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Ein rätselhafter Tod auf dem Eiffelturm, der umstrittenen Attraktion der Pariser Weltausstellung des Jahres 1889: Eine der vielen Besucherinnen haucht dort, in luftiger Höhe, ihr Leben aus. Der Buchhändler Victor Legris wird ungewollt zum Zeugen und schließlich zum Ermittler. Denn es gibt noch weitere Opfer, die stets einem mysteriösen Bienenstich erliegen. Und jedes Mal ist Victor dem Tatort nicht fern …

 

Madame ist leider verschieden 

Originaltitel: Mystère rue des Saints-Pères
Autor: Claude Izner
Übersetzer: Gaby Wurster
Verlag: Piper
Erschienen: 2011
ISBN: 978-3-492-27356-5
Seitenzahl: 338 Seiten



Die Grundidee der Handlung
Victor Legris führt zusammen mit Kenji Mori, seinem Partner und Vaterersatz, eine gut gehende Buchhandlung im Paris von 1889 – also zur Zeit der großen Weltausstellung rund um den neuerbauten Eiffelturm. Auf eben diesem trifft er seinen Freund Marius Bonnet mit seinen Kollegen von der frisch gegründeten Zeitung ‚Pass-Partout’. Dass genau an diesem Tag ein Frau von einer Biene gestochen tot umfällt, kommt dem jungen Blatt natürlich gerade recht. Als allerdings kurz nacheinander zwei weitere Personen ebenfalls offensichtlich an einem Bienenstich sterben und Victor herausfindet, dass sein Freund Kenji irgendwie mit der Sache zu tun haben muss, fängt er an zu ermitteln. Der junge Legris muss bald feststellen, dass Ermittlungsarbeit doch nicht so einfach ist. Fast stündlich ändert sich seine Meinung bezüglich des Täters und neben seinem Freund Kenji zählt kurzerhand auch seine neue Flamme Tasha, eine junge Künstlerin, die für die Zeitung zeichnet und mit der er eine rauschende Nacht verbracht hat, zu den Verdächtigen. Mit immer wirreren Gedanken kommt er auch körperlich immer mehr an seine Grenze, schafft es aber dann doch nach zwei weiteren Opfern, sein Bild des Tatherganges und des Täters zu kanalisieren. Pech ist nur, dass ihn das selbst ins Visier des Täters bringt.

Die Idee, einen quasi unbedarften Buchhändler über Nacht zum Ermittler werden zu lassen, wird vom Autor sehr schön umgesetzt. Ein perfektes Zusammenspiel von Unwissenheit, Zufällen und Glück bringt Victor vorwärts und wirft ihn oft auch wieder zurück. Auch das Umfeld – Paris 1889 – ist stimmig dargestellt und hilft, die besondere Atmosphäre zu erzeugen. Schön gemacht.


Stil und Sprache
Claude Izners Kriminalroman spielt zur Zeit der großen Weltausstellung 1889 in Paris. Eine Zeit die in allen Belangen für Umbruch und Neuerung steht. Eastman (Kodak) präsentiert seine neuartige Kamera, die Frauenbewegung kommt in Fahrt, immer wieder versuchen Monarchisten und Republikaner wie Georges Boulanger, der am liebsten die Regierung abgesetzt und einen Vergeltungsschlag gegen die Deutschen geführt hätte, an die Macht zu kommen. Selbst in der Kunst gibt es zwei zerstrittene Lager: Der Pointillismus unter Signac und Baum kann mit den Synthetisten unter Bernard, van Gogh oder Cézanne nichts anfangen und umgekehrt. Bells Telefon wirkt neben Edisons Kinetoskop fast schon veraltet. Ständiger Wandel fordert die Menschen auf mitzuhalten, denn wer nicht am Ball bleibt, landet in der Gosse – ein Sozialamt oder Arbeitslosengeld gibt es noch nicht.

In diesen Wirrwarr setzt der Autor Victor Lengris, einen Buchhändler, und lässt ihn einen Kriminalfall lösen, der ebenso verwirrend wie unlösbar scheint, zumal Victor aber auch rein gar nichts von Ermittlungsarbeit versteht. Aus der Sicht des Erzählers sieht man quasi über alle Geschehnisse, ob nun Mord, Ermittlung oder nächtliches Schäferstündchen. Trotzdem erhält man nicht alle Informationen, um den Fall schon im Vorfeld lösen zu können. Das Buch bleibt bis zum Schluss spannend.

