Tief in den Wäldern der Hedmark liegt ein grausames Verbrechen begraben.
Ein Verbrechen hat sich ereignet. In einer Hütte, tief im dichten Wald der Hedmark. Eine ganze Familie wird auseinandergerissen. Jahrzehnte später ruft die alte Matriarchin Evelyn alle wieder zusammen. Vor ihrem Tod, an ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag, müsse sie ihnen unbedingt etwas Wichtiges mitteilen. Mit unguten Vorahnungen reist Wilhelm aus den USA an. Seit mehr als dreißig Jahren hat er seine Mutter nicht mehr gesehen. Auch der Schauspieler Robert erhält von der merkwürdigen alten Dame eine Einladung, zusammen mit einer rätselhaften Karte und einem Schlüssel …
Am Ende finden sie sich wieder dort ein, wo das Übel seinen Ursprung genommen hat, dort, wo der Wald schwarze Schatten wirft. Und sie blicken in den Abgrund ihrer Vergangenheit.
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Originaltitel:Under de dype skyggene av løvtunge trær |
Die Grundidee der Handlung
Was beim Lesen des Rückentextes eher nach einem großen Familientreffen klingt, bei dem eine Tragödie aus der Vergangenheit aller aufgearbeitet wird, liest sich im Buch dann doch ganz anders: Evelyn will eigentlich nur ihren einzigen Sohn Wilhelm wiedersehen und lädt ihn daher ein, sie an ihrem fünfundachtzigsten Geburtstag in Norwegen zu besuchen. Außerdem hat sie im Fernsehen einen Schauspieler gesehen, in dem sie ihren Enkel Robin vermutet und schickt ihm eine Karte sowie den Schlüssel zu einem Ort, von dem sie nur weiß, dass dort etwas Schreckliches passiert sein muss. Wilhelm, der sein Leben lang auf der Flucht vor sich selbst war, flieht auch dieses Mal und macht sich aus den USA auf den Weg nach Norwegen. Robert hingegen will der Einladung von Evelyn eigentlich nicht folgen, sein kleiner Sohn Lukas findet aber die vermeintliche Schatzkarte und bringt ihn dazu, mit ihm loszuziehen. Und so führen die Wege der vier unaufhaltsam aufeinander zu und bringen ein grausames Verbrechen zutage, ohne das vieles anders gekommen wäre.
Es ist nicht einfach, dieses Buch zu beschreiben, ohne zu viel zu verraten. Eine spannende Geschichte von Schuld, Lügen und Selbstbetrug entwickelt sich unvorhersehbar auf ein dramatisches Finale hin und als Leser bleibt man nachdenklich zurück und fragt sich, ob man selbst auch zu derartigen Handlungen und Entscheidungen fähig wäre.
Stil und Sprache
Kari Brænne hat bereits in ihrem zweiten Roman einen sehr persönlichen Stil entwickelt, knapp, fast lakonisch erzählt sie die Geschichte einer verratenen Liebe, die mehrere Menschen ins Verderben führt. Dabei entwickelt sie drei Erzählstränge, immer abwechselnd kommen Evelyn, Robert und Wilhelm zu Wort und man kann als Leser perfekt verfolgen, wie sich die drei aufeinander zu bewegen, ohne dass sie etwas am Ausgang des Dramas ändern könnten. Obwohl es eine Weile dauert, bis man Zugang zur Geschichte und den etwas schroffen Charakteren findet, kann man sich später kaum noch von der hochspannenden Entwicklung lösen.
Besonders gut gefallen hat mir die Tatsache, dass Kari Brænne in der Lage ist, die unterschiedlichen Erzähler ihrer Handlung auch mit verschiedenen Sprachstilen auszustatten. So kommt beispielsweise in Roberts Abschnitten oft auch dessen Sohn Lukas zu Wort, der in seiner kindlichen Phantasiewelt lebt, mit seinem Stoffhund gefährliche Abenteuer im heimischen Garten erlebt und auch sehr kindlich erzählt. Er hat ebenso seinen speziellen Blick auf die Dinge wie Evelyn, die alles aus der Sicht der alten, gebrechlichen Frau erzählt, die schon zu viel gesehen hat und vom Leben enttäuscht und verbittert ist. Insgesamt vollbringt die Autorin hier eine runde Leistung, sie schreibt zugleich spannend und anspruchsvoll. Als i-Tüpfelchen gibt es dann noch ein Ende, das zumindest ich so nicht erwartet habe, das aber vollkommen konsequent und logisch erdacht wurde.
Figuren
Es gibt nicht allzu viele Figuren, die wirklich eine Rolle spielen in diesem Roman. Da ist natürlich Evelyn, die außer zu ihrer früheren Nachbarin Aslaug keinerlei menschliche Kontakte hat. Mit Aslaug verbindet sie eine Art Hassliebe, einerseits ist sie froh, ab und zu mit jemandem sprechen zu können, andererseits ist sie insgeheim neidisch, dass Aslaug Familie und Bekannte hat, von denen sie erzählen kann. Die Boshaftigkeit, die Evelyn immer wieder zeigt, ergibt zusammen mit dem Mitleid, das sie beim Leser durch ihre körperliche Hilflosigkeit erzeugt, eine explosive, aber auch faszinierende Persönlichkeit, der das Leben übel mitgespielt hat, ohne dass sie Schuld daran trägt.
Über Wilhelm erfährt der Leser zunächst nur Bruchstücke, was in seinem Leben zum großen Bruch geführt hat, wird erst sehr spät klar. Das gleiche gilt für Robert, auch er ist eine zerrissene Persönlichkeit, voller Ängste und Zwänge, die ihn fast in den Wahnsinn treiben. Lukas ist ein phantasiebegabtes Kind, hat den Kopf voller Geschichten und Abenteuer, für ihn ist alles nur ein spannendes Spiel.
Alle Charaktere haben gemeinsam, dass sie sehr detailreich ausgedacht sind, keine Spur von Klischee in sich tragen und eine einzigartig faszinierende Wirkung auf den Leser entfalten. Wenn man bedenkt, dass die drei Erwachsenen dabei noch nicht einmal besonders sympathisch sind, ist das der Autorin großartig gelungen!
Aufmachung des Buches
Das relativ großformatige Taschenbuch ist in Klappbroschur ausgeführt und ganz in dunkelblau gehalten. Auf dem Cover sieht man eine Holzhütte in einem nächtlichen Wald, eine Krähe sitzt davor auf einem Ast und vermittelt ein Gefühl von Bedrohung. Innen gibt es 42 recht kurze Kapitel und dazwischen immer wieder in kursiver Schrift Teile eines Monologs einer unbekannten Person, deren Identität sich erst nach und nach erschließt.
Fazit
Auch wenn der Rückentext einen Krimi suggeriert, ist Der Wald wirft schwarze Schatten eher ein – äußerst spannender – Roman, der eine soghafte Geschichte von Schuld, Eifersucht und Wahnsinn erzählt. Ausgesprochen lesenswert!
Hinweise
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