenig Beachtung findet und dies nach einem gewissen Vorfall in der Vergangenheit auch bewusst zulässt.

Jenes Ereignis verbindet sie zudem mit Archie Rollins, der nur Rollins genannt wird. Er ist ihr bester Freund, arbeitet in einem Plattenladen, schreibt eine Schülerzeitung und kümmert sich um Vee. Freitagabends machen sie oft Filmabende, allerdings immer nur bei Vee zu Hause. Rollins hat lange braune Haare und zupft mitunter unbewusst an seinem Lippenpiercing. Es wird erwähnt, dass er eine Art fotografisches Gedächtnis habe, was später leider keine Rolle mehr spielt, obwohl dies eine recht interessante Eigenschaft ist, die durchaus mehr Bedeutung hätte bekommen können.

Leider erfährt man über Zane Huxley, den Neuen an Vees Schule, relativ wenig, was allerdings auch plotbedingt ist. Die Faszination, die er auf Vee ausübt, ist dadurch jedoch etwas schwerer nachzuvollziehen, wenn auch letztendlich verständlich, da beide Gemeinsamkeiten haben, die sie einander verbunden machen. Die weiteren Akteure, beispielsweise die Cheerleader Samantha und Amber oder Vees Schwester Mattie, werden ihrer Wichtigkeit für die Handlung entsprechend umgesetzt, so wird der Charakter Matties ausführlicher beschrieben als der von Samantha. Insgesamt erscheinen die Personen aber ganz gut ausgearbeitet.


Aufmachung des Buches
Slide ist als Hardcover verlegt und hat einen Schutzumschlag, auf dessen Cover das ‚einreißende' Gesicht einer jungen Frau mit braunen Haaren zu sehen ist. Diese Idee an sich passt gut zur Handlung, ist allerdings etwas unglücklich umgesetzt, da die Frau auf dem Cover keine Ähnlichkeit mit Vee hat, deren Haare rosa gefärbt sind. Auf den nach innen zeigenden Klappseiten des Umschlags sind eine Inhaltsbeschreibung und eine kurze Autorenvita vor dunklem Grund platziert und auf der Rückseite findet sich hauptsächlich die Wiedergabe einer Schlüsselszene. Der Einband selbst ist in einem gedeckten Dunkelrot gehalten und auf dem Buchrücken sind in weißer Schrift Titel, Autorin und Verlag gedruckt, sodass das Buch auch ohne den Schutzumschlag im Regal problemlos wiederzufinden ist. Am Anfang befindet sich eine Widmung, ein Inhaltsverzeichnis oder ein Nachwort gibt es dagegen nicht. Die Schrift ist relativ groß und so lassen sich die Seiten gut und schnell lesen. Neue Kapitel beginnen auf der dem Kapitelende folgenden Seite und werden ohne Namen, nur mit entsprechender Kapitelnummer betitelt (z.B. 11. Kapitel, 27. Kapitel usw.). Der erste Buchstabe im ersten Satz eines neuen Kapitels wird als Initiale durch eine größere Schrifttype hervorgehoben. Besonders auffällig ist das geschlossene Augenlid, das unter den zentriert gesetzten Seitenzahlen gedruckt ist.


Fazit
Slide bietet dank flüssigem Schreibstil und interessanten Akteuren eine kurzweilige Lektüre, auch wenn Plot und Spannungsaufbau nicht gänzlich überzeugen.


3 5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de