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In der Endphase des Zweiten Weltkriegs glich das Leben in Deutschland einem Alptraum, die Städte lagen in Trümmern, Millionen Menschen waren tot. Warum kämpften die Deutschen bis zum bitteren Ende weiter? Ian Kershaw schildert die letzten Monate des "Dritten Reichs", vom Attentat auf Hitler im Juli 1944 bis zur Kapitulation im Mai 1945, und zeichnet dabei meisterhaft das Räderwerk nach, dass das nationalsozialistische Herrschaftssystem bis zum Schluss in Gang hielt.

"Bei weitem die beste Antwort darauf, warum NS-Deutschland bis zur totalen Selbstauflösung kämpfte. Kershaw, Autor der besten Hitler-Biographie, gehört zu den wenigen Akademikern, die Wissenschaft mit einer bewundernswerten Klarheit im Denken und in der Sprache zu vereinen wissen" - Antony Beevor

 

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Originaltitel: The End. Hitler's germany, 1944-45
Autor: Ian Kershaw
Übersetzer: Klaus Binder, Bernd Leineweber, Martin Pfeiffer
Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt
Erschienen: 7. November 2011
ISBN: 978-3-421-05807-2
Seitenzahl: 704 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Ian Kershaw geht in seinem neuesten Buch der Frage nach, weshalb die Deutschen Hitler so bereitwillig in den Untergang folgten. Warum gab es keine Aufstände? Weshalb putschte das Militär nicht? Fragen, die ich mir auch schon gestellt habe und auf deren Beantwortung ich hoffte, wenn ich auch weiß, dass das nicht abschließend möglich sein wird.

Kershaw wählte für sein Buch die Zeit nach dem Attentat auf Hitler am  20. Juli 1944 bis zur Kapitulation 1945. Dabei geht er bei der Schilderung der Ereignisse und deren Folgen chronologisch vor und gliedert die Kapitel anhand der sich verändernden Frontverläufe im Westen und Osten, die er auch ausführlich beschreibt. Allerdings lassen sich durch diese Vorgehensweise Wiederholungen nicht vermeiden und es stellt sich eine gewisse Unübersichtlichkeit bei den Antworten auf die eingangs gestellte Frage ein, da er in jedem Kapitel zwar einen "Grund" abhandelt, der aber leider selten als solcher klar formuliert wird. Eher wird die These in den Text eingflochten und der Leser ist gefordert, sich einen Reim darauf zumachen. Hier zeigen sich die Nachteile das narrativen, Stils für den sich der Autor entschieden hat. Der Vorteil liegt in der sehr guten Lesbarkeit des Buches. Kershaw gelingt es Spannung aufzubauen, den Leser emotional zu berühren und in die Schilderung z.B. der Vorgänge in Nemmersdorf, regelrecht hineinzuziehen. Da fällt es schwer, sich dem Sog der "Geschichte(n)" zu entziehen und eine gewisse Distanz zu den Geschehnissen zu wahren. Er kann aber auch sachlich argumentieren und natürlich belegt er seine Meinung ausführlich. Ich vermisse aber oft die Gegenargumente und die Diskussion derselben.

Für Kershaw sind unter anderem die Mentalitäten (z.B. Pflichtbewusstsein, Obrigkeitshörigkeit) des deutschen Volkes und seiner militärischen und politischen Entscheidungsträger ausschlaggebend für die zu späte Kapitulation und die damit einhergehende sehr hohe Zahl an Toten, obwohl sich die Niederlage bereits im Sommer 1944 abzeichnete. Um die Stimmung und die Mentalitäten im Volk zu ermitteln, kann er sich nicht auf repräsentative Umfragen stützen und muss auf Feldpostbriefe oder Tagebucheintragungen zurückgreifen, die natürlich subjektive Meinungen wiedergeben, welche nicht verallgemeinert werden können. Obwohl Kershaw immer wieder betont, dass seine Aussagen deshalb mit Vorsicht zu genießen sind, stellt er sie dennoch zu oft in den folgenden Kapiteln als Tatsachen dar. Das sollte man nicht tun und passt auch nicht zu einem renommierten Historiker wie ihm. Darüber hinaus wird manches, weil es scheinbar nicht in sein  Konzept passt, einfach verschwiegen. Beispielsweise führte General Wenck einen Führerbefehl nicht aus, Kershaw behauptet aber, dass die Generäle genau dies nicht zu tun wagten. Das verüble ich ihm ein wenig, weil man nämlich leicht auf den Gedanken kommen kann (der vielleicht nicht zulässig ist), dass hier ein bisschen geschummelt wird, um die eigene(n) These(n) glaubwürdiger erscheinen zu lassen.

