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 Ursula Poznanski


Am 15.03.2012 war die Autorin Ursula Poznanski zu Gast im "Digitalen Wohnzimmer" der Leipziger Buchmesse und ich habe mich sehr gefreut, dass sie sich trotz des Messetrubels Zeit für ein Interview genommen und sich mit mir über die Unterschiede im Schreiben für Jugendliche und Erwachsene, über kommende Buchprojekte und Stapel ungelesener Bücher unterhalten hat.


Sie haben Japanologie, Publizistik, Rechtswissenschaften und Theaterwissenschaften studiert, und arbeiten seit 1996 als Medizinjournalistin. Wie passt das Schreiben von Romanen dazu?

Ich habe das zwar alles tatsächlich studiert, allerdings nacheinander und nichts davon fertig, das muss ich vielleicht dazu sagen. Das waren alles Versuche einer wissenschaftlichen oder akademischen Karriere, die früher oder später im Sande verlaufen sind - unter anderem, weil ich eben einen Job als Medizinjournalistin bekommen habe. Das war auch mehr blindwütiger Zufall, der zu einer langen Berufsphase von zwölf Jahren geworden ist. Ich mache das immer noch ein bisschen, aber nur noch in Randgebieten, also vielleicht noch drei, vier Stunden pro Woche.


Sie konzentrieren sich also mehr auf das Schreiben von Romanen?

In erster Linie schreibe ich jetzt - also seit ungefähr 1,5 Jahren - tatsächlich Romane, ja.


Wobei Sie sich die Ausdauer für längere Texte als Kurzgeschichten und Gedichte selbst zunächst gar nicht zugetraut haben. Wenn ich mir nun "Erebos", "Saeculum" und "Fünf" anschaue, scheinen Sie diesbezüglich keine Schwierigkeiten mehr zu haben?

Das hat mich selbst überrascht. Ich dachte wirklich, ich bin eher der Typ für die kurze Form, aber es funktioniert. Ich glaube auch, es ist einfach eine Entwicklungssache. Ich hätte mit 20 wahrscheinlich keine 300 Seiten-Bücher schreiben können, weil es mir da tatsächlich an der Ausdauer gemangelt hätte. In der Zwischenzeit - wodurch, weiß ich nicht - hat sich dieses Problem selbst erledigt.


Für Ihren Thriller "Erebos" haben Sie den Deutschen Jugendliteraturpreis 2011 (Jugendjury) gewonnen. Das war sicherlich ein fantastisches Gefühl.

Das war unglaublich. Es war fast ein bisschen irreal. Ich erinnere mich auch kaum noch - an den Moment schon, aber das, was ich anschließend gesagt habe, weiß ich kaum noch. Es war ein bisschen wie ein Schock - wenn auch ein positiver.


Anfang November letzten Jahres ist dann ja auch "Saeculum" erschienen. Am Ende des Buches bedanken Sie sich bei Oliver Plaschka für "eine sehr amüsante Einführung in die Welt des Live-Rollenspiels" - das in diesem Buch eine entscheidende Rolle spielt. Sind Sie bis "Saeculum" mit diesem Thema nicht in Berührung gekommen?

Ich habe ein paarmal auf Mitterlaltermärkten mit live-Rollenspielern gesprochen, mir ein bisschen was erzählen lassen. Ich habe auch viel im Internet darüber gelesen und Oliver habe ich dann einfach konkrete Fragen gestellt und die hat er ganz großartig beantwortet.


Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Thriller in einem Rollenspiel-Milieu anzusiedeln?

Eigentlich war es andersherum. Ich wollte ein bisschen auf Agatha Christies Spuren wandeln. Ich wollte ein Szenario haben, in dem eine Gruppe von Menschen abgeschlossen weit entfernt vom nächsten Stützpunkt der Zivilisation sitzt und dort in eine schwierige Situation kommt. Ich wollte das immer gerne in einem Wald machen und dann brauchte ich einen Grund, warum die in den Wald gehen. [lacht] Das ist ja nichts, das man einfach so macht, sich dahin setzten und mal fünf Tage ohne Feuerzeug und ohne Handy und all diese Dinge verbringen. Also brauchte ich einen Grund und da war ein Mittelalter-Rollenspiel ideal.


Eine besonders interessante Figur ist Iris, die nur im Spiel mit ihrer Harfe ein wenig Ruhe finden kann. Diese Szenen sind sehr eindringlich und liebevoll geschrieben. Spielen Sie selbst ein Instrument?

Ich habe mir aufgrund dessen eine Harfe gekauft, weil ich sehen wollte, wie schwierig das ist - und es ist ziemlich schwierig. Aber nein, dafür hat mir die Ausdauer gefehlt. Ich habe Klavier gelernt, ich habe Gitarre gespielt - allerdings mehr Lagerfeuer-Gitarre -, aber darüber ist es nicht hinaus gegangen. Ich würde nicht sagen, dass ich irgendein Instrument beherrsche.


Sowohl "Erebos" als auch "Saeculum" haben eines gemeinsam: die Manipulation von Menschen. Was fasziniert Sie an dieser Thematik?

