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Kategorie: Mythen und Historik

Es hat jemand den Wald erschaffen, auf dass Kinder sich darin verirren mögen. Nennen wir ihn Gott. Nennen wir ihn den doppelköpfigen Grimm. Er hat knorrige Bäume in ihm gesetzt, ihn mit Flüssen durchzogen, deren Wasser Leben und Tod bringen, und hat ihn in Nebelschleier gehüllt. Sodann hat er über den Bäumen den Mond und den Morgenstern aufgehängt, denn die Kinder sollten sich zwar verirren, aber doch nicht gänzlich. Dann hat er die Wölfe losgelassen ...

In manchen Fällen geschieht es, dass Kinder glauben, sie seien dem Wald entkommen, dass sie groß werden wie vorgesehen, sie in Wahrheit jedoch einer Täuschung erliegen, denn sie irren noch immer wie im Nebel umher. Wenn all dies geschieht, dann macht man sich besser bereit für die Reise seines Lebens.

 

Das Zeichen des Mondes 

Originaltitel: LA SIGNE DE LA LUNE
Autor: Enrique Bonet
Übersetzer: Ulrich Pröfrock
Illustration: José Luis Munuera
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: März 2012
ISBN: 978-3-551-73423-5
Seitenzahl: 134 Seiten
Altersgruppe: empfohlen ab 8 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Das junge Mädchen Artemis vergöttert den Mond. Sie schneidet ihr Haar zum Vollmond, damit es dicker als zuvor nachwächst, und sie liebt es, ihn am Nachthimmel anzusehen. Eines späten Abends überredet sie ihr kleinen Bruder, das Baumhaus im Wald aufzusuchen, um dem Licht des Mondes möglichst nahe zu sein. Doch im Baumhaus haben sich Rufo und seine Kumpels breitgemacht. Rufo ist ein mieser Schläger, doch er begehrt die schöne Artemis und versucht, sich an sie ranzumachen. Es ist so sehr von sich selbst eingenommen, dass er gar nicht bemerkt, mit welcher Arroganz er ihr begegnet. Aber er ist fest davon überzeugt, sich alles nehmen zu können was er möchte ...

Dann ist da noch Reisig, ein Junge der sich mit den Tieren verständigen kann. Aufrichtig, verständig und voller Mitgefühl. Auch er ist in Artemis verliebt, doch er empfindet wahre Liebe und nicht nur bloßes Begehren. Aber schon bald geschehen Dinge, die alles verändern ...

Obwohl der Klappentext nichts von der Handlung dieser Graphic Novell preisgibt, kündet er dennoch von dem, was einem hier zwischen den Buchdeckeln erwartet. Eine sehr feinfühlig erzähle Geschichte. Zauberhaft und tieftraurig zugleich. Wundervolle schwarzweiße Grafiken, die eine melancholische, mystische Stimmung erzeugen, die diesem modernen Märchen einen betörenden Charme verleiht.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Comics ohne Farbe sind ein seltener Anblick. Werke, deren Artwork zudem so verträumt und zauberhaft daherkommt wie jenes von „Das Zeichen des Mondes“, sind noch viel seltener. Die Grafiken in diesem Kunstwerk sind einfühlsam, düster und von einer gewissen Melancholie durchdrungen. Vor allem aber sind sie völlig monochrom. Lediglich Rot kommt hin und wieder als Schmuckfarbe zu Einsatz, was ein wenig an Schindler Liste oder Frank Miller´s „Sin City“ erinnert. Der grafische Stil von José Luis Munuera ist jedoch ein gänzlich anderer. Er ist geprägt von Figuren, deren Konturen deutlich betont sind, wodurch sie sich von den weichen Hintergründen, bei denen zarte Graustufen und eher weiche Konturen dominieren, deutlich abgrenzen. Dadurch wirken sie sehr plastisch und stehen optisch immer sehr deutlich im Vordergrund. Die knorrigen Bäume und auch die verwahrlosten Gebäude sind sehr detailreich ausgearbeitet und äußerst stimmungsvoll in Szene gesetzt. Die jeweiligen Lichtstimmungen wurden ebenso schön eingefangen. Einige der Panels strahlen geradezu eine magische Aura aus. Sie besitzen eine grandiose Wirkung, die in völliger Harmonie zur erzählten Geschichte steht.

Leichte Mangaeinflüsse bei der Darstellung der Figuren lassen sich bei Munuera ebenfalls nicht verleugnen. Auch seine bisherigen Arbeiten bei "Spirou & Fantasio" und "Die Chroniken von Sillage" haben das Aussehen seiner Figuren stilistisch geprägt. Kleidung und auch die Gesichter der Figuren sind mit deutlich mehr Details versehen, wodurch sie etwas realistischer und ernsthafter wirken und nicht so sehr im Funny Style.

Die Größe der Panels ist sehr wechselhaft. Einzelne Schlüsselmotive sind sogar zweiseitig, was ihre imposante Wirkung noch zusätzlich unterstützt. In Passagen mit hohem Erzähltempo drängt der Zeichner dann bis zu 16 recht kleine und identisch große Panels auf eine einizige Seite. Meist zeigt er dann schnelle Szenenwechsel und rasche Bildfolgen, um die Dramatik deutlich zu steigern.


Aufmachung des Comics
Die Graphic Novel ist hochwertig in Leinen gebunden. Es kommt ein leicht cremeweißes Papier mit einer matten Oberfläche zum Einsatz, was sehr schön zu den Zeichnungen passt.
Die Qualität des verwendeten Papiers und des Einbandmaterials ist sehr gut, es hätte aber ruhig noch ein wenig dicker sein dürfen. 


Fazit
„Das Zeichen des Mondes“ ist eine hinreißende Erzählung, die das Zeug zum Klassiker hat. Eine moderne Fabel, voller bildgewordener Metaphern. Das wunderschöne Artwork und die empfindsam erzählte Geschichte ist sicher auch für Comic-Gelegenheitskäufer interessant.


5 Sterne


Hinweise
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