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Kategorie: 1600 – 1750 Barock

Als Gesches Bruder beim Schlittschuhlaufen einbricht, ist es ausgerechnet ein Schwarzer, der Feldtrompeter Christian, der ihn aus dem eisigen Nass fischt. Und die 17-jährige Ratsherrntochter verliebt sich Hals über Kopf in den misstrauisch beäugten Fremdling. Eine unmögliche Liebe. Doch eine, für die Gesche bereit ist, ihr Leben zu opfern.

 

Eiswinter 

Autor: Brigitte Beil
Verlag: btb
Erschienen: 9. November 2011
ISBN: 978-3442741861
Seitenzahl: 384 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Zwei Welten treffen aufeinander. Da gibt es die Welt der jungen Ratsherrentochter, deren Bruder von einem Feldtrompeter aus dem eisigen See gerettet wird und die sich in diesen rettungslos verliebt, und dann eben auch die Welt des besagten Feldtrompeters, mit guten Manieren, Bildung und gesicherter Existenz – aber dieser hat dennoch einen Makel: Der Feldtrompeter ist nämlich ein Schwarzer …

Was noch nicht einmal in unserer heutigen - vermeintlich aufgeklärten - Zeit von allen Menschen akzeptiert wird, führte natürlich im 17. Jahrhundert erst recht zu massiven Problemen. Die Geschichte vom schwarzen Feldtrompeter Christian Gottlieb basiert auf einer wahren Begebenheit und die Autorin hat sich bemüht, das Leben Gottliebs aus den wenigen Daten und Fakten interessant und glaubhaft nachzuerzählen.


Stil und Sprache
Die Sprache ist leicht und fein, was der an und für sich schon sehr „schweren Geschichte“ sehr gut tut. Liest man nur den Klappentext, beschleicht einen schnell das Gefühl, das Buch müsse  melancholisch traurig sein, weiß man doch, welche Probleme die beiden Protagonisten zu erwarten haben. Und genau da ist auch der kleine Schwachpunkt des Buches. Man wähnt sich als Leser oft im Heute und Jetzt und nicht unbedingt im 17. Jahrhundert, so bekannt kommen einem manche Szenen vor. Aufgrund der Zeit hätte man eine noch viel heftigere Reaktion von den Mitmenschen erwartet, als die Autorin es dargestellt hat. Weiß man sogar, welche Abscheulichkeiten es noch im 20. Jahrhundert gab, wenn Extremisten auf „Nigger“ gestoßen sind, so scheinen die Reaktionen der Menschen rund um Christian Gottlieb vergleichsweise harmlos. Dies ist ein Part, den man nicht so recht glauben mag, denn richtiggehend gehässige und auch gewalttätige Reaktionen hätte man sich angesichts der Zeit leider sehr gut vorstellen können. Auch ist der Protagonist bei den Menschen des Ortes ausgesprochen respektiert, allerdings nur so lange, bis man weiß, dass er die Ratsherrntochter heiraten will. Beschreibt Beil einerseits, dass die Leute die Menschen Afrikas für regelrechte „Tiere“ halten, und wenn überhaupt, dann nur als Sklaven etwas taugen, will man ihr das respektable Verhalten der Bewohner nicht abnehmen.

Im Grunde begleitet man Gesche als stiller Beobachter. Sie kämpft um ihre Liebe, lässt sich nicht unterkriegen, schenkt dem intriganten Geschwätz im Ort kaum Gehör und ist glücklich, für Christian und sich gekämpft zu haben. Dass die Probleme aber mit der Heirat der beiden nicht aufhören, liegt auf der Hand. Beil erzählt mit viel Feingefühl und gleitet nie ab ins Pathetische. Einfach eine schöne, spannende und nachempfindbare Erzählung.


Figuren
Gesche, die Ratsherrntochter, und Christian, der farbige Feldtrompeter - die beiden Figuren sind es, um die sich alles dreht. Die Liebe zwischen ihnen ist sehr sensitiv, einfühlsam, aber keinesfalls süßlich oder gar überladend dargestellt. Lange ist den beiden ohnehin kein Glück gegönnt, denn die Autorin stellt auf sehr realistische Weise dar, wie schnell sie auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. In Gesches Familie gibt es niemanden, der sie unterstützt oder ihre Liebe zu Christian gar versteht.
Auf sehr subtile Weise veranschaulicht Brigitte Beil, wie sich Menschen (nicht nur damals) verhalten, wenn sie das erste Mal einem Farbigen begegnen. Kann der eine, wie Gesches Vater, seine Abneigung (bevor Christian um Gesches Hand anhält) gut verbergen, hat ihre Mutter da schon viel größere Probleme und betrachtet nach der Begrüßung stets ihre Hände, ob diese nicht doch etwas von der schwarzen Farbe des „Wilden“ angenommen haben. Im Grunde sind die Figuren sehr glaubwürdig gezeichnet, nur bei Gesches Mutter geht eine Wandlung vor sich, die man nicht - schon gar nicht so radikal und in diesem Tempo - so recht nachvollziehen kann.


Aufmachung des Buches
Ein sehr schönes Taschenbuch mit einem - auch einmal wirklich passenden - Umschlagmotiv. Die Frau, die in einer Winterlandschaft in die Ferne sieht, symbolisiert das Thema des Buches auf sehr stimmige Weise. Das Buch selbst ist in drei Teile gegliedert und am Schluss findet man noch ein sehr interessantes, bebildertes Nachwort, das auf den Wahrheitsgehalt der Geschichte nochmals eingeht.


Fazit
Ein ausgesprochen schönes und gefühlvolles Buch, das von der Liebe zweier Menschen erzählt, die gegen Vorurteile, Neid und Gier ankämpfen müssen. Brigitte Beil zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass eine Liebesgeschichte nicht gleich schnulziger Kitsch sein muss. Berührend und feinfühlig und trotz des schwierigen Themas nicht bedrückend oder gar beklemmend. Durch den ausgesprochen schönen Erzählstil und die sehr empathische Darstellung Gesches fallen die angemerkten Schwächen nicht so stark ins Gewicht wie bei so manch anderem Buch. Ein etwas anderer und sehr schöner historischer Roman, den man nur empfehlen kann.


4 Sterne


Hinweise
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