Das ist etwas, dem wir in ganz vielfältiger Weise jeden Tag ausgesetzt sind, ohne dass wir es bemerken. Es ist schon oft gesagt worden, aber durch die Medien zum Beispiel - allein dadurch, was uns jeden Tag als schön dargestellt wird. Ich wüsste gerne, was wir schön fänden, wenn wir es nicht immer sehen würden - das wären vielleicht ganz andere Sachen oder ganz andere Menschen. Vielleicht hätten wir eine ganz andere Ästhetik. Aber man wird so sehr durch das geprägt, was man jeden Tag vor Augen geführt bekommt, dass man irgendwann eigentlich nicht mehr weiß, was das eigene Empfinden ist. Und das ist ein Thema, das mich tatsächlich sehr beschäftigt und einer der Gründe, warum das in meinen Büchern eine Rolle spielt.
Auf der anderen Seite ist das natürlich auch etwas, dass man in einem Roman wahnsinnig gut "verbraten" kann, wodurch sich sehr spannende und manchmal auch missverständliche Situationen ergeben.


Nun sind "Saeculum" und "Erebos" im Loewe-Verlag erschienen. Letzten Monat (Februar 2012) ist Ihr neuster Thriller mit dem Titel "Fünf" veröffentlicht worden, allerdings im Wunderlich-Verlag. Warum dieser Verlagswechsel?

Es ist kein Verlagswechsel, es ist ein zweiter Verlag. "Fünf" ist definitiv kein Jugendbuch und Loewe ist ein Jugendbuchverlag. "Fünf" ist an erwachsenes Lesepublikum gerichtet und daher bei einem Erwachsenenbuch-Verlag besser aufgehoben.


Während "Saeculum" eher von subtiler Spannung lebt, ist "Fünf" deutlich brutaler und blutiger. Haben Sie sich über die Jugendthriller langsam herangetastet?

Es fühlt sich für mich nicht wie ein Herantasten an. Es sind zwei recht verschiedene Arten des Schreibens und auch der Herangehensweise für mich gewesen. Es gibt natürlich ganz viele Überschneidungen - also in der Art, wie ich die Geschichte entwickle oder auch im Schreibstil -, aber es unterscheidet sich schon.


Sie sind selbst Geocacherin.

Ja.


Was begeistert Sie an diesem Hobby?

Ich habe das in erster Linie begonnen, um meinen Sohn ins Freie zu zerren, weil er genau so gerne spazieren geht wie andere Zwölfjährige. Und es war eine Möglichkeit, somit für ihn ein bisschen Sinn hineinzulegen. Also wenn man sagt, man geht was suchen. Eine Schatzsuche war immer ganz spannend. Und eigentlich bin ich dadurch dann auf das Thema gekommen.


Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, Leichenteile in den Caches zu verstauen?

Auf die Idee kommt man, indem man so einen Cache hebt, sich irgendwo unter einer Wurzel hervor zerrt, den Schlamm abwischt und sich denkt, da könnte jetzt wirklich alles drin sein. Da könnte jetzt ein Finger drin sein ... Und in diesem Moment, wenn man den Cache aufmacht und ganz froh ist, dass doch nur eine Glasmurmel drin ist, da hat es dann weitergearbeitet. Was wäre wenn ...? Was könnte da noch drin sein? Und so kam dann die Idee.


Sie verstehen es hervorragend, sowohl mit subtilen als auch greifbaren Details für Gänsehaut zu sorgen. Gefällt es Ihnen, Ihren Lesern Schauer über den Rücken zu jagen?

Ja, schon. Ich lese das auch selbst gerne. Es ist ein Effekt, den ich als Leser mag und den ich dann als Autor natürlich auch erzeugen möchte.


Das ist wahrscheinlich schwieriger, als es nachher gelesen wirkt.

Wenn das Schreiben so vor sich hinfließt und man selbst in der Situation drin steckt, ist das gar nicht so schwierig. Das kommt aber auch immer ein bisschen auf die Tagesverfassung an. Aber an sich sind das die Stellen, die mir zu Schreiben besonders viel Spaß machen.


Beatrice Kaspary und Florin Wenninger sind überaus sympathische Figuren, wie ich finde. Und ich hoffe - auch wenn ich Einzelbände in der Flut der Trilogien und Mehrteiler sehr schätze -, dass es noch weitere Fälle für die beiden zu lösen geben wird.

Es ist jetzt ein zweiter in Arbeit.


Das freut mich. Und damit erledigt sich auch schon meine nächste Frage, nämlich woran Sie derzeit arbeiten ... Steht denn schon fest, wann wir diesen lesen können?

Der wird ziemlich genau in einem Jahr erscheinen.


Darf man denn auch noch mit einem weiteren Jugendthriller rechnen oder konzentrieren Sie sich nun mehr auf Bücher für Erwachsene?

