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Nirgendwo haben politische Mythen eine so zentrale Rolle gespielt wie in Deutschland. Die Nibelungen oder Kaiser Barbarossa, Faust, Friedrich der Große oder Hermann der Cherusker, der Rhein, die Wartburg oder das „Wirtschaftswunder“ - die Mythen, die sich um sagenumwobene Orte, historische Ereignisse und Personen ranken, prägten die Nation und ihr Selbstverständnis. Wie haben sie sich im Lauf der Zeit gewandelt? Hat sich ihre Kraft erschöpft? Oder sind sie noch heute von Bedeutung? Herfried Münkler geht diesen Fragen nach und lässt so, wie nebenbei, die Geschichte und Mentalität der Deutschen plastisch werden.

 

  Autor: Herfried Münkler
Verlag: Rowohlt Berlin Verlag
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-871-34607-1
Seitenzahl: 606 Seiten 


Stil und Sprache
Herfried Münkler war mir bislang als profilierter Fremdheitsforscher ein Begriff. Der Sammelband „Kulturthema Fremdheit“ von Münkler/Ladwig ist ein Standardwerk in diesem Bereich. Deshalb war ich schon sehr gespannt auf „Die Mythen der Deutschen“. Ich bin nicht enttäuscht worden. Münkler ist mit diesem umfangreichen Band ein Rundumschlag gelungen, der sich mit Sicherheit in die Riege der Standardwerke zum Thema einreihen wird. Der politische Mythos ist kein einfaches Thema. Aber gerade seine Komplexität macht es zu einem unglaublich interessanten und vielschichtigen Forschungsfeld. Dies spiegelt sich auch in Sprache und Stil wider. Man kann hier einfach keinen „easy reader“ erwarten, weil eine zu starke Vereinfachung dem Thema nie gerecht werden könnte. Die Lektüre erfordert auf alle Fälle ein gerüttelt Maß an Konzentration – im Gegenzug wird man reichlich belohnt. Münklers Kompetenz in dem Bereich ist wirklich enorm. Man bemerkt auf jeder Seite, dass der Autor sich seit 20 Jahren intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat.

„Die Mythen der Deutschen“ gliedert sich in fünf große Kapitel:
1. Die Nationalmythen, wie beispielsweise Barbarossa, das Nibelungenlied und Faust,
2. durch politische Mythen geprägte Vorstellungen des Eigenen und Fremden, also der Versuch einer Identitätsfindung beim Übergang vom Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zum neugegründeten Kaiserreich,
3. den Preußenmythos und das damit verbundene deutsche Sonderwegsbewusstsein,
4. an Orten und Räumen orientierte Mythen, wie beispielsweise Burgen und Berge als Symbole und schließlich
5. politische Mythen nach dem Zweiten Weltkrieg, die sehr stark von dem Verhältnis zwischen der BRD und der DDR bestimmt waren und vom Modell der Gegenmythen geprägt wurden.

Im Zuge dieser Lektüre werden dem Leser viele Zusammenhänge vor Augen geführt, die es ermöglichen, auch das gegenwärtige politische Selbstverständnis besser zu verstehen. Und allein dieses Wissen um Zusammenhänge des Vergangenen mit der Gegenwart ist eine große Bereicherung für jeden.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Der Informationsgehalt dieses Buches ist enorm. Man kann es nicht einfach so „weglesen“. Ein umfangreicher Anhang (über 100 Seiten) ist auch den Endnoten und dem Literaturverzeichnis gewidmet. In meinen Augen ein großer Vorteil des Buches, da man sehr gut damit arbeiten kann und den Band immer wieder zur Hand nehmen wird. Münkler ist in der Lage, sein umfangreiches Wissen klar und gut nachvollziehbar zu vermitteln. Es ist also nicht die Art der Wissensvermittlung, die die Lektüre nicht gerade einfach macht, sondern die hohe Komplexität der Inhalte.
Wer sich wirklich für das Thema interessiert und tiefer in die Materie eindringen möchte, wird hier ein großartiges Buch finden, das man immer wieder zu Rate ziehen wird. Empfohlen sei es also vor allem historisch und kulturwissenschaftlich Interessierten, die sich nicht mit einer einstündigen Doku im öffentlich-rechtlichen Fernsehen begnügen können und wollen.


Aufmachung des Buches
Bei dem vorliegenden Band handelt es sich um ein fest gebundenes Buch mit Lesebändchen und Schutzumschlag. Auf dem Schutzumschlag ist Arminius der Cheruskerfürst (Detmolder Hermannsdenkmal) als typische Symbolfigur nationaler Identität abgebildet. Die Gestaltung des Covers ist eher schlicht und damit für eine eher wissenschaftlich orientierte Lektüre sehr gut geeignet.
Im Buch selbst findet man einige schwarz-weiße Abbildungen, überwiegend Stiche, vereinzelt Gemälde, die die beschriebenen Mythen aufgreifen.


Fazit
In meinen Augen ist „Die Deutschen und ihre Mythen“ eine sehr dichte und damit gewinnbringende Lektüre, die ich mit Sicherheit immer wieder zur Hand nehmen werde. Es ist ein spannendes Buch, das dem Leser eine Vielzahl von neuen Einsichten ermöglichen wird. Der Preis ist für ein Buch, das derart fundiert recherchiert ist und sich sicherlich als Standardwerk etablieren wird, wirklich gering.
Meine absolute Empfehlung!


 


Hinweise
Rezension von Sigrid Grün
Herzlichen Dank an den Rowohlt-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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