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Ein schöner Frühlingsabend im Jahr 1912: Es ist Emerald Torringtons zwanzigster Geburtstag. Das schon etwas heruntergekommene Sterne-Anwesen blitzt und glänzt, ein großes Dinner mit Freunden der Familie ist geplant. Doch ein Zugunglück, nur einige Meilen entfernt, sorgt dafür, dass eine Schar derangiert aussehender Passagiere vor der Tür steht und Einlass begehrt. Von nun an läuft nichts mehr nach Plan – und dann taucht auch noch ein Nachzügler auf, der ein dunkles Geheimnis mit der Hausherrin teilt. Während draußen ein nächtlicher Sturm heraufzieht, beginnen drinnen Anstand und Dekorum davonzuwehen und dem Chaos den Weg zu bereiten …

 

Der ungeladene Gast 

Originaltitel: The uninvited guests
Autor: Sadie Jones
Übersetzer: Brigitte Walitzek
Verlag: DVA
Erschienen: 3. Septemper 2012
ISBN: 978-3421045553
Seitenzahl: 320 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Eine (fast) normale Familie im Jahr 1912. Das Anwesen der Torringtons ist aufgrund finanzieller Nöte nicht mehr lange zu halten und so beschließt Edward Swift, mit dem die Hausherrin in zweiter Ehe verheiratet ist, in die Stadt zu reisen, um bei einem ihm unliebsamen Geschäftspartner das Geld zu leihen. Der Abreisetag ist aber zugleich auch der zwanzigste Geburtstag Emeralds, den sie nun mit ihrer Mutter, ihren beiden Geschwistern, Clovis und Smudge und ein paar Bekannten feiern will. Als ein Eisenbahnunglück passiert und jede Menge überlebende Passagiere aus der dritten Klasse auf Sterne, dem Anwesen der Familie, untergebracht werden, beginnen die Probleme. Diese werden nur noch dadurch überboten, als ein einzelner Überlebender aus der ersten Klasse vor der Tür steht und Einlass fordert …


Stil und Sprache
Sadie Jones schreibt alles andere als im Stil des zurzeit vorherrschenden Mainstreams. Sie erzählt hier die Geschichte einer illustren Gesellschaft und ungewöhnlichen Familie; dies aber in sehr außergewöhnlicher, aber ebenso intelligenter Weise. Schnell wird dem Leser bewusst, dass er ein Buch in den Händen hält, das sowohl sprachlich als auch erzählerisch ausgereift ist und in perfekter Symbiose zueinander steht. Man meint einem Theaterstück beizuwohnen, einem Kammerspiel, in dem jemand die Fäden zieht und die Figuren dementsprechend reagieren, weil es gar nicht anders möglich ist.

Der Beginn scheint harmlos: eine Familie beim Frühstück, die Mutter in zweiter Ehe, der Mann, obwohl darum bemüht, von den Kindern ungeliebt. Zwei erwachsene Kinder und eine kleine Nachzüglerin. Die Mutter, um Familienidylle bemüht, und die beiden älteren Geschwister, die ihre Abneigung gegenüber dem Stiefvater nicht verhehlen können. Ganz normal also, würde man meinen, wäre die Autorin nicht Sadie Jones. Was als so oberflächliches Geplänkel scheint, ist der Auftakt zu einer zwar sehr leicht erzählten, aber dennoch mit sehr viel empathischem Gespür versehenen Familiengeschichte, deren psychologischer Tiefgang sich jedoch nur dem Leser erschließt, der aufmerksam „zuhört“ und auch fähig ist, zwischen den Zeilen die feine Ironie und die gekonnt gesetzten und pointierten Seitenhiebe herauszufiltern.
Die geschickt im Wechsel gesetzte personale und auktoriale Erzählweise erlaubt einen herrlichen Blick auf das Geschehen. So kommt man sich manchmal vor wie ein Voyeur, der sich zwischen die agierenden Figuren gemischt hat, damit nur ja keine noch so kleine Begebenheit übersehen oder überhört wird. Sukzessive baut Jones Spannung auf, zieht die Zügel immer straffer und lässt letztendlich in raffinierter Ummantelung die Bombe platzen.


Figuren
Nicht einmal zehn Personen sind es, die das Bühnenstück dominieren. Charlotte, die etwas zwiespältig erscheinende Hausherrin, Emerald, die Tochter, die ihren 20. Geburtstag feiert, Clovis, der etwas rebellische Sohn, John, ein gut begüterter Nachbar, das als Gäste geladene Geschwisterpaar Ernest und Patience, Florence, die ziemlich verhärmt wirkende Haushälterin, und dann noch der ungeladene Gast Charlie Travesham-Beechers.
Man wähnt sich in einem Stück von Alfred Hitchcock, so plastisch und greifbar sind die Darsteller ausgesucht und in Szene gesetzt, allerdings bietet Sadie Jones noch eine gute Portion subtilen Humor. Die Charaktere sind alles andere als eindimensional. Facettenreich und vielschichtig zeigt sich jede einzelne Figur. Alle sind mit derselben Liebe fürs Detail ins Leben gerufen und präsentieren sich in einer Vielfalt wie auch im realen Leben.

Gerade bei der Figur der Hausherrin Charlotte zeigt sich das ganze Können der Autorin. Mal gütig und liebevoll, dann egozentrisch, egoistisch und verantwortungslos – so ist der Leser stets angehalten sich zu fragen, welche der Eigenschaften nun das wahre Naturell der Darstellerin ist und welche davon – vielleicht aus reinem Eigenschutz – nur gespielt. Eine Bereicherung ist auch die jüngste Darstellerin, Smudge. In ihr zeigt Jones die Gedankenwelt eines Kindes so glaubhaft und authentisch, dass man meinen könnte, das Mädchen spiele im selben Raum, in dem sich der Leser aufhält. Sadie Jones offenbart mit diesen grandiosen Darstellern auf schonungslose Weise, wie leicht Menschen sich manipulieren lassen und zu was Gruppenzwang führen kann.


Aufmachung des Buches
Ein schönes gebundenes Buch mit farblich interessant gestaltetem Cover. Zweifelsohne verdient dieses Buch eine Hardcover-Ausgabe, ist dies doch alles andere als ein banaler Roman der Trivialliteratur.

Zum Zeitpunkt der Verfassung der Rezension lag lediglich ein Leseexemplar vor, sodass die innere Gestaltung um Kapitel und eventuellem Nach- oder Dankesworten nicht beurteilt werden kann.


Fazit
Einfach herrlich! Liebt man Bücher, die intelligent geschrieben sind und den Leser zum Mitdenken anregen, so ist man mit dieser Geschichte sehr gut beraten. Auf sehr innovative Weise und mit einer guten Portion feinem Humor lässt Sadie Jones den Leser hinter die Kulissen einer ach so feinen, gehobenen und angesehenen Familie blicken. Ein Buch, das man wärmstens empfehlen kann!


5 Sterne


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