„Das letzte Schuljahr kommt auf die Klasse von 1999 zu. Wie die meisten meiner Mitschüler bin ich mir unsicher, was ich davon erwarten soll. Aber ich nehme an, dass ich mehr Spaß haben werde als in allen Schuljahren bisher. Auf jeden Fall mehr Freiheit.“ (Dylan Klebold, Attentäter, in einem Schulaufsatz zum Thema „Senior Predictions“ am 18.08.1998)

„Ich erwarte, dass ich in diesem Jahr lerne, meine Meinungen und Überzeugungen in einer zivilisierten, respektvollen Weise zu äußern. Und ich hoffe, mehr über die Menschen um mich herum, ihr Verhalten, ihre Überzeugungen zu lernen und gleichzeitig ihre Meinungen zu respektieren... Insgesamt, glaube ich, wird das Jahr voller Überraschungen sein.“ (Eric Harris, Attentäter, „Great Senior Expectations, 19.08.1998)

Joachim Gaertner erzählt die innere Geschichte des Attentats an der Columbine Highschool anhand von Originaldokumenten, Tagebüchern, Interneteinträgen, Verhörprotokollen und Aussagen von Beteiligten. Die Dramaturgie seiner literarischen Montage öffnet den Blick für das Ungeheuerliche einer Tat, die von den Tätern bis ins kleinste Detail in der Fantasie, in literarischen Szenen, Tagebüchern, auf Internetseiten und in Videos ausgebildet wurden, bis sie schließlich katastrophale Realität wurde.

Autor: Joachim Gaertner Verlag: Eichborn Berlin Erschienen: 2009 ISBN: 978-3-821-85848-7 Seitenzahl: 192 Seiten

Stil und Sprache
Am 20. April 2009 jährt sich das unfassbare Attentat von Columbine zum zehnten Mal. Joachim Gaertner unternimmt mit diesem Buch den Versuch, die Geschichte der beiden Todesschützen Eric Harris und Dylan Klebold zu erzählen. Das Buch wird zwar im Untertitel als „Dokumentarischer Roman“ bezeichnet, enthält allerdings weitgehend autobiografische Texte und Aufzeichnungen aus Vernehmungsprotokollen. Anhand zahlreicher Originaldokumente, Videoaufzeichungen und Verhörprotokolle rekonstruiert der Autor die Entwicklung der selbsternannten „Natural Born Killers“. Von grausigen Fantasien, die Harris und Klebold in Wort und Bild (v.a. in selbst aufgezeichneten Videos, den sogenannten Basement Tapes) festhielten, bis hin zur Umsetzung dieser Fantasien in die Realität. Das Buch ist zutiefst erschütternd. Es offenbart, dass Klebold und Harris hochintelligente Jugendliche waren, die eine ungeheuer entwickelte Ausdrucksfähigkeit besaßen. Und es zeigt die Abgründe, die schwindelerregender nicht sein könnten.
Sprachlich-stilistisch hat der Autor hier einiges geleistet. Auch wenn man argumentieren mag, dass die Texte gar nicht von ihm stammen, da es sich um Originaldokumente handelt. Aber die Zusammenstellung des ursprünglich weitgehend ungeordneten Materials, das Gaertner 2006 vom Jefferson County Sheriff's Office zur Verfügung gestellt wurde, zeugt davon, dass der Autor ein hervorragendes Gespür für die Entwicklung einer Geschichte aus Fragmenten heraus besitzt. Dramaturgisch hat Gaertner eine unglaublich spannende Story entwickelt, die von der Struktur her bisweilen an ein Drama erinnert. Dass es sich dabei um reale Dokumente handelt, ist umso erschütternder.

Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden. Das Cover ist sehr sachlich gehalten. Kein Bild, keine auffällige Schrift. Diese Aufmachung wird dem Inhalt auf alle Fälle gerecht. Man kann diese Geschichte nicht in ein Bild fassen. Dem Massaker von Columbine würde eine bildliche Darstellung einfach nicht gerecht. Auf dem Vorsatzblatt finden sich Zeichnungen in schwarz-weiß aus den Originaldokumenten.

Fazit
Eine Lektüre, die unter die Haut geht. Auch wenn viele Fragen, die sich nach einem solch schrecklichen Ereignis stellen mögen, im Ansatz beantwortet werden, kann dieses Buch natürlich auch nicht klären, wie so etwas möglich ist. Das Buch wirft viele weitere Fragen auf – und ist gerade deshalb so wichtig.
Sehr zu empfehlen!

Hinweise
Rezension von Sigrid Grün

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