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Wer diesen Roman noch nicht gelesen hat, ist zu beneiden. Denn ihn erwartet eine Welt voller skurriler Ereignisse und liebenswert verschrobener Figuren in Neuengland und Wien.

Verfilmt von George Roy Hill mit Robin Williams und Glenn Close in den Hauptrollen.

Der Roman, der Irving weltberühmt machte, jetzt in einer einmalig schönen Leinenausgabe.

 

Garp 

Originaltitel: The World According to Garp
Autor: John Irving
Übersetzer: Jürgen Abel / Überarbeitung: Astrid Arz, Barbara Bauer, Kati Hertzsch, Anna von Planta
Verlag: Diogenes
Erschienen: März 2012 (Neuauflage)
ISBN: 978-3-257-06815-3
Seitenzahl: 839 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Mit Garp begründete John Irving Ende der siebziger Jahre seine Schriftstellerkarriere und Diogenes feiert nun mit der schönen Neuauflage in überarbeiteter Übersetzung einen Doppelgeburtstag: den Sechzigsten ihres Verlagshauses und den Siebzigsten des großen amerikanischen Autors.

Die Handlung umspannt T.S. Garps Leben, von seiner mehr als ungewöhnlichen Zeugung bis zu seinem überraschenden Tod (er sollte nicht alt werden) und noch ein wenig darüber hinaus. Es ist einerseits der normale Ehe- und Familienalltag eines Schriftstellers, andererseits begegnen einem ganz nach Irving’scher Art (Fans wissen von was ich spreche) so ungewöhnliche Figuren und bizarre Ereignisse, dass das Wort „Normal“ kaum angebracht scheint. Genau diese Mischung ist seit vielen Jahren John Irvings Geheimrezept, das ihm verhalf, einer der anerkanntesten und beliebtesten Gegenwartsautoren zu werden.


Stil und Sprache
Irvings Alter Ego Garp ist ebenfalls Autor. Dies führt zu einer Art Doppelleben. Im Alltag ist T.S. Garp ein liebevoller Ehemann und umsorgter Vater von drei Kindern, doch wenn er schreibt – und daran lässt er die Leser in langen Auszügen teilhaben – gerät alles außer Kontrolle. Sein eigenes Leben spiegelt sich auf groteske, verzerrte Weise auf dem Papier wider. Mitunter passieren Garp in der Realität aber auch sehr merkwürdige Dinge. Sein immer gleich bleibender sachlicher und neutraler Erzählton in der 3. Person macht es dann auch aus, dass z.B. ein Mann, der auf Händen läuft, als das Normalste der Welt erscheint. In solchen Momenten kann man sich vor Lachen kaum noch halten. Doch der Humor ist hier ganz fest mit Tragik und Gewalt verwoben. Seltsamerweise gehen einem auch die traurigen und schrecklichen Ereignisse sehr nahe, trotz oder vielleicht gerade wegen der distanzierten Erzählstimme. Selbst mit den Geschichten in der Geschichte liest sich der Roman leicht, nur nicht ganz so flüssig und fesselnd wie z.B. Zirkuskind mit ähnlich gewaltigem Seitenumfang. Für meinen Geschmack machen sich etwas zu häufig Längen bemerkbar.

Eine Besonderheit, die Garp und wie er die Welt sah kennzeichnet, sollte sich erst viel später erweisen, denn alle Themen aus Garps Kurzgeschichten und Romanen finden sich in John Irvings späteren Veröffentlichungen irgendwo wieder. So entwickelt sich z.B. aus der Pension Grillparzer das spätere Hotel New Hampshire, Eine Mittelgewichts-Ehe hat große Ähnlichkeit mit Der Hahnrei fängt sich usw. Der Ringer-Sport, die Stadt Wien, Artisten, Bären, Transsexuelle und der Mediziner-Beruf werden zu beständigen Begleitern in Irvings Romanen. Feminismus, Vergewaltigung, Partnertausch sind weitere Schlagworte dieses Buches.


Figuren
Der Einstieg in die Handlung erfolgt zunächst mit einer ganz anderen Hauptperson als Garp. In den vierziger Jahren vertritt die junge Jenny Fields und später Mutter von Garp merkwürdige Ansichten über das weibliche Geschlecht und die Rolle der Frau als solche. Aus wohlhabender Familie stammend, rebelliert sie gegen den ihr zugewiesenen Platz in der Gesellschaft und entscheidet sich für den Krankenschwester-Beruf. Ihre Biografie, die sie Jahre später schreibt, macht sie zur Ikone der aufkommenden Frauenbewegung. Der Hype um ihre Person und dessen Folgen sollen nicht nur in ihr eigenes, sondern auch in das Leben von Garp und seiner Familie massiv und nachhaltig eingreifen. Da sich das Thema Feminismus wie ein roter Faden durch den Roman zieht, bleibt Jenny Fields auch dann noch für die Handlung bedeutend, wenn ihre Auftritte rar werden.

Garp und seine Frau Helen werden als ein mehr oder weniger normales, glückliches Ehepaar beschrieben. Ihre Liebe ist stark und unverwüstlich, selbst Seitensprünge, Partnertausch und ein schrecklicher Verlust können der innigen Beziehung nichts anhaben. Auch als Eltern sind die beiden vorbildlich. Bei Garp kann man schon von krankhafter Besorgnis sprechen, wenn es um seine Kinder geht.

Nebenpersonen gibt es einige; die Transsexuelle Roberta Muldoon und der Lektor John Wolf gelten vielleicht als deren wichtigste Vertreter. Roberta, ehemaliger Footballspieler, ist eine schillernde Figur, John Wolf dagegen eher der Fels in der Brandung.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist in blaues Leinen gebunden, zudem mit weißem Lesebändchen und glänzendem Schutzumschlag ausgestattet. Die Seiten sind bei dem immensen Umfang naturgemäß dünner als gewöhnlich, um Handlichkeit beim Lesen zu wahren. Passend zum Titel bildet die Coverillustration in klassischem Weiß-Schwarz-Rot einen im Bett sitzenden Mann ab, der mit seinem Fernrohr (in die Welt?) hinausblickt.

Zur überarbeiteten Übersetzung kann ich nichts schreiben, weil ich die ursprüngliche Fassung nicht kenne, doch was das Endlektorat angeht, so wurden leider einige Tipp- und Satzbaufehler übersehen. Sowas finde ich gerade bei hochwertigeren Ausgaben immer ein bisschen schade.


Fazit
Garp und wie er die Welt sah zählt 34 Jahre nach Erstveröffentlichung bereits zu den modernen Klassikern der Literatur, umso erfreulicher also, dass uns ein Doppelgeburtstag in 2012 diese schöne Neuauflage in Leinen-Hardcover beschert.
Ohne dem Roman die Bedeutsamkeit für John Irvings späteres Werk abzusprechen, zählt er für mich persönlich nicht zu den besten des Autors. Dafür hätte es bei 840 Seiten mehr „Irving‘scher Absonderlichkeiten“ und weniger Familien- und Schriftstelleralltag bedurft, doch das ist natürlich alles Ansichtssache. Eine Empfehlung ist der Roman allemal.

 
4 Sterne


Hinweise
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