Ich möchte gerne beides machen. Ich finde, es hat beides seinen eigenen Reiz. Wie gesagt, es ist eben ein anderes Schreiben und ich möchte nichts davon missen. Ich finde es wahnsinnig schön, wenn ich mit einem Buch fertig bin, mich wieder auf eine andere - ich will jetzt nicht sagen Schreibebene, das ist es nicht -, aber es ist ein bisschen wie ein Schalter im Kopf, den man umlegt und dann ist es wieder mehr die Erwachsenen-Schreibe, dann wieder mehr die jugendliche Schreibe, für die man dann auch wieder die eigene Jugend in sich entdeckt, was ich auch total schön finde. Ich bin sehr glücklich damit, beides machen zu können.


Ich habe von "Fünf" das Hörbuch gehört. Hören Sie sich dieses auch an?

Ja, beim Autofahren.


Wie ist das denn, wenn man sein eigenes Buch von jemand anderem gesprochen hört?

Ich finde das toll! Ich habe bisher auch das Glück gehabt, dass mir die Umsetzungen sehr gut gefallen haben. Auch die Kürzungen - das war immer geschickt und gut gemacht. Es ist einfach toll, wenn der eigene Text in ein anderes Medium umgesetzt wird. Das macht Spaß und es kommen einem manche Sachen auch wieder ganz fremd vor.


Hören Sie generell gerne Hörbücher oder nur Ihre eigenen?

Doch, ich höre auch ganz gerne Hörbücher, aber grundsätzlich immer nur auf langen Autofahrten während des Fahrens.


Ansonsten greifen Sie lieber zum Buch?

Ansonsten lese ich lieber.


Welches Buch liegt derzeit auf Ihrem Nachttisch?

Oh mein Gott. Auf meinem Nachttisch ... Ich habe einen wahnsinnig hohen Stapel mit noch nicht gelesenen Büchern und habe gerade "Die Tigerfrau" von Téa Obreht beendet - das hat mir sehr gut gefallen. Und jetzt habe ich einen unglaublich großen Stapel, aus dem ich mir was aussuchen muss.


Schön, dass es nicht nur uns Rezensenten so geht [lacht]

[lacht]
Es war jetzt gerade Buchendphase für das nächste Jugendbuch und da war einfach kein Lesen mehr angesagt, da fehlt die Zeit. Und jetzt habe ich die Qual der Wahl.


Nun habe ich noch ein, zwei Fragen zum Schreiben selbst: Haben Sie bestimmte Rituale, beispielsweise eine feste Schreibzeit oder eine festgelegte Seitenzahl pro Tag?

Also ich habe ein Ziel [lacht] Ich ziele in der Angangsphase eines Romans immer so ab zwischen 1000 und 1500 Worten am Tag, gegen Ende eher 2000, weil dann meistens die Zeit knapp wird.
Das ist es, was ich versuche. Das klappt manchmal gut, manchmal weniger gut und manchmal klappt es gar nicht. Aber das ist das Ziel, das ich mir stecke. Ansonsten ... Rituale ... Ich trinke ziemlich viel Tee und in Schreibkrisen esse ich Schokolade. Ich höre meistens Musik dabei - ich habe eine ganze Sammlung von Filmsoundtracks -, die ich mir über Kopfhörer währenddessen einspiele, um mich so auch ein bisschen abzuschotten und mich in ein Schreibvakuum zu versetzen.


Ihre Familie weiß dann auch, dass Sie nun am Schreibtisch sitzen ...

... nö, die stören mich trotzdem [lacht] Das ist aber auch okay, ich bin nicht so störungsanfällig. Ich kann unterbrechen und dann weiter schreiben.


Schreiben Sie denn eher wild drauflos oder planen Sie alles bis ins kleinste Detail?

Ich plane, aber nicht bis ins kleinste Detail. Ich plane Start, Ziel und Zwischenstationen; das, was sich zwischen den Stationen tut, plane ich nicht. So bleibt auch immer noch Raum für Veränderungen. Das ist für mich ganz wichtig, weil mir manchmal beim Schreiben noch Ideen kommen, die sich in der Planungsphase nicht ergeben haben, die dann aber oft besser sind als das, was ich mir in der Planungsphase überlegt habe. Und das will ich dann auch umsetzen können. Ich weiß trotzdem immer, wo ich hin ziele, was am Ende passieren soll, und wie es sich auflöst - das muss ich persönlich wissen, sonst klappt bei mir das Schreiben nicht -, der Rest ist variabel, aber im Prinzip eigentlich auch geplant, nur bin ich dazu bereit, das über den Haufen zu Ursula Poznanski 2schmeißen.


Kommt es denn auch mal vor, dass Ihre Figuren Sie überraschen?

Ja! Mir ist es zum Beispiel passiert, dass sich zwei Figuren, von denen ich wollte, dass sie sich vertragen, gar nicht verstanden haben. Das war wirklich anders angedacht, doch dann kamen sie das erste Mal zusammen und haben gestritten. Das passiert, ist aber auch in Ordnung. Es ergeben sich manchmal ganz winzige Kleinigkeiten, die so nicht mit eingeplant waren.


Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie mir ein paar Fragen beantwortet haben und freue mich, dass wir uns kennen gelernt haben!

Ich freue mich auch, es war sehr schön!

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