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Kategorie: Krimis

Pellegrino Artusi, ebenso berühmter wie beleibter Gourmet, ist zu Gast auf einem idyllisch gelegenen Schloss in der Toskana. Er soll Baron Bonaiuti und seiner exzentrischen Familie ein paar Tage Gesellschaft leisten. Doch schon bald nach seiner Ankunft findet man den Majordomus tot in der Küche auf – vergiftet! Als kurze Zeit später auch noch der Baron von einem Jagdgewehr an der Schulter getroffen wird, ist Artusis ganzer Spürsinn gefragt, um das junge Zimmermädchen Agatina zu entlasten. Denn die wird von allen für die Mörderin gehalten …

 

Das Nest der Nachtigall 

Originaltitel: Odore di chiuso
Autor: Marco Malvaldi
Übersetzer: Luis Ruby
Verlag: Pendo
Erschienen: 2012
ISBN: 978-3-86612-312-0
Seitenzahl: 223 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Baron Bonaiuti vom malerischen, aber etwas abgelegenen Schloss Roccapendente, hat auf sein Anwesen geladen. Neben diversen Familienmitgliedern ist auch Herr Ciceri, ein Fotograf sowie Pellegrino Artusi, ein Gourmet, Geschäftsmann und Autor eingeladen. Doch bereits kurz nachdem sich alle auf dem Schloss eingefunden haben, wird eine Leiche gefunden. Teodoro, der Majordomus des Barons, liegt vergiftet im Keller. Da die Tür von innen verschlossen war, geht der herbeigerufene Arzt von Selbstmord aus, doch für Artusi ist schnell klar, dass es Mord gewesen sein muss. Die Begeisterung der exzentrischen, versnobten Familie geht dann auch gegen Null, als Commissario Artistico sich des Falles annimmt und ohne Rücksicht auf das Adelsgeschlecht seine Ermittlungen vorantreibt. Mit dabei natürlich Pellegrino Artusi, der nicht nur einmal den Commissario auf die richtige Spur führt.

Marco Malvaldi hat die Stimmung im heißen Juni von 1895 sehr schön und realistisch umgesetzt. Italien befindet sich im Wandel und die Aristokratie kommt mit den veränderten Bedingungen noch nicht wirklich zurecht, was der Autor durch diverse nicht immer ernst gemeinte Szenen mit der Adelsfamilie zeigt.


Stil und Sprache
Marco Malvaldi hat seinen Roman in die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts gelegt. In Italien herrscht gerade Umbruchstimmung, das Land ist dabei, sich zu vereinen und dabei alte Zöpfe wie die der Aristokratie abzuschneiden. Ein Umstand, der im Buch sehr schön zur Geltung kommt. Die Bediensteten werden als Unterschicht angesehen und von der adligen Familie auch entsprechend behandelt. Auf der anderen Seite sind es Personen wie Commissario Artistico oder auch Pellegrino Artusi, die auf den Zug aufgesprungen sind und die neu gewonnene Freiheit verteidigen. Gerade im ländlichen Italien - hier ist es die Toskana, genauer die Maremma - war es sicherlich nicht leicht, das eingefahrene System zu ändern. So liegt es dann auch nahe, dass der erste Verdacht natürlich dem Zimmermädchen gilt. Niemand könnte auch nur ansatzweise darauf kommen, dass einer aus der Familie selbst Dreck am Stecken haben könnte. Doch oft scheint es dann bei genauerem Hinsehen auch noch eine Kehrseite zu geben. Und das Offensichtliche verschwindet im Dunst neuer Erkenntnisse.

Der Autor hat seine Geschichte im Stil der Zeit geschrieben. Wobei er sich selbst dabei nicht immer ernst genommen hat. An manchen Stellen im Buch hat er diverse Seitenhiebe auf die von ihm zuvor verwendete altbackene Art untergebracht, die den leicht humoristischen Stil zusätzlich unterstreichen. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb ist der Text leicht zu lesen. Auch die verwendeten Namen von Personen und Orten fügen sich in das Gesamtbild ein und gehen leicht über die Lippen. Garniert hat er das Ganze mit intensiven, detailreichen Beschreibungen der Orte und Szenen, so dass es dem Leser sehr leicht fällt, sich auf die Story einzulassen. Eine wirklich runde und durch knackige Kürze überzeugende Kriminalgeschichte, die neben viel Humor und Gesellschaftskritik auch entsprechende Spannung und Finesse bei der Auflösung der Tat an den Tag legt.


Figuren
Die Hauptfigur in Marco Malvaldis Roman ist Pellegrion Artusi. Ein wahrer Charakterdarsteller, der mit viel Lebenserfahrung und der nötigen Ruhe und Überlegtheit vorgeht. Er ist der typische Opa-Typ, mit dem man sich gerne unterhält und dem man blind vertrauen kann. Auch wenn er selbst den Fall nicht löst, gibt er doch immer wieder dem Commissario nützliche Hinweise, die er sich mit seiner sehr guten Beobachtungsgabe angeeignet hat. Sein unbändiger Hang zum guten Essen ist ihm nicht nur körperlich anzusehen, er glänzt auch mit entsprechendem Hintergrundwissen, was die hohe Kunst des Kochens angeht.

Die Adelsfamilie um Baron Bonaiuti lässt sich mit einer kleinen Ausnahme – Cosima Bonaiuti Ferro passt nicht ganz ins Bild – in die Schublade schnöselig, großkotzig, überheblich, eben aristokratisch stecken. Vor allem die Söhne des Barons, Gaddo und Lapo, die an Dekadenz nicht zu übertreffen sind, glänzen noch dazu mit Dummheit die ihresgleichen sucht. Sie betrachten die Welt von oben herab und wollen nicht wahrhaben, dass im modernen Italien von 1895 kein Platz mehr ist für das alte Adelssystem. Commissario Artistico lässt dies die Familie gerne spüren. Für ihn sind alle gleich, ob nun das Zimmermädchen, welches überschnell als Tatverdächtige feststeht oder die verzogenen Söhne. Auch er ist ein sehr sympathischer Mann, er steht zu seinen Fehlern und geht ansonsten sehr bedacht vor. Ein wirklich witziges Sammelsurium an Figuren dieser Zeit.


Aufmachung des Buches
Ein Hardcover ganz nach meinem Geschmack. Das Buch ziert ein auf alt getrimmtes typisches Toskanabild, auf dem ein Hof zwischen hochaufragenden Zypressen steht. Druck und Papier zeigen eine sehr gute Qualität und ein braunes Stofflesebändchen rundet das sehr gute Erscheinungsbild ab.


Fazit
Ein ‚Muss’ für Freunde italienischer Krimis. Witz, Spannung und ein Touch Nostalgie sorgen für Lesevergnügen pur.


4 5 Sterne


Hinweise
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