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Violet war noch so weit bei Bewusstsein, dass sie den Atem des Mannes im Nacken spürte. Sie hatte Angst. Eine wahnsinnige Angst. Sie verstand genug von dem, was er sagte, um zu merken, dass er gefährlich war.

Er war ihr gefolgt, mitten in der Nacht. Und er wusste, dass sie die Tote gefunden hatte. Sie sah, wie er den Griff des Gewehrs umfasste, dann schaute er sie an. „Es tut mir wirklich leid, dass du sie entdeckt hast“, sagte er traurig. „Ich wollte nicht, dass noch jemand sterben muss.“

 

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Originaltitel: The Body Finder. Desires of the Dead
Autor: Kimberly Derting
Übersetzer: Sylke Hachmeister
Verlag: Coppenrath
Erschienen: Januar 2012
ISBN: 978-3-649-60149-4
Seitenzahl: 347 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Vielleicht hätte ihr der immer wiederkehrende Traum von einem Mann ohne Gesicht, von dem zweifelsohne Gefahr ausgeht, eine Warnung sein sollen. Als Violet mit ihrer Freundin Chelsea auf Shopping-Tour ins Hafenviertel von Seattle geht, vernimmt sie ein Zerren, ein Rufen, ein untrügliches Zeichen ihrer besonderen Gabe. Ein gewaltsam ums Leben gekommenes Wesen ist ganz in der Nähe. In einem stählernen Frachtcontainer auf der Puget Sound Werft. Da sie ihr Geheimnis nicht preisgeben darf, muss sie die unheimlichen Klänge der Harfe vorerst ignorieren. Doch es lässt ihr keine Ruhe, so dass sie im Morgengrauen an den Ort des Geschehens zurückkehrt und kurzentschlossen den Notruf wählt. Sechs Tage dauert es, bis der vierjährige Junge mit blondem Haar und Engelsgesicht in seiner Heimat Utah beerdigt wird. Der Fall ist abgeschlossen. Doch kann Violet wirklich aufatmen? Der Teenager fühlt sich nicht nur beobachtet, plötzlich scheint auch das FBI an Violet interessiert. Noch schlimmer sind allerdings die tote Katze, eine bedrohliche Botschaft und anonyme Anrufe. Violet zieht sich zurück und versucht, ihre Ängste und Nöte allein zu bewältigen. Bis schließlich sogar ihre Beziehung zu Jay am mangelnden Vertrauen zu scheitern droht …

Mit großem Einfühlungsvermögen lässt Kimberly Derting die emotionale Schieflage Violets durchblicken. Die Zwickmühle zwischen Geheimnis und Hilferuf ist uneingeschränkt nachvollziehbar. Kombiniert mit spannenden Ereignissen wird der Leser allumfassend gut unterhalten.


Stil und Sprache
Mit „Ruf der verlorenen Seelen“ setzt die Autorin ihre Geschichte aus „Bodyfinder: Das Echo der Toten“ kontinuierlich fort. Hauptfigur der Handlung ist nach wie vor Violet Ambrose, die mit ihrer Gabe, gewaltsam zu Tode gekommene Tiere oder Menschen und deren Mörder aufzuspüren, eine große Verantwortung trägt. Die Ereignisse des vorliegenden Romans werden in vierunddreißig Kapitel nebst Pro- und Epilog in dritter Person Singular größtenteils aus ihrer Sicht geschildert. Ausnahmen bilden kurze Sequenzen aus der Perspektive einer anfänglich unbekannten Person.
Der unkomplizierte Schreibstil und die einfache Sprache ermöglichen einen angenehmen, schnellen Lesefluss. Mit dem Prolog weckt Kimberly Derting die richtige Stimmung für risikoreiche sowie mystische Vorkommnisse. Das erste Kapitel macht sodann einen Zeitsprung von fünf Wochen zurück in die unmittelbare Vergangenheit. Zwischen Alltag an der High School und eingeflochtenen Erinnerungen Violets finden sich auch Quereinsteiger schnell zurecht. Der Leser verfolgt Violets Taten und Gedanken aus erster Hand, erlebt sowohl Zwiespalt als auch Gefahr. Ebenso wie den Folgen der besonderen Fähigkeit, widmet sich Kimberly Derting auch der Beziehung zwischen dem jungen Mädchen und ihrem Freund Jay Heaton. Die Romanze zeigt im zweiten Band der Serie deutliche Schattenseiten. Die junge Liebe wird auf eine harte Probe gestellt. Violet verstrickt sich in den selbst auferlegten Zwängen, ihr Geheimnis zu wahren, und muss entscheiden, welchen Weg sie diesbezüglich in Zukunft einschlagen will. Eine Option bietet der neue Charakter Sara Priest, die sich als Profiler an Violets Hilfe bei der Aufklärung von Mordfällen interessiert zeigt. Die Autorin ermöglicht ihrer Heldin hiermit großes Entwicklungspotenzial. Doch zunächst übermannen Violet die aktuellen Ereignisse. Nicht nur sie, mit ihr auch der Leser, versuchen Zeichen zu deuten und Vermutungen anzustellen, nur um schlussendlich auf falsche Fährten hereinzufallen. Kimberly Derting führt allesamt an der Nase herum und punktet mit überraschenden Wendungen. Gegen Ende des Romans wird es dahingehend turbulent und man bangt um Violets Wohlergehen. Offene Fragen und der Epilog machen schon jetzt neugierig auf die Fortsetzung.


