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Eine ungewöhnliche Aufgabe für Avvocato Guido Guerrieri: Manuela, eine Studentin aus Rom, ist spurlos verschwunden, und der Polizei fehlt jeglicher Hinweis. Nun soll die Akte geschlossen werden – doch die verzweifelten Eltern bitten Guerrieri, dies zu verhindern. Schnell wird klar, dass er hier weniger juristisch nach einem Formfehler zu suchen hat, als vielmehr nach einer Möglichkeit, das unerklärte Verschwinden der jungen Frau doch noch aufzuklären und seinen Auftraggebern Gewissheit über das Schicksal ihrer Tochter zu verschaffen. Und je mehr Guerrieri nachforscht, desto deutlicher wird, dass all jene, die Manuela gut kannten, mehr wissen, als sie sagen – und mit allen Mitteln versuchen, die grausame Wahrheit zu verbergen …

 

In ihrer dunkelsten Stunde 

Originaltitel: Le perfezioni provvisorie
Autor: Gianrico Carofiglio
Übersetzer: Viktoria von Schirach
Verlag: Goldmann
Erschienen: 2011
ISBN: 978-3-442-31229-0
Seitenzahl: 288 Seiten



Die Grundidee der Handlung
Guido Guerrieri, Anwalt für Strafrecht, ist gerade in seine neue Kanzlei eingezogen, als Sabino Fornelli, ein Anwaltskollege, ihn bittet, für seine Mandanten Nachforschungen anzustellen. Die Familie Ferraro vermisst seit sechs Monaten ihre Tochter Manuela und die Staatsanwaltschaft möchte den Fall gerne schließen. Guerrieri soll nun nach Möglichkeiten suchen, dies zu verhindern. Doch schnell entschließt sich Guido, nicht nur nach Verfahrensfehlern zu suchen, sondern nach Manuela selbst und natürlich den Gründen für ihr Verschwinden. Und tatsächlich wird er in Manuelas Umfeld fündig: Ihr Exfreund Michele Cantalupi, dealt mit Kokain und laut ihren Freundinnen Caterina und Nicoletta soll die Trennung der beiden nicht gerade schön vonstatten gegangen sein. Doch der junge Mann hat ein Alibi und auch Anita, das Mädchen, mit dem Manuela als letztes gesehen wurde, kann Guido nicht helfen. Caterina, eine der beiden Freundinnen, bietet ihm an, Nicoletta in Rom zu besuchen und Guido fühlt sich von ihrer direkten, fordernden Art sehr angezogen. Er verbringt in Rom eine Nacht mit ihr und kommt im Anschluss der erschreckenden Wahrheit immer näher. Ein schwieriges Thema, das der Autor sehr emotional umsetzt und dadurch mehr als nur einen Krimi erschafft.


Stil und Sprache
Ein Krimi muss nicht immer voll sein mit Effekten, vielen Toten, Verfolgungsjagden und Gewalt. Gianrico Carofiglio nutzt keines dieser Attribute in seinem neuestem Buch und erreicht trotzdem eine Qualität, die vielen des Genres fehlt. Er setzt auf tiefgehende Atmosphäre, die er mit perfekt ausgearbeiteten Charakteren und extrem gut gezeichneten Szenen erzeugt und während der Geschichte bis zur Perfektion erweitert.

Der Fall wird vom Anwalt selbst erzählt, also aus seiner Sicht. Dabei wird ein Großteil des Buches mit den Gedanken und Gefühlen von Guido gefüllt, die er zum Beispiel während Befragungen oder auch dem Abendspaziergang mit einer Freundin hat. Der Autor erzeugt dadurch eine angenehme Nähe zur Geschichte und vor allem zur Hauptfigur. Um diese Nähe zu festigen, lässt er den Leser auch tief in die Vergangenheit Guerrieris hinein sehen. Dieser schweift immer öfter ab, zurück in seine Jugendzeit, zurück in vermeintlich bessere Zeiten und wieder in das Heute, um Parallelen zu ziehen. Der Autor schafft es nahezu perfekt, dieses Wechselspiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit, das immer wieder in Guidos Gedanken abläuft, filmartig zu untermalen. Mit liebevoll und detailreich beschriebenen Szenen, ob nun heute oder damals, würzt er quasi die Geschichte. Man kann förmlich die feuchte, nach Meer duftende Luft riechen, wenn Guido mit seiner Freundin nach einem Regen durch die Gassen Baris schlendert.

Die verschwundene Tochter ist ein sehr schwieriges Thema, denn jeder, der selbst Kinder hat, kann nachvollziehen, wie schlimm es sein muss, wenn Tod oder Leben ungewiss sind. Diese angespannte Grundstimmung fließt durch das ganze Buch und beeinflusst auch Guido nachhaltig.
Ein emotional wirklich berührender Roman mit Krimi-Allüren, der garantiert niemanden kalt lässt.


Figuren

Viel braucht es offensichtlich nicht für ein gutes Buch, denn Gianrico Carofiglio kommt mit nur wenigen, dafür extrem gut gezeichneten Figuren aus. Neben dem Hauptdarsteller, Guido Guerrieri, ist eigentlich nur noch eine der beiden Freundinnen der Vermissten, Caterina Pontrandolfi wichtig. Sie begleitet Guido auf einem Großteil seiner Nachforschungen und spielt nicht nur bei der Lösung des Falles, sondern auch emotional eine besondere Rolle. Sie ist sehr attraktiv, sportlich und ihre direkte, offene Art spricht Guido sofort an. Er ertappt sich immer öfter dabei, wie seine Gedanken mit allem möglichen und unmöglichen spielen. Er will sie und er hat auch den Eindruck dass sie ihn will. Es ist aber lange nicht sicher, ob er sich nicht nur nach der Jugend, die für ihn Vergangenheit ist, sehnt.

Mit Nadia, einer ehemaligen Prostituierten und Mandantin von Guido, verbindet ihn mehr. Er kann über alles mit ihr reden, sie ist sein Ruhepol und tut ihm sehr gut, doch irgendwie hemmt ihn ihre Vergangenheit. Sehr schön wenn auch bedrückend, ist, das der Verlauf des Falles nicht spurlos an Guido vorbeigeht. Dies macht ihn noch sympathischer als er eh schon ist.

Der Autor hat seine Charaktere sehr bodenständig und real geformt. Jeder wird von Ängsten, aber auch Wünschen begleitet. Alle Figuren kommen mit Ecken und Kanten daher und entwickeln sich im Laufe der Geschichte – negativ wie positiv, was Teil der besonderen Atmosphäre dieses Romans ist.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch aus dem Goldmann Verlag kommt mit einem passend zur Geschichte gestalteten Umschlag daher. Das Coverbild zeigt einen Fiat 500 vor einer Hauswand, an der ein Kreuz hängt. Das Papier hat eine sehr gute Qualität, lediglich das fehlende Lesebändchen trübt ein wenig meine Euphorie.


Fazit
Kein Krimi mit Spannung und Effekthascherei, dafür mit viel Tiefe und einer atemberaubenden Atmosphäre. Ein Buch für den besonderen Lesegenuss.


4 5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Backlist:
Fall 1: Reise in die Nacht
Fall 2: In freiem Fall
Fall 3: Das Gesetz der Ehre

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