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Eine umfassende Dokumentation der alltäglichen und der spektakulären, der gelungenen und der gescheiterten Rettungsversuche in ganz Europa.

Arno Lustiger schildert die Bemühungen, Juden im gesamten besetzten Europa das Leben zu retten, aus einer neuen Perspektive. So erweitert er die Kriterien dessen, was in der öffentlichen Wahrnehmung unter »Judenrettung« verstanden wird: Er schildert nicht nur die Aktionen derer, die als »Gerechte unter den Völkern« geehrt wurden, sondern auch die in Vergessenheit geratenen Rettungsversuche von Diplomaten, Juden, Geistlichen u.a. Auch unterscheidet er nicht zwischen erfolgreichen und missglückten Aktionen; eine Hierarchisierung der Retter findet ebenfalls nicht statt. Auf diese Weise bringt er auch die kleinen, alltäglichen Rettungsbemühungen von Einzelpersonen ebenso wie von Netzwerken ans Licht, die den Mord an den europäischen Juden nicht aufhalten konnten, die jedoch gleichwohl Widerstand gegen die Nazis bedeuteten. Vor diesem Hintergrund prägte Lustiger den Begriff »Rettungswiderstand«.

Die Synthese aus der persönlichen Nähe des Holocaust-Überlebenden, der sein eigenes Leben mehreren Rettungsgeschichten verdankt, und der wissenschaftlichen Distanz des Historikers macht diesen Band zu einem eindringlichen Leseerlebnis und einer Horizonterweiterung unseres Wissens um die Möglichkeiten widerständischen Verhaltens gleichermaßen.

 

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Autor: Arno Lustiger
Verlag: Wallstein Verlag
Erschienen: September 2011
ISBN: 978-3-8353-0990-6
Seitenzahl: 462 Seiten


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Der Historiker Arno Lustiger hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Rettungswiderstand von 30 Ländern weltweit nicht nur in diesem Buch ein Gesicht zu geben.
Was versteht man unter "Rettungswiderstand"? Dieser Begriff wurde von Lustiger geprägt, um all jene, die z.T. unter Einsatz ihres Lebens Juden vor der Deportierung gerettet und / oder ihnen zur Emigration verholfen haben, zu ehren. Zu oft wird "Widerstand" außerhalb Israels aus den verschiedensten Gründen auf den politischen Widerstand eingeengt. Selbst Yad Vashem erkennt nicht alle Retter als "Gerechte" an. Der Autor findet, dass es allerhöchste Zeit ist, diesen Menschen, deren Zahl größer ist, als man annimmt, möglichst noch zu Lebzeiten die Anerkennung zukommen zu lassen, die ihnen zusteht. Außerdem möchte er auch den jüdischen Widerstand und die Selbstretter einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen und damit dem weit verbreiteten Vorurteil alle Juden seine wie Schlachtlämmer in den Tod gegangen, entgegen treten.

Diese Buch vereint nun die Geschichten und Biographien von ca. 200 Rettern und Netzwerken aus den unterschiedlichsten Schichten in einem Buch. Lustiger teilt es deshalb in mehrere Abschnitte, und diese wieder in Kapitel und Unterkapitel ein:

  • Das Deutsche Reich
  • Besetzte Länder
  • Deutschlands Verbündete
  • Neutrale Länder
  • Die  Alliierten

Die Kapitel sind ähnlich aufgebaut – zunächst gibt der Autor einen Überblick über die politische Situation des beschriebenen Landes, also ob es sich z.B. um ein besetztes Land handelt, dann stellt er in kurzen Biographien die Retter und Retterinnen vor, abschließend nennt er die Zahl derer, die von Yad Vashem als "Gerechte" anerkannt wurden. Dabei wird er von einigen Gastautoren mit Biographien und Essays unterstützt.

Sowohl seine eigenen Beiträge, als auch die der anderen Autoren lassen sich gut lesen, und wendet sich in erster Linie an interessierte Laien. Allerdings sollte man das Buch abschnittweise lesen, sonst könnte es passieren, dass man von der schieren Menge an Informationen erschlagen wird. Zur guten Lesbarkeit trägt auch der Verzicht auf den wissenschaftlichen Apparat bei.

Ein Gedicht zu Beginn des Buches geht der Frage nach, ob man selbst den Mut aufgebracht hätte menschlich zu handeln, das eigene Leben und das der Familie aufs Spiel zu setzten, für oft völlig fremde Menschen, die der Hilfe bedürfen. Mehrfach wurde bereits herauszufinden versucht, was die Retter, außer ihrer Tat, gemeinsam haben, weshalb ein Mensch zum Retter wurde und dies oft auch über einen langen Zeitraum hinweg; letztendlich kann dies aber wissenschaftlich nicht bestimmt werden. So bleibt es schließlich dem Leser überlassen, Gemeinsamkeiten zu suchen und zu finden. Wer aber gut vernetzt und in die jeweilige Gesellschaft integriert war, hatte weit bessere Chancen zu überleben, als die Juden in den traditionellen osteuropäischen Ghettos, so das Fazit Lustigers.

Der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund und nennt Ross und Reiter, erwähnt wo sich die Bevölkerung aufgrund des dort herrschenden Antisemitismus (ohne deutschen Zwang) an der Judenverfolgung und Ermordung  beteiligte, wer die Profiteure waren und lässt auch die Alliierten nicht ungeschoren, denen er "Unterlassene Hilfeleistung" vorwirft (S.147). Er sagt aber auch, welche Staaten sich bei der Judenrettung auszeichneten, z.B. die polnische Exilregierung und Italien - vor der Besetzung durch die deutsche Wehrmacht.

Im Nachwort entschuldigt sich Lustiger für eventuelle Fehler bei der Darstellung und bei den Biographien. Es lassen sich tatsächlich kleine Ungenauigkeiten finden, die ich aber als vernachlässigbar einschätze. Auffällig ist aber, dass sich bis ungefähr zur Hälfte des Buches die Druckfehler und Auslassungen von Satzzeichen häufen. Danach wird es besser, schade, dass da vom Verlag nicht besser aufgepasst wurde. Auch eine Karte der besetzten Länder wäre hilfreich gewesen.


Aufmachung des Buches
Das blau eingebundene Buch verfügt über einen beige-farbenen Schutzumschlag, dessen Cover einige Fotographien aus der Zeit der Nazidiktatur zeigt, deren Herkunft im Impressum erklärt wird. Dazwischen montiert sind Titel und Name des Autors.

Abgeschlossen wird das Buch mit einem auch für populär-wissenschaftliche Bücher vergleichsweise kleinen Anhang. Dennoch enthält er das Wichtigste wie ein "Verzeichnis der Abkürzungen", eine ausführliche Bibliographie, einen Überblick über Archive und Internetseiten, Kurzporträts der Gastautoren, sowie das umfangreiche Register.


Fazit
Ein guter und umfangreicher Überblick zum momentanen Stand der Forschung zum Rettungswiderstand, leider mit kleinen Mängeln.


4 Sterne


Hinweise
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