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Kategorie: Interviews mit Autoren

Brigitte Pons


Hallo Brigitte! Schön, dass du Tatwaffe und Polizeibericht für unser Interview zur Seite legst. Wobei störe ich dich denn gerade?

Bei der Hausarbeit - und dafür bin ich dir sehr dankbar [lacht]


Wenn man durch deine Veröffentlichungen blättert, findet man eine bunte Mischung an Kurzgeschichten, aber Kriminalgeschichten stehen ganz weit vorn. Wie kam es zu deiner Vorliebe für dieses Genre? Was fasziniert dich so daran?

„Die Abgründe der menschlichen Seele oder dessen, was die meisten Menschen für eine Seele halten“ ist ein Zitat von Tobias Stockmann aus „Ich bin ein Mörder“, Seite 48. Um es anders zu formulieren: das Extrem der Emotionen, denen die Protagonisten ausgesetzt sind, ist faszinierend. Das gilt natürlich nicht nur für Krimis, aber dort lässt es sich sehr leicht umsetzen. Ich kann die Menschen in schreckliche, beängstigende Situationen bringen, die sie aus ihrer normalen Lebenswelt reißen, und dann damit spielen, wie sie darauf reagieren. Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten. Das abrupte, gewaltsame Ende eines Lebens im direkten Umfeld fordert zum Tätigwerden heraus, aber auch zum Philosophieren und zur Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit als solcher. Zum Leidwesen aller Lektoren (und meines Agenten) bin ich ungern genretreu und setze den Schwerpunkt nicht zwangsläufig auf Ermittlungsarbeit und Aufklärung des Mordes. Ein Mord dient mir gern auch als auslösendes Moment für das aus den Fugen geraten eines ganzen Lebens. So entstehen unter anderem Manuskripte, die schwer zu vermarkten sind. Aber vielleicht ändert sich das ja eines Tages.


Dein Debütroman „Ich bin ein Mörder“ spielt in Frankfurt. War dir der regionale Bezug ebenso wichtig wie das Genre oder hat sich der Plot zufällig entwickelt?

Der Roman ist nicht explizit ein „Regio“, weder von mir so gewünscht noch konzipiert. Vielmehr war meine räumliche Nähe zu Frankfurt ausschlaggebend für den Handlungsort. Dieser hat selbstverständlich auch die Handlung beeinflusst - wenn ich schon eine reale Stadt einbeziehe, dann gibt sie mir natürlich auch ihre Struktur und ihre besonderen Gegebenheiten vor.


Im Roman führst du den Leser an viele Orte mit Wiedererkennungswert. Wie bist du da vorgegangen – mit Notizbuch quer durch Frankfurt?

Ganz genau. Zu Fuß und mit den Öffentlichen. Ich kenne sie inzwischen alle: S-, U- und Straßenbahnen. Stadtbezüge im Buch müssen stimmen und überprüfbar sein. Man wird schon mal angesprochen, wenn man mit dem Klemmbrett auf der Zeil steht oder scheinbar orientierungslos im Kreis läuft, sich unter Brücken herumdrückt oder vom Eisernen Steg zur U-Bahn sprintet und dabei die Zeit stoppt. Da sich das Schreiben und die Verlagssuche ja (leider) über mehrere Jahre in die Länge zog, musste ich zum Teil auch im Internet nachforschen, da sich die Stadt zwischenzeitlich deutlich verändert hat. Mir wäre es unangenehm, wenn mir jemand das gedruckte Buch vor die Nase hält und sagt: 2007 gab es das Gebäude aber noch gar nicht …


Wie sieht es bei den Charakteren aus – hast du dich an reellen Personen orientiert? Gerade der 'Mörder' Stockmann ist ja ein sehr exzentrischer Mensch ...

Da muss ich dich enttäuschen. Die Charaktere sind alle meiner Phantasie entsprungen. Ähnlichkeiten wären wirklich rein zufällig! Dass es bei den Eigenschaften Übereinstimmungen geben kann, will ich nicht abstreiten, aber keine Figur ist einem bestimmten Menschen nachempfunden. Die Mischung macht’s. Und ich gebe zu: Einem echten Stockmann zu begegnen, erscheint mir gleichermaßen reizvoll wie beängstigend.


