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Kategorie: Krimis

September in Pioppica, die Badesaison neigt sich dem Ende zu. Als im Wald nahe dem Dorf eine Mädchenleiche gefunden wird, brechen sich Aberglaube und Fremdenfeindlichkeit Bahn: Man beschuldigt wahlweise den sagenhaften Kinderfresser, den Dorftölpel oder die Schausteller des gastierenden Wanderzirkus. Doch durch die Risse manch braver Fassade drängt ein uraltes Drama ans Licht.

 

Die toten Maedchen vom Cilento 

Originaltitel: Il Circo delle Maraviglie
Autor: Diana Fiammetta Lama
Übersetzer: Esther Hansen & Julia Gehring
Verlag: Aufbau
Erschienen: 2012
ISBN:  978-3-7466-2833-2
Seitenzahl: 423 Seiten


Die Grundidee der Handlung
In einer beschaulichen Gemeinde im Cilento (Region in Italien) treibt ein bestialischer Kindermörder sein Unwesen. Kurz nacheinander werden zwei kleine Mädchen eines Wanderzirkus, der in der Gegend gastiert, erst missbraucht und dann brutal erschlagen. Schnell gehen Gerüchte im Dorf umher, der Mörder kommt aus dem Zirkus selbst, eine Schauergestalt aus einem alten Märchen, die sich in den Wäldern herumtreibt, ist zurück. Doch oft hört man auch: "Es sind ja nur Zigeuner..." Erst als es die kleine Preziosa trifft, die Enkelin eines der einflussreichsten Personen des Ortes, wird die Bestürzung real und es beginnt eine wahre Treibjagd nach möglichen Schuldigen. Maresciallo Santomauro hat es in diesem Wirrwarr nicht einfach. Eine richtige Spur ist nicht ersichtlich und erst als der alte Pfarrer und kurz darauf Gina, eine jugendliche Herumtreiberin ermordet werden, verdichten sich die vielen Ermittlungsergebnisse zu einem Bild. Doch möglicherweise ist es zu spät, denn die Bestie hat ihr nächstes Opfer bereits in ihren Fängen.

Der Autor verknüpft gekonnt die beschauliche Urlaubsidylle eines kleinen Italienischen Badeortes mit dem Wüten eines pädophilen Serienmörders. Dabei zeigt er in erschreckender Weise, wie schnell sich Meinungen bilden und wie einfach diese zu beeinflussen sind. Nur die schöne Landschaft hellt die bedrückende Stimmung etwas auf.


Stil und Sprache
Diana Fiammetta Lama präsentiert uns hier den zweiten Fall ihrer Serie um Maresciallo Simone Santomauro. Das gewählte Thema, ein pädophiler Mörder treibt sein Unwesen, ist nicht leicht, wird von der Autorin aber sehr gut umgesetzt. Der Täter bekommt dabei anfänglich eine sagenhafte Aura. Sie bringt Vergleiche mit Figuren aus alten Märchen und stellt den Täter auf die gleiche Stufe.  Da über lange Zeit nicht ein noch so kleiner Hinweis auf eine Person der Gegend fällt, wird uns beim Lesen ein leichtes Horrorgefühl suggeriert. Die Spannung und Atmosphäre steigt immens an, wenn mit diesem Hintergrund ein kleines Mädchen durch einen dunklen Wald rennt. Bereits auf den ersten Seiten - ein Schwein wird geschlachtet und der erste Mord passiert - bekommt der Leser einen sehr genauen Einblick auf das, was ihn erwartet. Bis ins kleinste Detail werden diese Szenen beschrieben. So genau, dass zart besaitete Menschen diese Seiten besser überblättern. Neben der besonderen Atmosphäre sorgen die wirklich schrecklichen Szenen mit viel Blut, offenen Wunden, Dreck und seelischer Grausamkeit für wahre Gänsehautschauer. Verstärkt wird das Ganze noch durch detailreiche und sehr realistische Beschreibungen der Landschaften, die auf der einen Seite durch Sonne und Strand auf der anderen Seite aber durch düstere, einsame Wälder gekennzeichnet ist.

