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Kategorie: Ab 6 Jahre

Jedes Jahr im Dezember traf für Tolkiens Kinder ein Umschlag mit einer Briefmarke vom Nordpol ein. Er enthielt einen Brief in zittriger Handschrift und eine schöne, farbig ausgestaltete Zeichnung oder Skizze.

Die Briefe kamen vom Weihnachtsmann, und sie erzählen wunderbare Geschichten vom Leben am Nordpol: davon, wie sich alle Rentiere losgerissen hatten und wild herumsprangen; wie der Polarbär auf die Spitze des Nordpols kletterte und durch das Hausdach des Weihnachtsmanns mitten ins Esszimmer plumpste; wie der Mond in die Brüche ging und der Mann-im-Mond in den Garten hinter dem Haus fiel; und wie Weihnachtsmann und Nordpolarbär Schlachten mit den lästigen Kobolden schlugen, die in den Höhlen unter dem Haus lebten!

Manchmal steht ein brummiger Kommentar vom Polarbär am Rand, manchmal sind die Briefe von Ilbereth, dem Elbchen und Sekretär des Weihnachtsmanns, zu Ende geführt. Die Neuausgabe der "Briefe vom Weihnachtsmann" enthält eine Vielfalt an Neuem, darunter Illustrationen und ganze Briefe, die in früheren Ausgaben fehlten.

 

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Originaltitel: Letters from Father Christmas
Autor: J.J.R. Tolkien
Übersetzer: Anja Hegemann, Hannes Riffel, Joachim Kalka
Verlag: Klett-Cotta Verlag
Erschienen: Oktober 2006
ISBN: 978-3608911558
Seitenzahl: 111 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Von 1920 bis 1943 schreibt der Weihnachtsmann alljährlich den Kindern aus dem Hause Tolkien einen Brief. In manchem Jahr sind es auch mehrere unterschiedlichen Datums. Häufig bedankt er sich bei den Kindern für eingesandte Briefe und Wunschlisten. Die Wünsche kann er nicht immer alle erfüllen und hofft aber doch, dass die Kinder zufrieden sind.  
Soweit halten sich die Briefe im Rahmen der üblichen Briefe, die der Weihnachtsmann an Weihnachten verschickt, die tolkienschen Kinder haben aber wohl einen besonderen Stein im Brett bei ihm und er hält sie über die Ereignisse am Nordpol auf dem Laufenden. Die sind nicht selten gefahrvoll, aber meistens lustig, manchmal auch haarsträubend, wie z.B. 1926, als der Polarbär am Schalter des Nordpolarlichts herum gespielt hat. Je älter die Kinder werden, desto ausführlicher sind die meisten Briefe und ausgefallener die Abenteuer. Auch die Bevölkerung des Nordpols wächst mit den Jahren kontinuierlich, und damit die Verwicklungen am Nordpol. Darüber hinaus nimmt der Weihnachtsmann aber auch immer Bezug zu den häuslichen Verhältnissen der Tolkiens z.B. erwähnt er Umzüge oder erklärt, wieso es 1931 oder während des 2.Weltkrieges weniger Geschenke gibt als sonst. Dabei wird auch klar, dass der Weihnachtsmann ein Weltbürger ist, der über den Dingen steht.


Stil und Sprache
Der Weihnachtsmann frönt keinem ausgefallen Stil, etwas altmodisch im Ton und in kurzen Sätzen berichtet er vom Klippenhaus am Nordpol. Doch je älter die Kinder werden, umso mehr passt er sich auch ihren sprachlichen Fähigkeiten an – anfangs bewusst einfach, werden sie später in der Wortwahl und dem Satzbau komplexer. Er bedient sich aber nie einer "Kindersprache", die Kinder nicht ernst nimmt, so wie es Erwachsene doch häufig tun.
Neben dem Weihnachtsmann schreibt auch sein Helfer, der Polarbär. Dieser fällt nicht nur durch seine Rechtschreibfehler und seine spöttischen Randbemerkungen auf, sondern hat auch seinen eigenen unverwechselbaren Stil. Sein Sekretär Ilbereth ist ganz ein Kind der 30er / 40er Jahre, modern und leger erinnert er mich an einen etwas abseitsstehenden, zu leiser Ironie neigenden Beobachter, der die Ereignisse, von denen er schreiben soll, etwas absurd findet, nichts desto trotz aber den Bewohnern des Nordpols liebevoll zugetan ist.