Dein Schreibstil ist ja trotz Mord und Verdächtigungen locker und auch oft recht frech. Ist dir diese Mischung leichtgefallen – oder musst du dich manchmal zurücknehmen, wenn der Schalk dir zu sehr im Nacken sitzt?

Ehrlich gesagt, habe ich nie wirklich darüber nachgedacht. Es war mehr ein Instinkt, der mich eine Balance zwischen Spannung und Entspannung anstreben ließ. Und ja, ich fand es leicht, das war genau der Stil, der aus mir heraus sprudelte. In diesem Fall hat es gut funktioniert; ich habe sämtliche „Frechheiten“ durch das Lektorat bringen können.


Hat sich dein Leben seit „Ich bin ein Mörder“ stark verändert? Du bist ja auf einigen Lesungen unterwegs.

Stark verändert würde ich nicht sagen, wobei die Häufigkeit und vor allem Länge der Lesungen zugenommen hat! Früher war ich Teil einer Lesung mit einer oder zwei Kurzgeschichten. Jetzt fülle ich alleine einen Leseabend von einer bis anderthalb Stunden. Und ich finde es klasse!
Wer mich live und in Farbe erleben will, findet alle Veranstaltungen auf Facebook. Wer mich für eine neue Veranstaltung buchen will, schreibt mir einfach eine Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Ich gebe immer alles – halbe Sachen mache ich nicht. Zwar habe ich jedes Mal Lampenfieber und würde eine Viertelstunde vorher am liebsten kneifen. Aber wenn es losgeht, „mutiere ich zur Rampensau“ – wenn ich an der Stelle meinen Mann zitieren darf. [lacht]


Was war das schönste Erlebnis seit der Veröffentlichung? Gab es auch ein weniger schönes Ereignis?

Der Augenblick, in dem ich den ersten Karton mit Büchern öffnete, war schon genial. Aber auch die Premierenlesung im Polizeipräsidium oder die Lesungen auf der Buchmesse haben sich gigantisch angefühlt. Es ist immer schön, wenn man positives Leserfeedback erhält. Großartig war auch der Anblick meines Buches in einer Thalia-Filiale zwischen Mankell und Schätzing; da mache ich dann schon mal kreischend ein Tänzchen mitten im Buchladen. Peinlich, aber es kommt von Herzen.
Weniger schön? Nichts Dramatisches. Ein Veranstalter, der die Werbung verpennt hat, ein Verriss in einem Blog – das war es auch schon. Die schönen Momente überwiegen bei Weitem!


Vor Kurzem schlugen die Wellen unter anderem im Internet hoch, was (Laien-)Rezensionen und Autoren, die sich von diesen beleidigt fühlen, betrifft. Wie gehst du damit um, wenn jemand dein Werk bemängelt, obwohl er es noch nicht ganz gelesen hat?

In der extremen Form hatte ich das zum Glück noch nicht. Grundsätzlich hat jeder das Recht, mein Buch nicht zu mögen - warum auch immer. Wieso sollte man sich zwingen, etwas zu Ende zu lesen, was man nicht mag? Das ist verschwendete Lebenszeit. Ob ich dann unbedingt eine Rezension schreiben muss, ist die nächste Frage. Allerdings sollte man Kritik in angemessenem Ton und mit einem gewissen Respekt äußern, sachlich bleiben und niemanden persönlich attackieren. Wird diese Grenze überschritten, hört mein Verständnis auf. Nach dem oben erwähnten Verriss zu meinem Buch hat mir die Bloggerin die Möglichkeit zu einem Interview gegeben. Das hat für mich die Lage sehr entspannt, auch wenn wir sicher weiterhin geteilter Meinung sind.