Die Autorin legt sehr viel Wert auf die psychologische Komponente. Neben der atemlosen Fassungslosigkeit gegenüber der wirklichen brutalen und skrupellosen Vorgehensweise, zeigt sie uns sehr schön, wie leicht Gruppen von Menschen beeinflusst werden können. Der Mob sucht einen Schuldigen und findet ihn in schwachen Mitmenschen, egal ob schuldig oder nicht, wenn jemand gefunden wird, muss das Morden ja endlich aufhören. Dass dabei Unschuldige nur knapp dem Tod entgehen und der wahre Blick auf Spuren verwischt wird, interessiert niemanden.

Das Buch ist rein von den verwendeten Namen für Orte und Personen leicht zu lesen. Wirklich verwirrend ist nur der Anfang, da die Autorin das ganze Buch über teilweise sehr oft und schnell zwischen einzelnen Charakteren und somit auch Handlungsorten hin und her schaltet, verliert man zu Beginn auf Grund der vielen neuen Namen sehr schnell die Übersicht. Ab dem zweiten Drittel ist man aber sehr gut integriert und findet sich immer besser zurecht. Entstanden ist am Ende ein Krimi, der sich an der Grenze zum Thriller bewegt und der bis zum Schluss mit viel Spannung, aber eben auch mit kurzen humorvollen Elementen glänzt.


Figuren
Der Protagonist des Krimis ist Maresciallo Simone Santomauro. Irgendwie fühlte ich mich sofort nach Sizilien, zu Commissario Salvo Montalbano versetzt, und das obwohl die beiden bei genauerem Hinsehen nicht viel gemeinsam haben. Doch trotzdem ähneln sie sich und überzeugen beide, jeder auf seine eigene Art. Santomauro ist wie Salvo Single aus Überzeugung, er lebt in einem Haus am Strand und seine Untergebenen gehen ihm nicht selten auf die Nerven. Der Maresciallo ist jedoch ruhiger und geht gelassener mit seiner Umwelt um. Dies macht ihn extrem sympathisch, ein Mann, dem man gerne zusieht, den man gerne Tag für Tag bei seiner Arbeit begleitet. Nur scheint er diesmal an seine Grenzen zu stoßen, die Morde an den kleinen Mädchen lassen ihn nicht kalt und verfolgen ihn bis in den Schlaf.

Die Statisten sind sehr variantenreich. Vom modelähnlichen Pfarrer, der absoluter Frauenschwarm und Dorn im Auge aller Männer ist, über wegen Eheproblemen im Exil lebenden Doktoren bis hin zu einer bunt schillernden Zirkustruppe findet alles Platz. Leider auch ein abgrundtief kranker Geist, der Gefallen an der Zerbrechlichkeit kleiner Mädchen findet und seinen Trieben nicht mehr widerstehen kann. Die Autorin lässt den Leser aber sehr lange zappeln, bis zu letzten Seite bleibt diese Person eine dunkle Schattengestalt. Trotz der schlimmen Geschehnisse bleibt durch die Vielfalt an Figuren immer noch Platz für fröhliche Momente, die den Leser zwischen den schrecklichen Morden kurzfristig aufatmen lassen.


Aufmachung des Buches
Auf dem Cover des Buches befindet sich in knalligen Farben eine Nahaufnahme diverser auf einem Tisch stehender Gegenstände. Die Komposition ist etwas verwirrend, da sie nicht wirklich zum Inhalt passt. Auch dass es um Italien als Handlungsort geht, wird nicht ersichtlich. Die Qualität des Papiers ist taschenbuchüblich.


Fazit
Ein verschlafenes Nest wird von einem Pädophilen heimgesucht. Viel Spannung, ein Krimi an der Grenze zum Thriller und über allem die Sonne Italiens. Punktabzug gibt’s nur wegen des leicht verwirrenden Anfangs.


3 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Fall 1: Eine Leiche zu Ferragosto