Die von ihm genannten Gründe, warum sich das deutsche Volk so ohne Gegenwehr zur Schlachtbank hat führen lassen, sind mir als interessiertem Laien nicht neu, Kershaw aber kommt der Verdienst zu, sie alle in einem Buch zu versammelt zu haben. Kein einziger allein war ausschlaggebend, aber zusammengenommen lassen sie ein Bild entstehen, das nicht vollständig ist, aber schlüssig erscheint.

Im Schlusskapitel fasst er alle Gründe noch einmal zusammen und formuliert kurz im letzten Absatz seine Hauptthese, dass alleine Hitlers "charismatische Herrschaft" dafür verantwortlich war, dass die Kapitulation erst nach seinem Tod erfolgte. Dies überrascht mich, da er zuvor ein wesentlich komplexeres Bild der Ursachen gezeichnet hat. Es bleibt zu hoffen, dass er mit dem etwas überdimensionierten Buch den Anstoß zu weiterer Forschung auf diesem Gebiet gegeben hat.

Eine Frage, die sich dem Rezensenten immer stellt, ist die nach der Zielgruppe - diese kann ich leider nicht beantworten. Historiker stellt dieses Buch sicherlich nicht zufrieden und für Einsteiger ist es teilweise zu unübersichtlich und setzt zuviel Vorwissen voraus. Interessierte Laien finden leider nicht viel Neues. Dennoch ist es eine spannende Lektüre, denn erzählen kann Kershaw hervorragend.


Aufmachung des Buches
Das schwarz eingebundene Buch verfügt über ein rotes Lesebändchen und einen weißen Schutzumschlag, dessen Cover den Inhalt des Buches gut illustriert: über einer historischen Fotographie, deren Mittelpunkt der Schriftzug "Wir kapitulieren nie" (geschrieben an eine Mauer) bildet, steht der Titel "Das Ende". Das passt hervorragend zum Thema!

Zu Beginn des Bandes gibt der Autor in einem kurzen Inhaltsverzeichnis die Themen an und nennt daran anschließend die handelnden Personen der politischen und militärischen Führung Nazi-Deutschlands. Auf die Einführung folgen die einzelnen Kapitel, die immer mit Zitaten z.B. aus Briefen eingeleitet werden. Nach dem Schlusswort folgen die Danksagung, ein Abkürzungsverzeichnis, sehr umfangreiche Anmerkungen, sowie das Quellen- und Literaturverzeichnis. Ein Personen- und Ortsregister schließen das Buch ab. Karten des Frontverlaufs sind den jeweiligen Kapiteln zugeordnet, und erleichtern das Verständnis der militärischen Operationen.


Fazit
Kershaw kann die Frage, die er sich stellt, nicht wirklich beantworten, lediglich Aspekte, die zu einer Annäherung an die Antwort führen, nennen. Insofern wird er seinem Anspruch, eine alles erklärende Antwort zu geben, nicht gerecht. Dennoch handelt es sich um eine gut lesbare Chronik der letzten Monate des "Dritten Reiches", die Details zu einem Gesamtbild zusammenfasst, so dass man einen guten Überblick über diese Zeit erhält, sofern man bereits etwas mit dem Thema vertraut ist.


3 Sterne


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