Du arbeitest momentan an einigen neuen Projekten – an welchem/n schwerpunktmäßig? Dir ist sicher klar, dass ich nun auch wissen möchte, ob eine Fortsetzung vom „Mörder“ geplant ist oder ob du sogar vorhast, aus dem Ermittlerduo Alexandra und Mischa eine Buchreihe zu machen?

Also gleich vorweg: keine Fortsetzung, keine Serie. So der momentane Stand. Dazu macht es mir zu viel Spaß, neue Figuren kennen zu lernen und zu sehen, wie sie wachsen und sich entwickeln. Ich liebe meine Figuren zu sehr, als dass ich ihnen einen faden Aufguss zumute.
Aktuell habe ich ein Projekt fertig geplottet – Konzept, Exposé und eine Leseprobe von rund 30 Seiten. Meine Recherche dazu ist umfangreicher als bisher. Es gibt reale Bezüge, politische Hintergründe, die in die Vergangenheit reichen und diesmal ist Frankfurt nur einer von mehreren Handlungsorten. Dem Thema entsprechend muss ich mich auch stilistisch umstellen; hier kann der freche Unterton allenfalls gelegentlich in Gesprächen durchschimmern. Die Grundstimmung ist eher düster angelegt. Das kostet mich einiges an Energie (die albernen Einfälle habe ich nämlich trotzdem).


Du planst momentan einen Kriminalroman, bei dem du dich an die Fersen der Mordkommission heftest. Das klingt furchtbar spannend – erzähl doch bitte mehr über deine Recherche!

Ups, da hast du mich erwischt. Zum einen liegt der Krimi derzeit in der Warteschleife, zum anderen habe ich die Angewohnheit, manchmal mit verdrehter Reihenfolge ans Werk zu gehen. Das bedeutet in diesem Fall, dass ich munter drauflos schreibe und dabei auf mein im Laufe der Jahre angesammeltes Halbwissen zurückgreife. Hinterher werde ich meinen wunderbaren Kontaktmann bei der Polizei damit quälen. Nein, Spaß beiseite: Ich habe einen sehr netten Ratgeber bei der Polizei, der mir schon bei „Ich bin ein Mörder“ zur Seite gestanden und auch das Folgeprojekt unter die Lupe genommen hat. Dabei hat er mir bescheinigt, dass ich mich ziemlich gut mit den Interna auskenne und nur wenige Punkte verbessert. Ich kann also keine spannenden Storys aus dem Alltag der Kripo zum Besten geben, die ich live miterlebt habe. Tatsache ist aber, dass im Manuskript mit dem vorläufigen Titel „Eine saubere Sache“ eine Hauptfigur Ermittler der Mordkommission ist. Sonst neige ich eher dazu, Leute in mörderische Ereignisse zu verwickeln, die nicht unmittelbar beruflich damit zu tun haben.


Es liegt nahe, dass du nicht nur Krimis schreibst, sondern sie auch liest ... Kannst du uns deine Top 3 nennen?

Nachdem ich mein Bücherregal befragt habe, fand ich ein erstaunliches Ranking:
1. Agatha Christie - Ruhe Unsanft
2. Rita Mae Brown – die Krimis rund um „Harry“ (Mary Minor Haristeen), da mag ich mich nicht für einen Titel entscheiden
3. Alan Bradley – Flavia de Luce, Mord im Gurkenbeet


Wenn du ein anderes Genre für deinen nächsten Roman wählen müsstest, welches wäre das – und warum?

Ein abgefahrener, völlig überdrehter und lustiger Liebesroman. Ganz ohne Leiche. (Puh, eine echte Herausforderung!) Weil ich das noch nicht gemacht habe und weil ich das möglicherweise einfach aus dem Bauch heraus schreiben könnte, ohne tief greifende Recherche. Wildes, phantastisches Brainstorming und Herumblödeln aufs virtuelle Papier gegackert. Ja, das wäre mal was [lacht]


Wo siehst du dich in fünf Jahren?

In der Küche vor meinem Laptop beim Schreiben. Und im Regal vier veröffentlichte Bücher.


Vielen Dank für deine Zeit – und viel Erfolg weiterhin!