Figuren
Violet Ambrose befindet sich im Kreis von Familie und Freunden, an ihrer Seite ihr langjähriger bester Freund und jetziger Beziehungspartner Jay Heaton. Dennoch kann sie nicht losgelöst und sorgenfrei die Seele baumeln lassen und ihr Teenagerdasein genießen. Zu groß ist die Last ihres Geheimnisses, zu schwer die Schuldgefühle, ihren Lieben Kummer und Sorge zu bereiten. Doch die Sechzehnjährige kann nicht aus ihrer Haut – ein Leben in Normalität ist für sie angesichts ihrer Fähigkeit, das Echo der Toten und ihrer Mörder sehen, hören, schmecken oder aber spüren zu können, nicht möglich. Auch aktuelle Ereignisse lassen ihr keine Ruhe, führen jedoch dazu, Distanz zu vertrauten Personen aufzubauen. Ein Schritt, der sie in naher Zukunft in Bedrängnis bringt. Dennoch vermittelt die Autorin die widersprüchliche Gedankenwelt des Teenagers absolut nachvollziehbar. Mit neuen Charakteren erhält die Bodyfinder-Welt frischen Schwung. Sowohl zwei neue Schüler an der White River High School, Mike und Megan Russo, als auch eine Beraterin der Behörden bringen das Alltagsgefüge mächtig ins Wanken. Letztere, Sara Priest, ist als Fallanalytikerin für das FBI, private Ermittler und Anwälte tätig. Derzeit arbeitet sie verbissen an der Aufklärung eines Mordes, mit dem auch Violet durch ihre Gabe in Berührung kommt. Sara greift in ihrem Job auf die Unterstützung bestimmter Menschen mit unkonventionellen Begabungen zurück, Talenten wie Violet. Die Schülerin bangt um die Offenlegung ihrer Fähigkeiten, möchte andererseits auch gern helfen. Doch mit wem könnte sie darüber sprechen?

Die Charaktere zeigen verschiedene Entwicklungsstufen, eine Achterbahnfahrt ihres Teenagerdaseins. Die Autorin verdeutlicht, wie einsam Violets Gabe macht, bietet aber mit Sara und Rafe, ebenfalls eines besagter Talente, ein Zeichen der Hoffnung, eben nicht ganz so allein zu sein. Man darf auf weitere personelle Fortschritte innerhalb der Serie gespannt sein.


Aufmachung des Buches
„Ruf der verlorenen Seelen“ erscheint . wie schon der Vorband - in gebundener Form mit Schutzumschlag im Coppenrath Verlag. Das Covermotiv setzt dieses Mal weniger auf Kontrast, unterstützt dafür jedoch die trübe, melancholische Grundstimmung des Romaninhalts. Vom glatten, dunklen Hintergrund heben sich der Buchtitel, leicht erhaben, und ein schwimmendes Blatt mit Schlüssel darauf in mattem Druck ab. Leider ist die Serienzugehörigkeit weder optisch noch durch den Zusatz „Bodyfinder“ ersichtlich, wahrlich ein Manko!
Der Buchrücken gibt eine gefährliche Situation der Handlung wieder und weckt damit die Leselust. Die Innenklappen halten weitere Informationen zu Inhalt und Autor bereit.


Fazit
Mit „Ruf der verlorenen Seelen“ gelingt Kimberly Derting eine würdige Fortsetzung um ihren „Bodyfinder“ Violet Ambrose. Die Ereignisse gestalten sich spannend und bewegend. Im zweiten Band der Serie kommen insbesondere die negativen Aspekte der besonderen Gabe zum Ausdruck. Die Atmosphäre ist zeitweise sehr düster, die Handlung gefährlich. Die Heldin des Geschehens muss eine wichtige Entscheidung treffen, woraus neue Möglichkeiten resultieren, die die Neugier auf die Fortsetzung schüren.


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Hinweise
Rezension von Patricia Merkel
Herzlichen Dank an den Coppenrath-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Backlist:
Band 1: Das Echo der Toten


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