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Alles paletti, sollte man meinen: zwei Kinder, gemeinsame Wohnung und eine liebende Frau, Ada. Anton Hornig muss jetzt nur noch den Sack zumachen – und Ada heiraten. Ihre Antwort allerdings fällt genauso überraschend aus wie das, was Anton einmal für seine Zukunft gehalten hat. Während er noch Pläne macht, wird Anton Hornig vom Leben kalt erwischt.

 

Erdbeerschorsch 

Autor: Joachim Seidel
Verlag: Piper
Erschienen: 12.03.2012
ISBN: 978-3-492-27246-9
Seitenzahl: 224 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Der Nachfolger von Joachim Seidels Debütroman HimbeerToni setzt knapp 4 Jahre später ein. Die Zwillinge Max und Annika sind mittlerweile 3 Jahre alt und Altpunk Anton Hornig, zwar ohne Job, scheint als Vollzeit-Papa ein mehr oder minder geregeltes Leben zu führen, denn zum Glück sorgt Freundin Ada als Verlagsangestellte in Teilzeit für ihren Unterhalt. (Wer sich an der Stelle jetzt fragt, wie man in Deutschland mit einem Teilzeitgehalt, sofern man nicht zu den Großverdienern zählt, eine vierköpfige Familie ernähren will, darf auf eine plausible Antwort in diesem Buch leider nicht hoffen.) Außer als Ernährer kommt Ada aber keine wichtige Rolle in der Handlung zu, denn wie schon in Teil 1 liegt der Fokus auf Tonis Männerclique, mit der er Tag und Nacht rumzuhängen scheint und deren geregelter Alltag sich mit jeder umgeblätterten Seite immer mehr verflüchtigt. Glaubte man am Ende von Teil 1 noch, Himbeer Toni und Konsorten würden nun endlich erwachsen werden und ihr Leben in den Griff bekommen, so ist hier nicht mehr viel davon zu erkennen.


Stil und Sprache
Im Prinzip macht Joachim Seidel den gleichen Fehler wie schon in seinem Erstling. Glücklicherweise konnte dort die spritzige zweite Hälfte für den zähen Anfang noch entschädigen und viele Schwächen rückwirkend ausgleichen, was jedoch hier im Fortsetzungsroman einfach nicht gelingen will. So zieht sich über die ersten 90 Seiten (bei 224 insgesamt) ein einziger, endlos scheinender Tag dahin, der dem Leser nichts weiter zu bieten hat als eine lahme Kindergeburtstagsparty auf Kosten des größten schwedischen Möbelherstellers, den Kauf von zwei Kinderbetten und der anschließenden Demolierung eines Radarmastes mittels genanntem Einkauf. Joachim Seidels Humor hat enorme Schwierigkeiten zu zünden und wo in Teil 1 die neu eingeführten Figuren mit ihrem schrägen Charme richtig erfrischend auf mich wirkten, empfand ich sie hier nur noch wie ein verwässerter zweiter Aufguss.
Nachdem der erste Tag dann endlich überstanden ist und der Himbeer Toni gleich anschließend bei einem Strandunfall auf Sylt seinen langjährig verschollenen, tot geglaubten Ex-Bandkollegen Georg wiedertrifft, tauchen in zunehmendem Maße Lichtblicke für den Leser auf. Im letzten Drittel des Romans erwischte ich mich an vielen Stellen sogar dabei, richtig Spaß mit Tonis abgewrackter Clique zu haben, doch ist dies zu wenig, um dem Roman insgesamt wenigstens Mittelmaß bescheinigen zu können. Denn ein weiterer Pluspunkt aus Teil 1, der Hamburger Lokalkolorit, fehlt hier gänzlich und Seidels größter Trumpf im Ärmel, sein Insiderwissen über die Punkszene, wurde ebenfalls nicht mehr ausgespielt. Lediglich die Kapitelüberschriften haben zum Inhalt passende Songtitel verpasst bekommen.

Schade, statt aus den Fehlern seines ersten Romans zu lernen, hat Joachim Seidel diese nun komplett wiederholt und als Fauxpas obendrein seine Stärken nicht mehr gewinnbringend einzusetzen gewusst.


Figuren
Außer dem schwergewichtigen Bäcker Herrn Blümchen, der sich nach wie vor irgendwo in Südostasien oder auch sonst wo in der Weltgeschichte herumtreibt, ist das komplette Figurenensemble aus HimbeerToni wieder mit von der Partie, gleichzeitig kommen ein paar neue Personen dazu: allen voran Titelgeber Erdbeer Schorsch, seines Zeichens Ex-Gitarrist der Punkcombo Remo Smash, mit bürgerlichem Namen Georg Wirling. Der seit fast 30 Jahren Totgeglaubte sorgt für so manche faustdicke Überraschung bei seinen Freunden und war mir von den Neuen noch der liebste. Weiterer Neuzugang wäre Pamu Kalle, der seinen türkischen Imbiss um die Ecke wegen enormer Pachterhöhung demnächst schließen muss. Außer der Tatsache, dass er die Clique nicht verhungern lässt, bleibt seine Person in dem Roman recht blass. Dritter im Bunde der Neuen ist Dr. Mehmann. Als Anwalt soll er Radulescu Ursus Abschiebung in den Kosovo verhindern. Zur allgemeinen Erheiterung hat der gute Doktor einen merkwürdigen Schafstick.

Bei den altbekannten Figuren macht sich der Autor nicht mehr die Mühe, sie dem Leser groß vorzustellen, gleichzeitig bezieht er sich nicht selten auf Vorkommnisse in Teil 1, weshalb man diesen kennen sollte, bevor man seinen Nachfolger in Angriff nimmt - zumal das Buch mehr vom schrägen Charakter der Figuren als von der Handlung selbst lebt.


Aufmachung des Buches
Hier handelt es sich um eine handelsübliche Taschenbuchausgabe. Das poppige Coverbild dürfte sich mit dem roten, angeknabberten Gummibärchen auf giftgrünem Untergrund genauso ansprechend wie verkaufsfördernd auf die angestrebte Zielgruppe auswirken. Und passend zum Inhalt ist es obendrein, denn der reliefartig hervorgehobene glänzende Gummibär symbolisiert Georgs alias Erdbeer Schorschs Leibspeise, von der er immer eine Tüte voll (natürlich in gemischten Farben) mit sich herumträgt.


Fazit
Joachim Seidels Fortsetzungsroman um Altpunk Anton Hornig ist leider nicht mehr, als ein mühsamer Abklatsch seines Debüts HimbeerToni. Konnte dort die zweite Buchhälfte das Ruder noch ordentlich herumreißen, um einen schwächelnden Anfang wettzumachen, zieht hier die gleiche Masche ein zweites Mal eingesetzt nicht mehr so leicht. Wie gehabt, kommt nämlich auch sein zweiter Roman erst spät auf Touren, doch statt mich über die positive Wende zu freuen - wie beim ersten Mal -, fragte ich mich nur genervt, warum nicht gleich so?

 
2 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.dealt

Backlist:
Band 1: HimbeerToni

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