Ob der Autor nun immer im für die Epoche richtigen Stil geschrieben hat, kann ich mangels Erfahrung nicht sagen, gewirkt hat die Geschichte jedenfalls so auf mich. Die leicht gekünstelte, gehobene Art mit der gesprochen wird oder auch diverse Bezeichnungen und Wörter wirken für mich stimmig und in die Zeit passend. Die Menge an französischen Namen und Bezeichnungen, aber vor allem Straßennamen überfordern den gewillten Leser schnell, da sie am Anfang geballt auftreten. Besser wird es erst gegen Schluss zu, da hat man sich dann daran gewöhnt und es strömt nicht mehr so viel Neues auf einen ein. Sehr interessant finde ich die vielen geschichtlichen Informationen, die im Text mitgegeben werden. Am Ende des Buches befindet sich sogar eine Zusammenfassung der historischen Gegebenheiten.


Figuren

Ich lese sehr gerne Krimis aus Italien oder wie hier Frankreich und bin immer erleichtert, wenn die Orts- und Personennamen leicht zu lesen und zu verstehen sind. Leider ist dies bei Claude Izner nicht der Fall. Vor allem am Anfang wird man von den vielen Personen-, Orts- und Straßennamen regelrecht erschlagen. Was die Personen angeht, egalisiert sich dies im Laufe der Geschichte, die schwierigen Straßennamen jedoch bleiben.

Der Hauptakteur, Victor Legris, ist ein junger, gutaussehender und nicht gerade mittelloser Buchhändler, der die von seinem verstorbenen Vater geerbte Buchhandlung mit seinem Freund, Partner und Vaterersatz Kenji Mori zusammen betreibt. Victor hat eine Geliebte, die verheiratete Odette, die ihn allerdings nicht mehr wirklich begeistert, weder körperlich noch menschlich. Vielleicht ja auch, weil er sich in die ebenfalls junge und sehr attraktive Tasha verliebt hat. Dieses kecke, selbstbewusste und auf eigenen Beinen stehende Frauenzimmer hat ihm kurzerhand den Kopf verdreht und sorgt deswegen auch während seiner Ermittlungen für fehlgeleitete Gedanken. Aber gerade dies macht Victor sehr sympathisch, er macht viele Fehler, lernt aber auch viel dabei. Und wer kennt das nicht aus seiner Jugend, wie einem die Mädchen den Kopf verdrehen können.

Die vielen anderen Personen, quasi das schmückende Beiwerk, sind so verschieden wie die Besucher der Weltausstellung dieser Zeit. Intellektuelle, Arbeiter, Afrikaner, Asiaten, Gesinde, einfach alles, was das Herz begehrt. Der Bösewicht selbst bleibt lange im Dunkeln, geht skrupellos und scheinbar ohne Plan vor und überrascht am Ende nicht nur durch seine Person, sondern auch durch seine Beweggründe.


Aufmachung des Buches
Die Optik des Taschenbuches wirkt auf den ersten Blick eher spartanisch. Auf dem weißen Cover mit schwarzem Rand sind nur der Buchtitel, der Autor sowie eine Biene in Rot zu sehen. Neben einer Leseprobe zum 2. Teil ‚Ruhe sanft, mein Herz’ ist, was ich besonders schön finde, eine Schwarzweiß-Karte vom Paris der Jahrhundertwende zu sehen. So kann man leicht nachvollziehen, welche Wege die Figuren gehen und wo sich die einzelnen Szenen abspielen. Neben dem Ausblick auf den 2. Fall mit Victor gibt es noch einen umfassenden Quellennachweis sowie eine Zusammenfassung der historischen Gegebenheiten. Leider trübt die schlechte Papierqualität den guten ersten Eindruck.


Fazit
Ein eher gemächlicher - erst gegen Ende wird Fahrt aufgenommen - dafür aber intellektueller Krimi im Paris der Weltausstellung von 1889. Leider ist er durch die vielen französischen Namen und Begriffe anfänglich schwer zu lesen. Durch eine kleine Liebesgeschichte und den guten Plot nicht nur für Fans aus dem ‚Histo’-Bereich.


3 5 Sterne


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