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Kategorie: Fantasy

Die Erde, in nicht allzuferner Zukunft - Von einem totalen Krieg zerstört, leben die Menschen in Dörfern und dem, was von den Städten übrig geblieben ist. Chaos und Gewalt bestimmen ihren Alltag, rivalisierende Clans kämpfen um die Herrschaft. Mittendrin ist ein namenloser kleiner Junge auf der Suche nach Glück und Geborgenheit. Er findet Freunde und einen Namen: Mowgli...

Mit ihrem "Winzling" transportieren Crisse und N'Guessan auf faszinierende Weise das "Dschungelbuch" in eine neue Welt. Der Klassiker von Rudyard Kipling erhält hier eine neue Dimension, in der Menschen die Bestien sind. Ein gelungener Kunstgriff, der ein spannendes Leseabenteuer verspricht.

 

Winzling 01 

Originaltitel: L'eveil
Autor: Crisse
Übersetzer: Tanja Krämling
Illustration: Marc N'Guessan
Verlag: Finix
Erschienen: März 2012
ISBN: 978-3-941236-54-7
Seitenzahl: 48 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahren (Empfehlung der Rezensentin)

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Die Grundidee der Handlung
In einer Zeit, in der die Welt wild von Dschungel überwuchert ist und fast alle Menschen aufgrund von Kriegen gestorben sind, lebt der Winzling, ein Kind, dessen Mutter vom Anführer der Hyänen, Shir Khan, getötet wurde. Auf der Flucht vor ihm landet der Winzling beim Klan der Wölfe, wo er auf Balu und Baghira trifft, die sich mit ihm vor Shir Khan verbergen. Immer an seiner Seite ist ein treuer Hund, der die Rolle des Berichterstatters übernimmt.

Es ist äußerst lobenswert, sich an das Dschungelbuch unter neuen Gesichtspunkten zu wagen. Und es gelingt dem Autor auch wirklich grandios, sich den Stoff zu eigen zu machen. Insidergags wie das Benennen des Hundes in "Rudyard" lockern die blutige Handlung auf und machen neugierig, genauso wie die Andeutungen, dass der kleine Winzling Mowgli das Kind aus den Legenden sein soll, der als "Einiger" in die Geschichte eingehen soll.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Schon die erste Seite führt in die Geschichte sehr gut ein, denn der (bis dahin) namenlose Junge erwacht auf einem Schrottplatz, wo er in einem Autowrack übernachtet hat. Die Wut, die ihn überfällt, als das Autoradio den Geist aufgibt, ist sehr gut dargestellt. Die Begegnung mit dem Hund, der danach die Rolle des Erzählers übernimmt, was in rechteckigen Kästen in die Handlung eingebunden wird, verläuft dramatisch und zeigt die Wildheit des Jungen - aber auch sein Erbarmen.

Interessanterweise kann er zu Beginn nicht sprechen, sondern nur knurren. Die einzigen, die sich mit klaren Worten deutlich machen, sind die anderen Menschen (und der Hund in seinen Erzählungen). Der Auftritt von Shir Khan, der ein hochgewachsener Mann mit Augenklappe und Tigerfellmantel ist, gerät ein wenig verwirrend. Obwohl die Farbgebung der Seiten in ein schmutziges Braun wechselt, muss der Leser achtgeben, dass er den Wechsel in die Vergangenheit zeitlich richtig einordnet. Die Darstellung ist ein wenig wie ein alter Film geraten, der einen Braunstich erhalten hat.

Die altbekannten Namen der Dschungelbuch-Geschichte tauchen in interessanten Kombinationen auf: Balu ist ein alter Mann mit weißem Bart und Brille, der ein rotes Kopftuch trägt, Rama ein mürrischer Mann mit Ziegenbärtchen. Akela, der Anführer des Klans der Wölfe, trägt einen seltsamen Helm, der wie ein Wolfskopf geformt ist. Und Baghira ist eine vollbusige dunkelhäutige Frau mit Rasterzöpfen. Die Figuren sind allgemein eher grobschlächtig und ungenau gezeichnet. Das Erkennen fällt zwar leicht, vergleicht man aber die Bilder mit denen anderer Zeichner, so ist man unweigerlich etwas enttäuscht. Der Hund ist mitunter so dargestellt, wie ein echter Hund nie die Pfoten halten würde (S. 21). Wäre das Ziel ein comicartigerer Stil gewesen, ist das Endresultat zu realistisch. Falls Realismus das Ziel war, schleichen sich zu viele Comicelemente ein.

Die Hintergründe sind zumeist ausgearbeitet, bleiben jedoch eher rudimentär. Zu N'Gueassans Stil der Figuren passen sie, doch auch hier wäre ein wenig mehr Feinheit wünschenswert gewesen. Selbst die Farbgebung wirkt hingeklatscht und weist wenige Abstufungen auf. Gerade bei der Dschungelumgebung wäre da einiges mehr herauszuholen gewesen.

Die Panels sind klar durch weiße Stege voneinander getrennt und daher leicht zu verfolgen. Die Geräusche wurden direkt in die Bilder eingebunden und im Originalfranzösischen belassen. Da die Laute sich aber ähneln, ist es nicht schwer zu verstehen (bspw. "Clik" statt "Klick").


Aufmachung des Comics
Auf dem Cover des DIN A4 großen Hardcovercomics ist Mowgli zu sehen. Das Vorsatzpapier zeigt den kleinen Helden auf braunem Grund, wie er gerade einen Frosch ansieht. Etwas verwirrend ist, dass auf der einleitenden Seite der Untertitel als "Das Geheimnis" angegeben ist, was eigentlich der Titel des zweiten Bandes ist. Blättert man um, sieht man die drei Cover der Comics, mit denen die Geschichte schließlich abgeschlossen sein wird. Die Bindung ist gut gelungen und stabil. Auf der Rückseite befindet sich die Inhaltsangabe über einer Schwarzweiß-Zeichnung von Kaa, der im Dschungel sitzt.


Fazit
Während die Geschichte glatte vier Sterne verdient hätte, trüben die Zeichnungen den Lesespaß ungemein. Bei einem Klassiker wie dem "Dschungelbuch", der in ein neues und frisches Licht gerückt werden soll, wäre eine sorgfältigere Ausarbeitung der Charaktere und des Hintergrundes wünschenswert gewesen.


3 5 Sterne


Hinweise
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