Der "Weihnachtsmann" ist natürlich Tolkien selbst, der es - wie mir scheint - auch unter Zeitdruck schafft, immer noch sehr persönliche, auf die Vorlieben seiner Kinder (was Geschichten angeht) abgestimmte Briefe zu verfassen. Die darin erzählten Abenteuer amüsieren Kinder vermutlich immer, nicht nur die des Autors. Die Geschichten, die so im Laufe der Jahre aufgeschrieben werden, sind stets so gesponnen, dass sie nie langweilig werden und z.B. der Kampf mit den Kobolden ist sehr spannend erzählt. Auch in den Briefen an seine Kinder zeigt sich Tolkien von seiner besten sprachlichen Seite.


Figuren
In den Briefen wimmelt es von erfundenen Figuren, wie dem treuen Polarbär und dessen Neffen, oder den Kobolden. Aber natürlich spielen die vier Kinder Tolkiens eine ebenso gewichtige Rolle, denn ohne sie hätte der Weihnachtsmann diese Briefe ja nie verfasst. Ein bisschen kann man auch sie kennenlernen – Christopher scheint sich z.B. eine Zeitlang vor dem Weihnachtsmann gefürchtet zu haben.
Egal, ob die Personen nun von Anfang an eine Rolle spielen im Mikrokosmos des Klippenhauses am Nordpol, oder erst später hinzukommen - sie sind immer sehr gut ausgeführt und haben ihre eigenen unverwechselbaren Charaktere. Hinzu kommt, dass Tolkien viele Ereignisse am Nordpol auch in Bildern, die von ihm angefertigt wurden, festhält, so dass sich die Kinder manche Figur noch besser vorstellen können.


Aufmachung des Buches
Bei der Gestaltung der mir vorliegenden Ausgabe hat sich der Verlag sehr viel Mühe gegeben: festes, matt glänzendes, weißes Papier, Fadenheftung, ein fester. kartonierter, roter Einband mit grünen Vorsatzblättern, die schon an Weihnachten denken lassen. Der rote Umschlag, der das Buch schützt, ist ebenfalls von stabiler Qualität und ansprechend gestaltet. Am oberen und unteren Rand findet sich ein umlaufendes Band mit goldenen Ornamenten. Die Vorderseite zeigt ein - zwischen dem in goldenen Lettern gedruckten Titel und dem Namen des Autors eingesetzt - von Tolkien selbst angefertigtes Gemälde des Weihnachtsmannes. Die Rückseite schmücken Abbildungen der Original-Briefumschläge.

Diese Ausgabe wurde nicht nur um einige Texte erweitert, sondern vor allem um etliche Abbildungen der Original-Briefe, ferner selbst gestaltete Briefmarken vom Nordpol und der oben bereits erwähnten Bilder. All dies ist von Tolkien sorgfältig ausgeführt worden und er entwickelt im Laufe der Jahre bei seinen Zeichnungen auch einen eigenen, etwas abstrakten Stil. Auch ein erfundenes Alphabet gibt es, mit dem einer der Briefe des Polarbären übersetzt werden kann. Auf die Gestaltung der Briefe verwendet Tolkien einige Mühe, wie die Verzierungen oder verschiedene Handschriften zeigen – die des Weihnachtsmannes ist schon arg zittrig und der Polarbär schreibt in dicken, fetten, Runen-ähnlichen Buchstaben. Diese Eigenarten wurden auch in die Übersetzung übernommen - die Briefeschreiber unterscheiden sich bei den verwendeten Schriftarten. Darüber hinaus sind alle Seiten des Buches noch mit verschiedenen Motiven aus den Briefen, z.B. Abbilder der Neffen oder einfachen bunten Schmuckornamenten verziert. Zum Glück wirken die Seiten trotzdem nicht überladen.


Fazit
Selbstverständlich empfehle ich dieses vor Ideen sprühende Buch allen Eltern und ihren Kindern, die sich ihren Sinn für phantastische Welten bewahrt haben, und genauso natürlich allen Tolkien-Fans, weil sie hier den Autor von seiner familiären Seite und als Künstler kennenlernen können.


5 Sterne


Hinweise
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